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München – Wagners „Lohengrin“ in einer stimmigen Inszenierung in der Bayerischen Staatsoper

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München – Wagners „Lohengrin“ in einer stimmigen Inszenierung in der Bayerischen Staatsoper

©Bayerische Staatsoper, Wilfried Hösl 

Trotz der statischen Bilder der drei Akte entwickelt sich eine mitreißend, sich steigernde Spannung. Gleichzeitig lässt die Inszenierung durch ihre Ruhe Raum die Musik und die großartigen Stimmen zu genießen und in den Anspielungen im Detail neue Nuancen dieser Lohengrin-Sage zu entdecken. 

Als Sohn Parsifal ausgeschickt zu helfen ist Lohengrin mit Klaus Florian Vogt hervorragend besetzt. Er zeichnet ihn als durch und durch positiv aufgeladene Figur, die aber nur solange existiert, solange die Menschen an ihn glauben. Jesus lässt grüßen.

Im zweiten Akt vor dem Palast strömt das Volk in Regenmänteln wie urbane Masse aus der Tiefe öffentlicher Verkehrsmittel durch ein Tor in existentielle Dunkelheit, während Elsa auf dem Balkon darüber mit ein paar jungen Leuten einen Joint raucht, womit Mundruczó raffiniert auf Shakespeares Balkonszene und Marx’ Opium als Religionsersatz anspielt. 

Ortrud schmiedet indes in warm geborgener Lichtatmosphäre unheilvolle Strategien, um das ramponierte Ansehen ihres Mannes, Friedrich von Telramund, von Johan Reuter temperamentvoll, wuchtig und zornig gesungen, womit er die problematische Situation dieser Figur authentisch vermittelt. Mit glühender Abgründigkeit beschwört Anja Kampes nicht die Zukunft, sondern mit Wodan und Freya die nordischen Mythen der Vergangenheit. Die Magie ihrer Stimme mischt die Inszenierung emotional auf, macht Elsas beginnende Zweifel verständlich. Diese interpretiert Johanni van Oostrum vortrefflich. Sie interpretiert Elsa als moderne Frau unserer Tage, sängerisch durch ihr fulminantes, unangestrengtes Timbre, herrliche Pianopassagen und ihre mitreißende Artikulation, schauspielerisch durch ihre authentische Vehemenz und Schutzbedürftigkeit. Körperlich zusammengekrümmt, zitternd wegen psychischen Schmerzes und der Belastung des Frageverbots spiegelt ihre Stimme neben dieser Angst auch die Reinheit der schuldlosen Seele. Klaus Florian Vogt, erfahrener Lohengrininterpret, weiß sie mit seinem immer noch sehr jugendlichen, glanzvollen Tenor zu „schirmen“ und als Brautpaar im symbolischen Weiß-Schwarz-Muster fusionieren sie sängerisch und optisch zu einem Traumpaar. Elsa hebt die Arme und das Kleid sich golden auffaltend verleiht ihr eine engelhafte Aura, die der Zweifel allerdings schnell wieder zerstört. 

Opernkritik "Lohengrin" in der Bayerischen Staatsoper präsentier von www.schabel-kultur-blog.de

©Bayerische Staatsoper, Wilfried Hösl

Elsa bleibt dennoch Heroin, wenn sie im dritten Akt entschwebt, ob auf klobigem Meteorit oder dunkler Wolke obliegt der Deutung des Betrachters. Letztendlich haben Elsas Zweifel Lohengrin zum Handeln gezwungen und den Bruder zurückgeholt, um seine Rolle als Herrscher in der Welt zu meistern. Gerade dieser Ausblick gibt dem Münchner „Lohengrin“ ein offenes und aktuelles Ende. 

Korél Mundruczó zielt zwar laut Programmheft nicht auf Politisierung, doch im heutigen Kontext des russischen Angriffskrieges findet Wagners Libretto von der Angst aus dem Osten automatisch aktuelle Bezüge und die weiß Mudruczó geschickt einzubauen. Das Volk entwickelt Nazi-affine Grußrituale, weil es sich nach einem Führer sehnt, auf den es alle Hoffnungen eines heilbringenden Helden projiziert. In diesem Kontext zielt das Duell als statisches Flex-Gefecht mit Feuereffekt ironisch auf den Stellungskrieg unserer Tage.

Adäquat dazu verwandelt sich unter der musikalischen Leitung von François-Xavier Roth Wagners romantisches Pathos in ein rauschhaftes Erleben, das aber nie die SängerInnen und den Chor übertönt. Die fanfarischen Trompetensoli aus verschiedenen Himmelsrichtungen lassen räumliche Ferne, romantische Sehnsucht und heldischen Glanz wie Zitate erklingen. Noch beeindruckender als die imposanten Forti sind die Piani, in denen sich berührend die subtilen seelischen Prozesse spiegeln. 

Das Publikum in der zweiten Vorstellung jubelte über diesen „Lohengrin“ – zurecht.

Künstlerisches Team: François-Xavier Roth (Leitung), Kornél Mundruczo (Regie), Marcos Darbyshire (Mitarbeit Regie), Monika Pormale (Bühne), Anna Axer Fijalkowska (Kostüme), Felice Ross (Licht), Kata Wéber, Malte Krasting (Dramaturgie), Michael Tilman (Chöre)

Besetzung: Mika Kares (Heinrich der Vogler), Klaus Florian Vogt (Lohengrin), Johanni van Oostrum (Elsa von Brabant), Johan Reuter (Friedrich von Telramund), Anja Kampe (Ortrud), Andrè Schuen (Heerrufer des Königs), Liam Bonthrone, Granit Musliu, Gabriel Rollinson, Roman Chabaranok (Brabantische Edle), Solisten des Tölzer Knabenchors, Bayerischer Staatsopernchor, Extrachor der Bayerischen Staatsoper, Bayerisches Staatsorchester