Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeehas „Ein Stück Kuchen“

Filmkritik "Ein Stück Kuchen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Und immer wieder sind es die Filme über alte Menschen, aber auch die Filme aus dem Iran, die besonders berühren und in ganz einfachen alltäglichen Geschichten das ganze gesellschaftliche Drama des Menschen erzählen.
In „My Favorite Cake“, so der Originaltitel, übersetzt allzu blass als „Ein Stück Kuchen“ treffen beide Aspekte zusammen. Die Dreharbeiten begannen kurz vor der „Woman Life, Freedom Movement“ im Iran. Vor diesem Hintergrund ist der an sich alltägliche Film über die Einsamkeit des Alters hochpolitisch zu sehen, schon allein dadurch, dass eine Frau im Mittelpunkt steht. Durch ihr mutiges Auftreten und sehr umsichtiges Vorgehen ist die Bedrohung durch die Sittenpolizei und die politischen Repressalien ständig präsent. Humorvoll, mit großer Empathie, sehr poetisch gelingt Maryam Moghaddam und  Behtash Sanaeeha mit „Ein Stück Kuchen“  ein latent politischer, trotzdem herzerfrischender Film

Thomas Arslan „Verbrannte Erde“ – ein packender Thriller

Filmkritik "Verbrannte Erde" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Lakonisch, kein Wort zu viel, voll konzentriert auf seinen kriminellen Job kommt Mišel Matičević nach 14 Jahren wieder als Meisterdieb Trojan in die deutschen Kinos zurück, bereits bei der diesjährigen Berlinale in der Sektion Panorama gefeiert. Nach „Im Schatten“ landet Regisseur Thomas Arslan mit „Verbrannte Erde“ einen zweiten Coup, einen Thriller vom Feinsten…

Nahid Persson Sarvestanis Dokumentarfilm „Der Sohn des Mullahs“ deckt die Machenschaften der Mullahs auf

„Die Mulllahs müssen weg“. Seit der Revolution von 1979 herrscht Willkür im Iran. Wer Kritik äußert, verschwindet im Gefängnis, wird zum Tode verurteilt. Selbst im Ausland sind Systemkritiker nicht sicher. Man vergiftet sie oder kidnappt sie auf offener Straße. „Hunderttausende wurden unter dem 44-jährigen Mullahsystem gemordet.“ Das Leben des iranischen Journalisten Roohollah Zam zeichnet Nahid Persson Sarvestani in ihrem Dokumentarfilm „Der Sohn des Mullahs“ nach. Seine Hinrichtung ging 2020 international durch die Medien…

Eva Trobisch „Ivo“ – ein einfühlsamer Film über eine Palliativpflegerin

Filmkritik von Eva Tropisch "Ivo" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de.

Ivo betreut Menschen, die sterben werden. Sie besucht sie regelmäßig in ihren Wohnungen. Unsentimental, in harten Schnitten fängt Eva Trobisch den Arbeitsalltag von Ivo ein. Nach ihrem Langfilm-Debüt „Alles ist gut“ (2018) über das Trauma einer Vergewaltigung steht jetzt mit „Ivo“ wieder eine Frau im Mittelpunkt, die existentielle Entscheidungen treffen muss. Es ist ein einfühlsames Porträt einer starken Frau …

Dror Moreh „Kulissen der Macht“

Filmkritik "Kulissen der Macht" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Nie wieder!“ war der Tenor nach dem Zweiten Weltkrieg und doch passierte ein Massaker nach dem anderen. Tote, wohin man blickt, unschuldige Menschen gemordet, massakriert, in Massengräbern abgeladen. Man kennt die Schreckensbilder aus den Medien. Eingreifen oder nicht, stellt sich die Frage für die Großmacht USA. 
Regisseur Dror Moreh zeigt in seinem Film, was hinter den „Kulissen der Macht“ passiert. Über Interviews, seltenes Archivmaterial und bildgewaltige Rekonstruktionen beleuchtet der Film Verhaltensmuster, die zu Stillstand und Untätigkeit führen, selbst im Angesicht eines Völkermords wie beispielsweise in Ruanda. Interessant sind die Debatten hinter den Kulissen vor den jeweiligen politischen Entscheidungen…

Daniel Alvarenga neuer Film „Hundswut“ 

Filmkritik Daniel Avarenga "Hundswut" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Hundswut? Hexenhammer? Kaum einer kennt noch diese Wörter. Daniel Alvarenga macht daraus ein düsteres Drama, wandelt bayerische Herbstwaldidylle in ein düsteres Drama, wo nicht die Wölfe, sondern die Menschen tollwütig sind und eine Teufelsaustreibung nach dem immer noch bestehenden mittelalterlichen Hexenhammer über die zeitliche Verortung kurz vor dem Sieg der Nationalsozialisten die Brücke in die Gegenwart schlägt…

München – „KIX“ gewinnt den DOK-edit Award beim Dokumentationsfestival

Filmkritik "KIX" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Rasante Momente filmt Dávid Mitulán mit der Kamera in der Hand vom Skateboard aus, während Sanyi und Viktor in der Stadt vandalistisch unterwegs sind und alles, was ihnen in die Quere kommt, kaputt machen, wilde Szenen, die durch den schnellen Sound von Csaba Kalotás noch an Aggressivität gewinnen. Die Jungs leben mit ihren Eltern und der Großmutter auf 30 qm zusammen, schlafen in einem Bett. Der Kinderschutzbund kommt oft vorbei. Man begreift warum.
„KIX“, der neue Dokumentarfilm des ungarischen Regisseurs Bálint Révész und des Videokünstlers und Filmemachers Dávid Mikulán, erzählt von der zwölfjährigen Odyssee eines Arbeiterjungen am Rand der ungarischen Gesellschaft…

Jonathan Demmes Konzertfilm „Talking Heads. Stop Making Sense“ – ein Kult-Revival 

Filmkritik "Talking Heads. Stop making senes" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Mit einem Tonband betritt David Byrne die Bühne und begrüßt lakonisch die Fans mit „Hi. I’ve got a tape I wanna play.“ Dann legt er los mit der Akustikgitarre, seiner fantastischen Stimme nur vom Drumcomputer begleitet. Groß, hager, mit durchdringlichem Blick im hellgrauen Anzug mit geschlossenem Hemdkragen von kafkaesker Optik performt er knappe eineinhalb Stunden lang mit seiner Band Talking Heads ein legendäres Konzert. Jonathan Demme war 1984 mit der Kamera live dabei…

Josef Hader „Andrea lässt sich scheiden“ – ein Abgesang auf die Provinz

Filmkritik "Andrea lässt sich scheiden" von Josef Hader präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der Blick folgt einer geraden Straße, hügelaufwärts im westlichen Weinviertel Niederösterreichs. Nichts passiert. Stille, Stillstand. So stimmt Hader die Kinobesucher nach „Wilde Maus“ (2017) in seinem zweiten Film „Andrea lässt sich scheiden“ ein. Bei der diesjährigen Berlinale unter der Rubrik „Panorama“ gezeigt, entpuppt sich Haders Film als melancholisch lethargische Provinzstudie. Andrea will sich nicht nur scheiden, sondern alles hinter sich lassen, wobei sich eine skurrile Geschichte entwickelt, in der sich Wertmaßstäbe verschieben und wieder zurechtrücken…

Judith Beuth „Der Wunsch“ – ein Dokumentarfilm über den Kinderwunsch eines lesbischen Paares

Dokumentarfilm "Der Wunsch von Judith Beuth präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Zwei Frauen sprechen, lachen miteinander, streichen die Wände. Maria sitzt im Rollstuhl, Christiane stellt sich heraus war ihre Pflegerin. Sie verliebte sich in Maria. Jetzt sind sie ein Paar und möchten ein Kind. Zehn Jahre lang begleitete Dokumentarfilmerin Judith Beuth ein befreundetes lesbisches Paar auf seinem Weg ein Kind zu bekommen…

Georg Maas, Judith Kaufmann – „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Kafka von einer ganz anderen Seite an seinem 100. Todestag

Filmkritik "Alle Herrlichkeit des Lebens" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Ein rotes Satinband flattert an einer Bank am Weg. Der Blick wandert hinaus auf das Meer, den Strand entlang mit spielenden Kindern. Alltäglich und unbeschwert beginnt der Film „Die Herrlichkeit des Lebens“. Groß, schlank, korrekt im Anzug mit Weste und Krawatte passt Franz Kafka so gar nicht in die Strandszenerie, was sich schnell ändert, als er Dora kennenlernt, die  jüdische Berliner Kinder im Ferienlager an der Ostsee betreut und Tänzerin werden möchte. Es entwickelt sich eine innige Liebe und man lernt einen ganz anderen Kafka kennen, wie man das nach 100 Jahren kafkaesker Rezeptionsgeschichte nicht erwartet. Grundlage für die Filmversion des Regie-Duos Georg Maas und Judith Kaufmann ist Michael Kumpfmüllers gleichnamiger Kafka-Roman von 2011.
Das Ergebnis ist eben nicht nur ein gut gemachtes Melodram, sondern durch die Bezüge zu Kafkas literarischem Schaffen ein ganz neuer Zugang zu seinem Werk und zu seiner Persönlichkeit weg vom depressiven Kafka zu einem jungen Mann, der leben und lieben möchte…

Berlinale – Anja Salomonowitz „Mit einem Tiger schlafen“ – ein Künstlerporträt der besonderen Art

Filmkritik "Mit dem Tiger schlafen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

In Schießer-Feinripp-Unterwäsche, den Rücken angespannt, leicht gekrümmt sitzt sie auf einem Gartenstuhl und starrt auf die weiße Leinwand am Boden. Immer wieder taucht diese Szene auf, nur die Farbe der Unterwäsche ändert sich, um die meditative Suche nach Farbe und Form des künstlerischen Prozesses auszudrücken. Von der Kindheit bis ins hohe Alter verfolgt Filmemacherin Anja Salomonowitz den Lebensweg dieser Künstlerin von Kärnten über Wien mit Abstechern nach Paris und New York, hervorragend von Birgit Minichmayr umgesetzt. Ziel ist nicht eine authentische Biografie, sondern der schmerzhafte Prozess künstlerischen Schaffens… 

Berlinale – Edgar Reitz‘ „Filmstunde 23“ – Film als soziales Gedächtnis mit Premiere bei der Preisverleihung

Edgar Reiz "Filmstunde 23" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

91 Jahre alt wurde Edgar Reitz dieses Jahr für sein filmisches Lebenswerk mit der „Berlinale Kamera“ ausgezeichnet. Er gilt als einer der renommiertesten Filmemacher seiner Generation und Vertreter des Autorenkinos. Anlässlich seiner Ehrung wurde sein neuester Film „Filmstunde 23“ in Zusammenarbeit mit seinem Ko-Regisseur Jörg Adolph im Haus der Berliner Festspiele gezeigt. 1968 setzte sich Edgar Reitz dafür ein, Film als Unterrichtsfach einzuführen. Ein Semester unterrichtete er im Münchner Luisengymnasium 26 Mädchen im Alter von durchschnittlich 13 Jahren in Filmkunde…

74. Berlinale – Goldener Bär für „Dahomey“ – ein Resümee zu den Wettbewerbsfilmen

74. Berlinale Goldener Bär und Resümee präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Preisverleihungen in der Kunst sind immer schwierig. Aber dass Mati Diop mit ihrem Dokumentarfilm „Dahomey“ über die Rückführung von kolonialer Beutekunst aus Frankreich nach Benin den goldenen Bären der 74. Berlinale gewann, überrascht. Es ist eine politische Entscheidung. Schon im letzten Jahr wurde Nicolas Philiberts Dokumentarfilm „Auf der Adamanta“, einem Treffpunkt für alte Menschen, ausgezeichnet. Mit derartigen Entscheidungen erodiert die Berlinale ihr eigenes Image als Förderung des großen Erzählkinos und innovativer Filmtechniken. Der goldene Bär wird  immer mehr zu einem Symbol gesellschaftspolitischer Interessenvertretung. Aber letztendlich lebt das Festival nicht durch die Preisverleihungen, sondern durch das breite Spektrum der Filme. Das Angebot von 400 auf 200 Filme in 13 verschiedenen Rubriken reduziert ist immer noch gigantisch. Allein die 20 Filme der Kategorie „Wettbewerb“ in zehn Tagen zu sehen ist eine Herausforderung, die sich lohnt…

Berlinale – Min Bahadur Bhams „Shambhala“ – der erste Film aus Nepal

Filmkritik "Shambhala" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Es gibt viel mehr Männer als Frauen in Tibet. Deshalb darf Pema gleich drei Männer heiraten. Es sind drei Brüder, von denen nur Tashi als tatsächlicher Ehemann in Frage kommt. Sein Bruder Karma ist Mönch in Diensten des Rinponches, des Dorfweisen, unseren Priestern vergleichbar. Dawa ist noch ein Junge, der sehr ungern in die Schule geht. Sie soll sie alle gleich behandeln, rät Pemas Vater. Alle sollen glücklich sein, so lehrt es der nepalesische Buddhismus. Doch das junge Glück schwindet, als der zweite Bräutigam auf eine Handelsreise geht und wegen des Gerüchts, Pema sei vom Dorflehrer schwanger, nicht mehr zurückkommt. Sie macht sich auf die Suche, um ihm die Wahrheit zu sagen. Karma begleitet sie auf Wunsch des Rinponches. Es wird „Shambhala“, eine Reise, in der sich der Glaube an die buddhistische Reinkarnation offenbart…