Erl – Die „Tiroler Festspiele Erl“ haben silbernes Jubiläum

Tiroler Festspiele präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Warum immer nur Kultur in der Stadt? Aus dieser Überlegung entwickelte man in Erl vor über 25 Jahren die Idee der „Tiroler Festspiele Erl“. Am 11. Juli 1998 wurde die Vision mit der feierlichen Eröffnung der ersten „Tiroler Festspiele Erl“ Realität. Exklusive Qualität ist seit Anfang oberstes Gebot, nicht als Starrummel der großen renommierten Opernpersönlichkeiten, sondern mit jungen Nachwuchstalenten, deren großartige Stimmen bereits eine Karriere ahnen lassen. „Die Tiroler Festspiele Erl“ wurden zum Erfolgsmodell. Jetzt kommen die Menschen aus den Städten, oft kombiniert mit einem Urlaub aufs Land. Das 25. Jubiläum vom 6. bis 30 Juli bietet besondere Highlights…

Landshut – Georg Friedrich Händels Oper „Rinaldo“ am Landestheater Niederbayern – eine verblüffend fröhliche Inszenierung

Opernkrtik "Rinaldo" im Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der Abspann „Baroque & Roll, Keep calm and händelt it“ zielt voll ins Schwarze. Mit der originellen Inszenerierung von Händels „Rinaldo“, mit der er in London 1711 sofort durchstartete, gelingt es Regisseur Kobie van Rensburg das Publikum für Barockoper zu entflammen. Zusammen mit Cornelia von Kerssenbrock entstand ein hybrides Kabinettstück zwischen Bühne und Film, realer und virtueller Welt, Klassik und Rock, das sicher nicht allen gefällt, weil die berührende Tragik einer fröhlich parodistischen Originalität weicht. In Erinnerung bleibt Almirenas weniger berühmtes „Lascia ch’io pianga“ („Lass mich weinen“) als die fröhlich animierte Optik …

München – Sergej S. Prokofjews „Krieg und Frieden“ an der Bayerischen Staatsoper zum falschen Zeitpunkt 

Prokofjews "Krieg und Frieden" in der Staatsoper präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Jetzt ist Russland gerettet.“ Dieses Statement zum jetzigen Zeitpunkt des Ukrainekrieges in der Münchner Staatsoper hören zu müssen, verletzt viele Besucher. Ihr stummes Veto wird in der üblichen Premiereneuphorie nicht wahrgenommen. Der Applaus ist mit Recht allen Mitwirkenden geschuldet, die Prokofjews Monumentaloper „Krieg und Frieden“ mit Bravour gestemmt haben. Ob die Entscheidung, sie gerade jetzt zu zeigen, ein Zeichen der Demokratie, ein Anstoß zu erweiterten Perspektiven, Russland als von Napoleon angegriffenes Land, oder einfach denkbar unsensibel terminiert ist, muss jeder Besucher für sich selbst entscheiden. Ein großer Wurf ist diese Oper an sich nicht. Aber die konzeptionell überzeugende Inszenierung von Dmitri Tcherniakov und der musikalischen Glanzleistung unter der Leitung von Vladimir Jurowski beweist, dass Oper durchaus ein Weg sein kann, die heutige Zeit besser zu verstehen und Macht zu hinterfragen. 2019 für den 70sten Todestag Prokofjews konzipiert wird die Oper gerade im aktuellen Kontext zum Politikum…

Berlin – Rued Langgaard „Antikrist“ in der Deutschen Oper 

Opernkritik Langgard "Antikrist" präsentiwert von www.schabel-kultur-blog.de

Es stürmt. Hunde bellen. Nebel bauscht sich in der Straße zwischen Hotel und Bar auf, beginnt rot zu leuchten, während zehn TänzerInnen in immer gleichen Bewegungen den Bordstein auf- und abhüpfen und damit die Monotonie gekaufter Erotik versinnbildlichen. Erst als der Morgen tagt, Vögel zwitschern, erobern die TänzerInnen den Freiraum der Straße, um sich zu entfalten. Aber die Situation ändert sich schnell als im Prolog Gott dem Antikrist, alias Luzifer, befiehlt auf der Welt das Böse zu zeigen. 
Sittenverfall und Dekadenz bestimmen Rued Langgaards (1893-1952) einzige Oper (1930), die erst 1999 in Innsbruck auf die Bühne kam, nur selten inszeniert wurde und im Januar 2022 an der Deutschen Oper Premiere hatte. Dieser „Antikrist“ ist ein ganz spezielles Highlight… 

München – Fulminante Uraufführung von „Dido und Aeneas…Erwartung“ als raffinierte Symbiose zweier Frauentypen an der Bayerischen Staatsoper

Opernkritik von "Dido und Aeneas...Erwartung" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Henry Purcells Barockoper „Dido und Aeneas“ kombiniert mit Arnold Schönbergs Monodram „Erwartung“ kann das funktionieren? Es war ein Abenteuer für alle Beteiligten an der Münchner Staatsoper und wurde unter der Regie von Krzysztof Warlikowski zu einem mitreißenden Opernereignis…

Landshut – Uraufführung der Semioper „Die Göttin wird modern“ im Landestheater Niederbayern

Uraufführung der Oper "Die Göttin wird modern" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Göttin Humania wettet mit dem Modernisierungscoach Alex Stronach. Der ist felsenfest davon überzeugt, dass die humanen Werte der modernen Ausbeutung zum Opfer fallen. Euklids „Quod erat demonstrandum“ erfolgt entlang eines Deals der US-amerikanischen BigInvestmentHumanicCultureGroup und der mittelalterlichen Stadt Landshut verwoben mit einer Liebesgeschichte analog Romeo auf Julia, musikalisch verpackt als Semioper „Die Göttin der Moderne“ mit Brecht´scher Belehrungspädagogik und viel Raum für Sprechtheater. Das klingt nach vielschichtiger Bildungskompetenz und ist es auch – ein Mega-Event des Landshuter Hans-Carossa-Gymnasiums…

Berlin – Puccinis „La Bohème“ in der Staatsoper 

Opernkritik "La Bohéme" in der Staatsoper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Einmal inszeniert ist „La Bohème“ ein Dauerbrenner immer günstig über Festtage, denn sie ist als dramatische Liebesgeschichte mit wunderschönen Arien ein guter Einstieg in die Opernwelt. Vor 21 Jahren inszenierte Lindy Hume Puccinis Meisterwerk sehr werkgetreu mit nostalgischem Blick auf die Bohèmiens. Ihr Konzept funktioniert immer noch außerordentlich gut. Über die Eisblumen eines Gazevorhangs blickt man in die vergangene Welt der Pariser Bohèmien, die gerade Weihnachten feiern…

Berlin – Jacques Offenbachs „Les Contes d’Hoffmann“ ausgezeichnet inszeniert an der Deutschen Oper

Opernkritik "Les Contes de'Hoffmann präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Betrunken, liebeswund liegt Hoffmann, fiktive Figur à la E.T.A. Hoffmann, anfangs auf der Bühne, wo er im fünften Akt wieder aufwacht. Dazwischen trumpft er mit den Geschichten über seine drei großen Lieben auf. Wirklichkeit oder Traum? Man weiß es nicht so genau in der großartigen Inszenierung von Laurent Pelly, die in Kooperation der Opéra National de Lyon, dem Gran Teatre del Liceu in Barcelona und der San Francisco Opera bereits 2018 entstanden ist. Großartig gesungen, in bizarr atmosphärischen Bühnenräumen skurril gespielt entwickelt Offenbachs Oper „Les Contes d’Hoffmann“ eine stimmige narrative Spannung mit originellen bühnentechnischen Überraschungen…

Berlin – „75 Jahre Komische Oper Berlin“ – ein Musiktheater für alle 

Gala "75 Jahre komische Oper" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Unvorstellbar, aber real. Zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurde einen Tag vor Weihnachten 1947 die Komische Oper mitten im Trümmerfeld Berlins eingeweiht. Es war ein Prestigeobjekt der Alliierten, insbesondere der Russen, um die deutsche Kultur wiederaufzubauen. Das Haus erlebte einen kometenartigen Aufstieg und ist heute Symbol von Deutschlands wechselvoller Geschichte zwischen West und Ost. Mit einer grandiosen Gala feierten Ensemble, Publikum und Politiker „75 Jahre Komische Oper Berlin.“ Wer nicht dabei war, hat tatsächlich etwas verpasst…

Berlin – Wagners „Der fliegende Holländer“ als schauerlich-komische Märchenoper in der Komischen Oper

Opernkritik von Wagners "Der fliegende Holländer" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Es stürmt. Zombies schaukeln ein rostiges Schiff mit aufgeblähtem roten Segel. Es lässt die Bühne klein wirken, so wie Sentas bürgerliche Welt. Dalands Steuermann biegt sich witzig wie eine Plaste-Elaste-Figur im Wellengang.
Schon während der Ouvertüre wird klar, das wird eine Holländer-Inszenierung gegen den Strich. Es leuchten nicht nur Wagners Motive auf, sondern auch unterschiedlichste theatrale Darstellungsgenres.
Regisseur Herbert Fritsch und Dirigent Dirk Kaftan entdecken die Oper neu entlang der zugrunde liegenden Geschichte als „ein Märchen nicht von dieser Welt“, überzeichnen humorvoll den Größenwahn der Menschen die Natur zu beherrschen. Klein wie Marionetten wirken die Menschen im Vergleich zur Natur , hin- und hergeschoben von den stürmischen Mächten. Dem künstlerischen Team gelingt mit dem wunderbaren Ensemble der Komischen Oper ein mitreißender schauerlich-komischer „Holländer“ als Unterhaltungs-Gesamtkunstwerk zwischen queerer Zombie- und fröhlicher Märchenoptik, flotter Revue- und Operettenstimmung ein Genuss für alle Sinne. Das Publikum jubelt vor Begeisterung. Rosen fliegen auch nach der Premiere reichlich auf die Bühne…

München – Wagners „Lohengrin“ in einer stimmigen Inszenierung in der Bayerischen Staatsoper

Opernkritik "Lohengrin" in der Bayerischen Staatsoper präsentier von www.schabel-kultur-blog.de

Hauchzart, hell, klar wie aus himmlischen Regionen erklingt Wagners Vorspiel. Zwischen zwei im Sonnenlicht flirrenden Bäumen lässt die Positionierung des Chores eine frühlingshaft arkadische Hügellandschaft assoziieren. In Weiß-, Sand- und Cremetönen alle gleich gekleidet übernimmt der Chor erzählend und kommentierend die Rolle des Volkes, immer folgsam präsent, aber auch manipulierbar, zum Wegschauen bereit. 
Der König und sein aristokratisches Umfeld unterscheiden sich optisch als Symbol menschlicher Gleichheit im politischen Bedrohungszustand kaum, aber stimmlich durch markantes Timbre. Lohengrin ist in strahlendem Weiß ganz mythisch prophetischer Held, Elsa in Schwarz signalisiert die Pein der sozial verleumdeten Ausgegrenzten.
Das Debüt von François-Xavier Roth (Musikalische Leitung) und Korél Mundruczó (Inszenierung) besticht durch Klarheit, Reduktion auf das Wesentliche und entwickelt dadurch eine großartige, in sich stimmige Interpretation, die dem Zuschauer durchaus manches Rätsel zu lösen gibt. Trotz der Farbkontraste der Hauptfiguren malt Korél Mundruczò nicht schwarz-weiß, vielmehr enthüllen Elsa und Ortrud wie Eisberge unter der Spitze des Sichtbaren die psychische Energie verborgener Kräfte, jede aus ihrer Perspektive nachvollziehbar…

Landshut – Wagners „Siegfried“ am Landestheater Niederbayern – Von der Spielshow in den Mythenkosmos

Opernkritik Wagners "Siegfried" am Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Wer wird Millionär?“ Siegfried hat das Zeug dazu. Gerade weil er gar nichts weiß, darum keine Furcht kennt, wird er zum Himmelsstürmer. Für des „Rings“ dritten Teil hat Regisseur Stefan Tilch ein Konzept zwischen Parodie und Mythos entwickelt, das allerdings erst im 2. Akt zündet. Ein Trailer zur Ouvertüre verweist jeweils auf Wotans Wirken. „Schauen. Nicht schaffen“ ist seine Doktrin. Als Wanderer beobachtet er nur, ohne einzugreifen. Im Suchkreuz eines Satellitenbildes werden die Szenen verortet. Die Grenzen zwischen Bühne und magisch nebulösen Videowelten (Karlheinz Beer/Florian Rödl) aus denen Wotan erscheint, verschwimmen,  statt von Raben von einem blinkenden Minisatelliten beobachtet, Stefan Tilchs Freude für kleine Überraschungen geschuldet. Nach parodistischem Einstieg mausert sich Wagners „Siegfried“ zum großen Weltenepos…

Berlin – Brecht-Weill-Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ in einer reduziert expressiven Version von Barrie Kosky

Opernkritik "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny präsäentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Aus dem Orchestergraben klingt es flott, messerscharf. Scharfkantig ist auch das Bühnenbild, reduziert auf einen grauen spitzen Winkel, zuerst mit netzartigen Strukturen für die visionierte neue „Netzestadt“ Mahagonny, später als Spiegelflächen in denen sich alles verachtfacht. Die Menschen tauchen aus  Löchern im Boden auf, werden von der Drehbühne verschoben, steigen heraus und verschwinden wieder.
In dieser Konzeption steht weniger der Kapitalismus als System, sondern der Mensch mit seiner Gier nach Glück durch Geld, Rausch und Sex, losgelöst von sämtlichen Wertstrukturen. Aus der Utopie wird eine Dystopie. Das passt bestens in die Gegenwart und natürlich auch zu Brechts neuem Opernverständnis, der Emotionalisierung die Erkenntniserfahrung entgegenzustellen, wobei die Musik eine außerordentlich große Rolle spielt. Manche Melodie zeigt die Nähe zur „Dreigroschenoper“ (1928), aber „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ kam als Vorstudie, „Mahagonny-Songspiel“ schon ein Jahr früher auf die Bühne, fand große Resonanz, wäre bei der Uraufführung der Mahagonny-Oper in Leipzig 1930  durch rechtskonservative und faschistische Parolen beinahe gescheitert und wurde der größte Theaterskandal des 20. Jahrhunderts.
Drei Loser, Begbick, Fatty und Dreieinigkeitsmoses wollen in der Wüste eine neue Stadt des Glücks bauen und hoffen auf Einnahmen von den reichen Holzfällern aus Alaska. Bibel und Thora werden mit schwungvollen Wurf der Wüste überlassen…

München – Mozarts „Cosi fan tutte“ in der Staatsoper überzeugend gesungen und spritzig inszeniert

Opernkritik "Cosi fan tutte" in der Münchner Staatsoper präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„So sind sie alle“ Männer wie Frauen. Schon zu Mozarts Zeiten war die sexuelle Begier zuweilen größer als die Liebe. Was ist überhaupt Liebe? Mozarts „Cosi fan tutte“ ist ein Lehrstück über „Die Schule der Liebe“. 
Unter der musikalischen Leitung Vladimir Jurowskis und der Regie von Benedict Andrews gelingt eine unterhaltsame und witzige Version in moderner Optik, nicht die erste Inszenierung in dieser Richtung, aber eine besonders amüsante flotte und kurzweilige…