Bayreuth – Glucks „Alceste“ in einer mitreißenden Version bei den Gluckfestspielen im Markgräflichen Opernhaus

Opernkritik Gluckfestspiele 2022 "Alceste" präsentierst von www.schabel-kultur-blog.de

Mit mitreißend tänzerischer Dynamik, überaus subtil und transparent dirigiert, gespielt und gesungen entdeckt Michael Hofstetter in einer Koproduktion mit dem Theater Pilsen als Höhepunkt der diesjährigen Gluckfestspiele den Reiz der schlichten italienischen Urfassung von „Alceste“ (1767), mit der Gluck den Weg zur Reformoper beschritt…

München – Berlioz’ „Les Troyens“ in der Bayerischen Staatsoper langweilt

Opernkritik Berlioz "Les Troyens" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Mit Spannung erwartet, enttäuschte die Premiere von Berlioz. Die letzte Inszenierung von „Les Troyens“ in der Bayerischen Staatsoper München liegt 20 Jahre zurück. Einen derartigen Buhsturm für die Regie gab in der Staatsoper schon lange nicht mehr zu hören. Mit homophilen Softpornos im Großformat konfrontiert zu werden war nicht nur in Anbetracht des hohen Durchschnittsalters des Publikums auch jüngeren Zuschauern des Guten zu viel, anderes fehlte. Christophe Honoré vermied bei seinem Regiedebüt in München zwar jegliche historische Verkitschung und hollywoodmäßigen Bombast, doch seine statischen Bildwelten, selbst die beiden Tanzszenen, egal ob aufgesetzt surreal oder lasziv erotisch, bewirkten statt Emotionalisierung und detaillierter Figurenzeichnung nur zunehmende Langeweile…

Gluckfestspiele – „Orpheus und Eurydike“ in der Tanzversion von Pina Bausch

Opernkritik "Orpheus und Eurydike" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Eigens für die Festspiele wurde Pina Bauschs Tanzoper „Orpheus und Eurydike“ mit größtmöglicher Authentizität neu einstudiert. Josephine Ann Endicott, einst Tänzerin, jetzt die künstlerische Leiterin, bekannte: „Die Bewegungen sind noch in mir gespeichert. Mein Körpergefühl kann sie noch gut zeigen, darum brauche ich kein Regiebuch.“

Berlin – Richard Strauss’ „Elektra“ in der Deutschen Oper

Opernkritik "Elektra" im Deutschen Oper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Elektra“ hat es zwar nie in Freuds Psychologie zu einem Fachbegriff wie der „Ödipus“-Komplex gebracht, aber der Mythos um „Elektra“ ist nicht minder dramatisch und wird in der Deutschen Oper Berlin in der inzwischen 15 Jahre alten Inszenierung von Kirsten Harms und unter der musikalischen Leitung von Ulf Schirmer nach wie vor bejubelt.
Großartig ist das Bühnenbild, ein eherner Schacht, der durch die raffinierte Lichtregie den Wechsel der atmosphärischen Stimmungen zwischen bleierner Isolation und emotionalen Wallungen sehr deutlich macht. Der ermordete Agamemnon wurde einst in diesen Schacht geworfen. Seitdem haust seine Tochter Elektra. Untröstlich bestimmen die Gedanken an die Rache ihr Leben…

Landshut – „Die Walküre“ im Landestheater Niederbayern – Begeisterter Applaus für die beeindruckende Inszenierung

Opernkritik "Die Walküre" im Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Ein gigantisches Bücherregal verweist auf die üppige Rezeptionsgeschichte von Wagners 4-teiligem Ring-Mythos’, dessen dritter Teil „Die Walküre“ im Landestheater Landshut bei der Premiere begeistert bejubelt wurde. Raffinierte Lichtregie und Projektionen spannen den Bogen von sagenumwobenen Vorzeiten in die digitale Gegenwart. Es hat sich nicht viel verändert bezüglich der menschlichen Abhängigkeiten, nur die Systeme sind andere. Nach wie vor kreist das Leben um Liebe und Kampf, Mann-Frau-, Vater-Kindbeziehung, Mitgefühl und gekränkte Ehre. 
Mit einer konzeptionell stringenten Inszenierung „Der Walküre“ beweisen Stefan Tilch, Intendant des Landestheater Landshut, und Basil H. E. Coleman, Generalmusikdirektor, dass auch auf Landesebene auf Augenhöhe eines Staatstheaters der „Ring“ auf die Bühne gebracht werden kann. Bis ins kleinste Detail durch und durch stimmig zieht „Die Walküre“ in ihren Bann…

München – „Das Liebesverbot“ – Richard Wagners zweite Oper im Sugar Mountain in einer Inszenierung der Opera Incognita 

Richard Wagners "Liebesverbot" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der deutsche Statthalter von Sizilien verbietet seinen Bürgern bei Todesstrafe Karneval zu feiern, um die Sitten zu schützen. Claudio ist das erste Opfer. Er wird zum Tode verurteilt, weil er seine Geliebte geschwängert hat. Seine Schwester Isabella rettet ihn mit einer raffinierten Intrige, wobei der Statthalter und sein Handlanger, der Polizeichef, selbst gegen das Liebesverbot verstoßen. Am Ende gibt es ein dreifaches Happyend und „Das Liebesverbot“ wird aufgehoben. 
Wer würde eine derartige Oper Richard Wagner zuordnen? Und doch ist sie von ihm, wenn auch ganz anders, als das, was man sich unter Wagners Musik vorstellt. Genau deshalb steht „Das Liebesverbot“ ganz selten auf den Spielplänen der Opernhäuser, vor sieben Jahren beispielsweise in Leipzig…

Landshut – Vivaldis „Herkules am Thermodon“ im Landestheater Niederbayern

Opernkritik "Herkules am Thermodon" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Ein Fuchsschwanz, Symbol der Männlichkeit, wird abgefackelt. Was sich als emanzipatorische Barockoper anfangs entfaltet, bleibt singuläres Ereignis und kehrt auch in der flott satirischen Inszenierung von Vivaldis Oper „Herkules am Thermodon“ am Landestheater Niederbayern in traditionelle Raster zurück, wenn Antiope mit dem Herkules´ Fuchsschwanz fröhlich wedelt. Die Männer haben eben doch Oberwasser …

Regensburg – Imposante Uraufführung von Anton Lubchenkos Oper „Wir“

Opernkritik "Wir" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Erschüttert vom Krieg, gerade deshalb ist friedliches Miteinander auf der Bühne wichtig“ unterstrich Mathias Schloderer, kaufmännischer Leiter des Theater Regensburg, in Vertretung des Intendanten die politische Bedeutung der Uraufführung von „Wir“. Dreimal wegen der Pandemie verschoben. Jetzt von den Ereignissen in der Ukraine überschattet bekommt Lubchenkos neue Oper nach Jewgeni Samjatins Roman „Wir“ (1920) eine überraschende Aktualität.
Zwei Jahre nach der Oktoberrevolution schrieb Samjatin vom Unvermögen der Revolutionen. Er baut das Szenario eines Einheitsstaates auf, in dem alle Menschen gleich und glücklich sein sollen, allerdings um den Preis der Entindividualisierung. Die Menschen degradieren zu Nummern. Sexualität ist in Glücksstunden mit jedermann möglich, Gebären verboten. Kinder kommen aus der Retorte. Es ist eine hermetische Welt abgekapselt wie ein Satellit. Nur im Museum und jenseits der grünen Grenze gibt es noch das „normale“ Leben von einst als Hippie-Idylle…

München – Haydns „L’infedeltà delusa“ im Cuvilliéstheater

Opernkritike von Haydns  „L'infedeltà delusa“ präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Welche Rolle spielt die Frau in einer patriachalischen Gesellschaft? Generationen von Dichtern und Komponisten setzten sich damit auseinander. Man kennt das Motiv. Der Vater will seine Tochter reich verheiraten. Die liebt einen anderen und trickst den Vater aus. In Haydns Burletta „L’infedeltà delusa“ ist es Sandrina, die mit der Geliebten ihres künftigen Gemahls Vespina die beiden Männer überlistet und schließlich ihren Nanni heiratet, wodurch Vespina ihr Geliebter erhalten bleibt.  

Die französische Regisseurin Marie-Eve Signeyrole glaubt mit ihrer Inszenerierung das simple Libretto durch die Verortung in einem Internat neu zu erfinden. Doch ihre text- und videoüberladene Inszenierung wirkt für das musikalische Geschehen auf der Bühne und im Orchestergraben kontraproduktiv. Während unter der musikalischen Leitung der litauischen Dirigentin Giedrė Šlekytė Orchester und SängerInnen wunderbar harmonieren, konkurrieren die Bildwelten auf und über der Bühne. Mehr mit Schauen und Lesen als mit Hören beschäftigt beginnt die turbulente Reizüberflutung unterfüttert mit trivial übertriebenen Hauruck-Methoden der Commedia del’Arte schnell zu langweilen… 

Vorankündigung – „Gluck-Festspiele 2022“ – ein hochklassiges Programm mit Tanz, neuen Talenten und einem Musikkabarett in der Metropolregion Nürnberg

Gluck-Festspiele 2022 präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Ein toller Typ, dieser Gluck! Als 16-jähriger von zu Hause weggelaufen Richtung Wien und Italien, brachte er sich mit der Maultrommel durch, tief verankert in der Volksmusik, und wurde zum Barockstar und von Michael Hofstetter revitalisiert. Als Leiter der Gluck-Festspiele ist er derzeit wohl der profundeste Gluck-Kenner. 
„Glucks Musik ist atemberaubend“, sein Stellenwert eine wichtige Brücke zwischen Händel und Mozart. Glucks Reformoper veränderte die Opernwelt. Umso erfreulicher ist es, dass er jetzt endlich wiederentdeckt wird…

München – „Jonny spielt auf“ im Gärtnerplatztheater 

Opernkritik "Jonny spielt auf" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Mit dem Satz „Wollen wir niemals wieder in die Situation kommen, in der die Situation spielt“ wurde das Publikum von Intendant Josef E. Köpplinger vor der Premiere begrüßt und zielte über das Schicksal des Komponisten Ernst Krenek auf die heutige Krisensituation in Osteuropa. 1927 wurde Krenek mit seiner Oper „Jonny spielt auf“ über Nacht berühmt. Der Erfolg gespiegelten Zeitgeistes währte nicht lange. Ein schwarzer Protagonist auf der Bühne der Wiener Staatsoper war zwar eine Sensation, genauso Kreneks moderner Musikmix zwischen Impressionismus und Jazz, vor allem die Botschaft, dass die neue, die amerikanische Kultur sich mit der alten vereint, aber nicht für die Nationalsozialisten. Die Premiere „Jonny spielt auf“ 1928 im Gärtnerplatztheater wurde durch lancierte Störer nach der bejubelten Premiere wegen verschreckter Besucher zum finanziellen Desaster.
Sie verboten die Oper. Krenek als verfemter Komponist emigrierte. Jetzt präsentiert das Gärtnerplatztheater entlang des Originals „Jonny spielt auf“ inklusive einfahrenden nebelverhüllten Zuges und Weltkugel und das Publikum jubelt wieder, auch wenn sich die Musik (Michael Brandstätter) mehr schrill als avantgardistisch anhört, der Jazz nicht wirklich jazzig mitreißt, die technischen Neuheiten längst Alltag sind. Inzwischen hören wir auf einem ganz anderen Niveau und wissen um Authentizitäten. Aber als Reminiszenz an die Mischung aller rasanten Ismen der turbulenten 1920er Jahre kombiniert mit wenigem Althergebrachten und inzwischen selbst überholt entwickelt wie einst vor allem die Optik einen mitreißenden Sog…

München – Benjamin Brittens Oper „Peter Grimes“ großartig inszeniert an der Bayerischen Staatsoper

Opernkritik Benjamin Britten "Peter Grimes" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Wind pfeift. Die Brandung rollt. Möwen gurren. Die Dorfbewohner versammeln sich im Gerichtssaal, ein großer Steinbau, Gemeindesaal, später Bootsraum, Kneipe, Kirche. Sonnenstrahlen hellen die Atmosphäre auf. Aber die Stimmung in Benjamin Brittens erster Oper „Peter Grimes“ 1944 noch während des Zweiten Weltkrieges geschrieben, 1945 uraufgeführt, bleibt düster.

Der Fischer Peter Grimes wird zum Sündenbock der Gesellschaft, als sein Lehrjunge auf See verdurstet. Wegen fehlender Beweise wird Grimes zwar nicht des Mordes angeklagt, aber gesellschaftlich geächtet. Er soll nur noch erwachsene Männer, die für sich selbst sorgen können, zum Fischfang mitnehmen. Doch Grimes will beweisen, dass er mit einem Lehrjungen umgehen kann, holt sich einen zweiten und geht trotz eines Orkans hinaus auf die See, um sich reich zu fischen und integriert zu werden. Er will Respekt und Freiheit… 

München – Leoš Janáčeks „Das schlaue Füchslein“ großartig in der Staatsoper inszeniert und dirigiert

Janácek "Das schlaue Füchslein" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Als Traum in jeder Beziehung entwickelt sich Leoš Janáčeks „Das schlaue Füchslein“ in der Münchner Staatsoper. Regisseur Barrie Kosky und Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla gelingt eine bezaubernde Interpretation, die genau ins Schwarze trifft, was sie im Vorfeld und auch Leoš Janáček beabsichtigen, das Menschliche in den Tieren zu sehen und das Tierische im Menschen. Sehr subtil finden Dirigat, Regie, Bühne und SängerInnen eine Handschrift, die ein kleines Meisterwerk offeriert. Aus der Fabeloper wird eine berührende Metapher über Abhängigkeit und Freiheit, Leid und Glück, Leben und Tod…

Berlin – Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ als schrille Parodie in der Komischen Oper 

Offenbachs "Orpheus in der Unterwelt" an der Komischen Oper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Das Silvesterpublikum scheint sich köstlich zu amüsieren. Selten ist Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ derart schrill und sexy zu sehen. Barrie Kosky liebt es die amourösen Passagen ins erotisch Witzige auszudehnen und an einstiges abgedrehtes Berliner Varieté-Amüsement anzubinden. Getanzt wird, in der Hölle natürlich noch mehr als im Himmel, dass die Fetzen fliegen, als putzige Bienchen, knackige Teufel in Glitzerkostümen auf Nude-Optik oder in pinkfarben unterlegten Cancan-Röcken. Jede Tanzeinlage ist ein flirrendes Revue-Highlight in klassischen Formationen mit originellen Gags und hocherotischen Schwingungen. Perfekt gelingt es Kosky durch seine schmissige Personenregie, die SängerInnen und den Chor miteinzubinden und humorvolle Tableaus zu arrangieren. Das Problem sind die satirisch comicartig angelegten Sprechpassagen, die nur kurz durch Originalität amüsieren und schnell nerven. Zu viel Ulk, zu wenig Offenbach…

München – Franz Lehárs „Giuditta“ kombiniert mit Musik und Texten von Zeitgenossen in der Staatsoper 

Operette Kritik von Lehars "Giuditta" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Man kommt in Erwartung Lehárs berühmteste Operette „Giuditta“ zu hören. Regisseur Christoph Marthaler und Dramaturg Malte Ubenauf genügt das nicht. Sie collagieren von Lehárs Zeitgenossen Texte aus Horváths „Sladek oder Die schwarze Armee“, Lieder und Kompositionen von Bartók, Berg, Eisler, Klein, Korngold, Krenek, Schönberg, Schostakowitsch und machen daraus eine Parodie. Das hört sich interessant an, ist vielschichtig konzipiert, stellt an das Orchester und insbesondere an Vida Miknevičiūte als Giuditta extrem hohe Anforderungen, die sie bestens meistern, dennoch breitet sich in dieser Inszenierung zunehmend Langeweile aus…