Welch ein Opernabend! Es kommt eben auf die Inszenierung an. Durch die spritzige Neuinterpretation unter der Regie von Tobias Kratzer und der musikalischen Leitung von Sir Donald Runnicles könnte Strauss’ achte, wenig gespielte Oper „Intermezzo“ die Rückkehr in das Repertoire finden.
Schon bei der Premiere 1924 fand Strauss’ „kleine Eheoper“, wie er sie nannte, wenig Zustimmung, zu autobiografisch, zu trivial, keine wirkliche Oper, nur ein „Intermezzo“. Ausgerechnet dieses Werk an seinem 100jährigem Jubiläum an der Deutschen Oper Berlin als Mittelteil der Strauss-Trilogie zu wählen mit „Arabella“ im vergangenen Jahr und „Frau ohne Schatten“ im nächsten, beweist Mut und großes Können auf allen Ebenen. Aus der Aschenputtel-Oper wird ein Meisterwerk, in dem Richard Strauss seinen sinfonischen Visionen freien Lauf lässt…
Oper
München – Opera Incognita präsentiert eine interessante Version von Philip Glass‘ „In The Penal Colony“ im Justizpalast
Wo könnte eine Oper über die Todesstrafe besser stattfinden als im Lichthof des neobarocken Münchner Justizpalastes? Die Zentralhalle unter der 66 Meter hohen Glaskuppel mit Blick auf die symmetrische Treppenanlage bietet durch raffinierte Lichteffekte eine vortreffliche Kulisse für Kafkas vertonte Kurzgeschichte „In der Strafkolonie“. Anlässlich seines 100sten Todestages bringt die Opera Incognita unter der bewährten musikalischen Leitung von Ernst Bartmann und der Regie von Andreas Wiedermann Philip Glass’ Kammeroper „In the Penal Colony“ als Münchner Erstaufführung auf die Bühne. Es ist eine überaus kluge Inszenierung, die den kafkaesken Kampf eines Schuldlosen im Labyrinth der juristischen Bürokratie gegen die irrationale Grausamkeit ihrer Erlasse in eine Parabel religiöser Verblendung verwandelt…
Landshut – Gilbert & Sullivans Operette „Der Mikado“ als schwungvolle Satire im Landestheater Niederbayern
Ein halbes Dutzend Gentlemen verkleidet sich japanisch, springt, singt, hüpft, tanzt über die Bühne, dass die Kimonoärmel nur so flattern. Zunächst männlich dominiert, kommt ein Schwung 18-jähriger Schulabsolventinnen dazu, die neugierig auf das Leben und die Liebe sind. Das wirkt bewusst kitschig und exotisch, bedingt durch die Entstehungszeit Ende des 19. Jahrhunderts, als die Völkerschauen den Blick voller Klischees auf andere Länder festigten, für Gilbert & Sullivan eine ideale Kulisse die Kritik am, viktorianischen England mit seiner Prüderie, umstrittenen Obrigkeit und Japaneuphorie elegant zu verpacken. Das witzige Libretto, gespickt mit Landshut-Anspielungen, zeigt deutlich die Handschrift von Swanjte Schmidt-Bundschuh. Simon Butteriss‘ flotte Inszenierung, nicht zuletzt die stimmige Ausstattung durch Smith & Daniels lassen schmunzeln und führen vor Augen, warum Gilbert & Sullivans Klartextsatire des „Mikado“ vor fast 140 Jahren das breite Publikum begeisterte und auch heute noch Operettenfans anspricht..
Salzburg – Amilcare Ponchiellis „La Gioconda“ als grandioser Auftakt der Osterfestspiele
Großartig in jeder Beziehung! Erstklassig dirigiert, spannend inszeniert, spitzenmäßig besetzt, wird Amilcare Ponchiellis (1834-1886) selten aufgeführte Oper „La Gioconda“ bei den diesjährigen Salzburger Osterfestspielen neu entdeckt und vom internationalen Publikum bejubelt. Woran liegt es, dass diese Version von „La Gioconda“ so unter die Haut geht?…
Augsburg – Uraufführung von Hauke Berheides Kammeroper „C:>title Labyrinth“ eine Hybrid-Oper im Kühlergebäude Gaswerk als Produktion des Staatstheaters
Ein Labyrinth nicht nur als Bühnenbild zu erleben, sondern darin herumzuirren, klingt interessant und ist tatsächlich ein Erlebnis. Wohin bei der Weggabelung? Was tun, wenn plötzlich eine Mauer den Weg versperrt? Auf einem Drehstuhl mit einer 3-D-Brille ausgestattet navigiert man sich selbst durch das Labyrinth. Auf ein Zeichen hin nimmt man die Brille ab und folgt live der Handlung. Nach Arnold Schönbergs „Erwartung“ im Februar ist „C:>title Labyrinth“, ein Auftragswerk des Komponisten Hauke Berheide, bereits die zweite Uraufführung einer Hybrid-Oper, ein VR-Erlebnis deutschlandweit, ein Alleinstellungsmerkmal des Staatstheaters Augsburg, möglich durch eine eigene digitale Sparte. Engagement und Enthusiasmus sind groß, aber die Wirkung ist nicht mit einer herkömmlichen Oper vergleichbar…
München – Mieczyslaw Weinbergs Oper „Die Passagierin“ in einer großartige Inszenierung in der Bayerischen Staatsoper
Ein cinematisch weiter Blick auf das Meer zum wuchtigen Paukenmotiv der Ouvertüre, auf durchsonnte Minibalkone von fünfzehn Passagierkabinen eines Luxusdampfers schaffen eine Urlaubsatmosphäre mit unerwartetem Tiefgang. Statt einer Reise nach Brasilien in die Zukunft eines glücklichen Botschafter-Ehepaares wird es eine Reise in die Vergangenheit des Holocausts…
Landshut – Puccinis „La Bohème“ am Landestheater Niederbayern mit Fragezeichen
Schwungvoll setzt das Orchester ein, entfaltet einen warmen Farbklang mit witziger Rhythmik. Die Bühne präsentiert das Gegenteil. Es ist hundekalt in der kleinen, schmucklosen Mansarde am Heilig Abend. Trotzdem wissen die Bohemiens zu feiern. Als Mimi von nebenan um etwas Licht für ihre Kerze anklopft, entflammt die große Liebe zwischen ihr und Rudolfo…
Berlin – Händels Oper „Hercules“ an der Komischen Oper – ein spannendes Eifersuchtsdrama
Zuerst Sehnsuchtsleid, dann Wiedersehensfreude und kurz darauf wegen eines Gerüchts abgrundtiefe Eifersucht bis zum Mord und Wahnsinn. Händels Oratorium „Hercules“ ist eine Achterbahn der Gefühle, die in einem Feuerwerk großer Arien, fulminanter Chorsätze und einer subtilen Orchesterpartitur hörbar werden.
Ganz ohne Glitzer und Glamour puristisch gelingt es Barrie Kosky eine überaus spannende Version, inszeniert für die Oper Frankfurt in Kooperation mit der Komischen Oper Berlin…
Augsburg – Welturaufführung von Arnold Schönbergs Oper „Erwartung“ als VR-Game
Selbst in der Oper mitspielen, in die Rolle der Hauptfigur schlüpfen, deren Probleme fühlen und erleben, dabei noch Aufgaben lösen? Das Staatstheater Augsburg mit einer eigenen digitalen Abteilung deutschlandweit in diesem Bereich federführend macht es möglich. Mit der Welturaufführung von Arnold Schönbergs erster Oper „Erwartung“ als dreidimensionales Computerspiel hat es ein Alleinstellungsmerkmal. Nach zwei sehr intensiven Entwicklungsjahren ist das „ein ganz besonderer Moment“, so Intendant André Bücker, „es beginnt eine neue Phase der Bühnengeschichte.“ Der Zuschauer nimmt nicht nur die Position der Hauptfigur ein, sondern spielt aktiv mit, allerdings ohne Belohnungspunkte…
München – Tschaikowskis Oper „Pique Dame“ in der Staatsoper
Aus der melancholischen Grundstimmung entwickeln sich wuchtige Crescendi, durchbrochen von galoppierenden Tempi, gewaltige Paukenschläge und verebben in einer ruhigen Liebesmelodie. Im Spannungsfeld großer Leidenschaften entfaltet sich Tschaikowkis „Pique Dame“ an der Münchner Staatsoper. Zu hören und zu sehen gibt es viel russische Seele im modern reduzierten Kontext, einen atmosphärischen, spannenden Opernabend ohne politische Bezüge
Regensburg – Die Uraufführung von Peter Eötvös’ neuer Komposition „Valuschka“, ein groteskes Theater mit Musik und politischem Tiefgang
Düster, grotesk, surreal präsentiert Peter Eötvös seine neue, 14. Oper in zwei Versionen, in Ungarisch als Auftragsarbeit für die Staatsoper in Budapest seit Ende 2023 und in Deutsch mit 30-prozentiger Neubearbeitung jetzt in Regensburg, so Intendant Sebastian Ritschel. Es ist eine bitterböse Satire über Macht und Machtmissbrauch, Männerdominanz und apokalyptische Endzeitstimmung, komplex, spannend mit irrlichternden Bezügen zur Gegenwart. Die Realisation war eine Mammutaufgabe, die sich über zweieinhalb Jahre hinzog. Die künstlerische Umsetzung ist ein weiterer Erfolg den künftigen Status als Staatstheater schon im Visier…
Landshut – Händels Barockoper „Xerxes“ im Landestheater gut gesungen, fragwürdig inszeniert
Federleicht, tänzerisch zwischen Streichern und Bläsern dialogisierend lässt Dirigent Fabio Cerroni, langjähriger Repetitor an der Bayerischen Staatsoper, dort und mit den Bamberger Symphonikern regelmäßiger Cembalist, bereits bei der Ouvertüre aufhorchen. Unter seiner temperamentvollen, musikalischen Leitung zeigt die Niederbayerische Philharmonie hohes Niveau. Händels witziges Verwirrspiel um die Liebe komplementiert mit den vielseitigen Instrumenten des Basso Continuo wird klangschön interpretiert. Doch die hohe Erwartungshaltung rutscht mit dem ersten Blick auf Bühne und Kostüme etwas nach unten. Eine Villa am Bosporus, eher ein Resopal-Wohnraum in Rot- und Türkistönen verortet das herrlich überzogene Barockspektakel um „Xerxes“ Liebesavancen in eine biedere Boulevardkomödie, verstärkt durch Kostüme bar jeglichen Esprits im Stil…
Berlin – Kirill Serebrennikovs Inszenierung von Mozarts „Cosi fan tutte“ begeistert in der Komischen Oper
So sexy, witzig und kurzweilig gab es Mozarts „Cosi fan tutte“ noch nie zu sehen. Starregisseur Kirill Serebrennikov, der seit Beginn des Ukrainekriegs in Berlin lebt, gelingt ein außerordentlich amüsanter Opernabend, der allerdings so neu nicht ist, denn als Kooperation mit dem Opernhaus Zürich konzipiert, hatte „Cosi fan tutte“ dort schon 2018 Premiere. Die Proben leitete damals wegen Serebrennikovs Hausarrest in Russland sein Assistent Evgeny Kulagin.
Der Clou der Inszenierung ist, dass Serebrennikov die Figuren ganz heutig anlegt, auf die Verkleidungsszenerie verzichtet, stattdessen zwei bodygestylte Verführer einsetzt und das Libretto pfiffig verändert. Einfach großartig!…
Berlin – Herzerfrischende Kinderoper „Nils Holgerssons wunderbare Abenteuer“ nach dem Roman von Selma Lagerlöf in der Komischen Oper
In kleinem Bühnenformat wie in einem Film erleben kleine und große Zuschauer zunächst den 14-jährigen Nils Holgersson faul und träge. Er weiß so gar nicht, was er will, ist immer müde, hängt ab, statt am Bauernhof mitzuhelfen. „Was ist mein Wesenskern? Warum bin ich hier?“ fragt er sich. Als er einen Troll fängt und ihn grob behandelt, wird er zur Strafe selbst zum Troll. Bühnengroß die Holzbank, wirkt er klitzeklein, kann den Hausgänserich Marten verstehen und fliegt mit ihm und den Wildgänsen von einem Abenteuer zum anderen…
Berlin – Jacques Offenbachs „Die Banditen“ als witzige Parodie in der Komischen Oper
Die traditionell kurz vor Weihnachten konzertante Opernpremiere sorgt in der Komischen Oper stets für eine Überraschung. Es ist in der Regel ein weniger bekanntes Stück, dieses Jahr durch minimalistische Mittel, textliche Anspielungen charmant parodistisch inszeniert Jacques Offenbachs Opéra bouffe „Die Banditen“ (1869) augenzwinkernd untertitelt mit „Die Räuber von Offenbach im Schiller“, eine Inszenierung, die auch im kleinen Format gute Laune macht…