Uschi Glas „Ein Schätzchen war ich nie“ – Inszenierung einer Widerständischen

Buchkritik "Ein Schätzchen war ich nie" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Mit dem Film „Zur Sache Schätzchen“ machte Uschi Glas Karriere. Ein Schätzchen, wie sie oft in Medien genannt wurde, war sie nie. „Sie war anders als die anderen“, überaus diszipliniert, konsequent, werteorientiert kritisch, wenn es sein musste auch gegen den Mainstream, wodurch sich 1968 seitens der linken Szene die Türen schlossen. 80 Jahre alt blickt sie auf ihr Leben und fragt sich, ob sich das alles gelohnt hat, wobei sie die Kunst des Optimismus exzellent beherrscht und Negatives auslässt. 
Nüchtern, selbstironisch, ohne sich groß in Szene zu setzen, recherchiert sie entlang ihrer persönlichen und sozialisierten Werteskala mit sehr viel Respekt gegenüber anderen ihre Biografie und überrascht immer wieder durch die „zufälligen“ Schnittstellen in ihrem Leben ….

Ferdinand von Schirach tourt mit seiner Lesetournee „Regen“ ein Jahr durch deutsche Lande

Lesetour "Regen" von Ferdinand von Schirach präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Leise, unspektakulär betritt Ferdinand von Schirach die Bühne. Wie ein sanfter Regen beginnt er mit seiner aparten Stimme zu monologisieren. „Mögen Sie Regen?“ Bereits als Theatermonolog angelegt liest er nicht aus seinem neuen 57-seitigen Text „Regen“ vor, er erzählt frei und tritt durch direkte Anreden in Interaktion mit dem Publikum. Nur ab und zu nimmt er seine Lieblingspose am kleinen Kaffeehaustisch ein und lässt eine Zigarette vor sich hinqualmen. Er bewegt sich lieber von einem Ende der extrem breiten Bühne zum anderen und hält immer wieder inne. Lakonisch elegant, wie er schreibt, spricht er. Schirach intoniert mit balsamisch klangvoller Stimme, artikuliert sehr genau, akzentuiert dynamisch die Satzbögen, dialogisiert mitunter in zwei Stimmlagen, setzt markante Pausen und entwickelt dabei trotz der kühlen Hallenatmosphäre eine intime Erzählstimmung.
900 Besucher folgen hoch konzentriert seinen Ideenassoziationen, eine für ihn typische Mischung, ergänzt durch einige neue erheiternde Momente. Melancholische Gedanken, intime Selbstbekenntnisse über die Mühsal des Schreibens kombiniert mit seiner andernorts wiederholten Einsicht „Ich bin eine Enttäuschung. Ich weiß.“ Mit alltäglichen Situationen und Beispielen wechselt  quer durch die Kunst- und Literaturgeschichte, Geistes- und Naturwissenschaften, durchsetzt von grotesk formulierten Pointen als Entspannung zwischen den anspruchsvollen Gedankenvernetzungen…

Michael Brückner – „Die Akte Wikipedia“ 

Buchkritik "Die Akte Wikipedia" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

2012 ging eine Ära zu Ende. Die Encyclopædia Britannica Inc. wurde drucktechnisch eingestellt. 244 Jahre lang war diese Enzyklopädie die führende Nachschlagquelle. Die Online-Version hatte gegen Wikipedia keine Chance. 2001 gegründet, war der Siegeszug des digitalen Informationsnetzes nicht mehr zu stoppen. Inzwischen ist es weltweit das führende Nachschlagwerk, aber Vorsicht ist geboten. Schon 2014 veröffentlichte Wirtschaftsjournalist Michael Brückner „Die Akte Wikipedia“ und recherchierte über „Falsche Informationen und Propaganda in der Online-Enzyklopädie“. Bei der Lektüre wird man nachdenklich…

Francisco Reyna „Revolucíon“ ein historischer Roman über die mexikanische Revolution

Francisco Reyna "Revolución" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Die Philosophie des reichen Goldminenbesitzers Gustavo Fernandez ist einfach. Gott hat die Menschen geschaffen, einige sind privilegiert und „andere sind dazu bestimmt hart zu arbeiten und ungebildet zu bleiben“. Die gesellschaftliche Ungerechtigkeit sorgt auch 100 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung von Spanien für Unmut. Dass Paquito, der Sohn einer einfachen Angestellten mit Gabriel, dem Sohn der wohlhabenden Familie Castro befreundet ist, stellt immer noch eine absolute Ausnahme dar. Die revolutionären Zapatistas versetzen Mexiko in Angst und Schrecken. Entlang der ungleichen Freundschaft entwickelt Francisco Reyna sehr plastisch und spannend die Geschichte Mexikos, dessen politisches System schneller als gedacht in Trümmern liegt. Gleichzeitig ist der Roman eine Hommage an die Schönheit Mexikos und der mexikanischen Frauen…

Philipp Oehmke „Schönwald“ – ein Gesellschaftsroman der Verdrängung

Buchkritik Oehmke "Schönwald" prä

Der Titel klingt idyllisch, der Inhalt ist es nicht. Angesichts der aufgehübschten Fassade um die Eröffnung einer queeren Buchhandlung stellt sich die Frage, woher kommen die 100000 €, die dafür nötig waren. Über drei Generationen hinweg entwickelt sich in den sozialen Medien plötzlich eine Diskussion über das angebliche Nazigeld des Großvaters initiiert von einer multikulterellen, linken Gruppe. Zum „Spiegel Bestseller“ gekürt, von der Presse als moderne „Buddenbrook“-Version hoch gelobt, wird man natürlich neugierig. Sind die Lorbeeren gerechtfertigt?…

Nele Pollatscheck „Kleine Probleme“ – große Assoziationen

Buchkritik Nele Pollatscheck "KLeine Problem" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Wie soll man etwas schaffen, was man 49 Jahre lang nicht geschafft hat? Wenn mangelnde Ordnung, an sich ein kleines Problem, Tag um Tag, Jahr um Jahr verschoben zur Lebenskrise ausartet, wie soll man das dann in den Griff bekommen? Genau darum kreist Nele Pollatscheks neuer Roman „Kleine Probleme“.
Man braucht etwas Geduld sich einzulesen. Dann entdeckt man Nele Pollatscheks beeindruckendes Talent durch neue Perspektiven mit Aha-Effekten den roten Faden im Durcheinander der Gedanken weiterzuspinnen und über kreative geistige Verrenkungen den Spagat zur Ordnung in der Praxis zu schaffen. „Kleine Probleme“ ist ein Roman für LeserInnen, die das Besondere suchen, gerne grotesken Assoziationsketten folgen, augenzwinkernd gewidmet „allen, die noch etwas zu erledigen haben“…

Lea Bonasera „Die Zeit für Mut ist jetzt. Wie uns ziviler Widerstand aus Krisen führt“

Buchkritik Lea Bonasera "Die Zeit für Mut ist jetzt." präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Wenn sich junge Menschen auf Straßen ankleben und den Alltag blockieren, stoßen diese Aktionen in weiten Teilen der Bevölkerung immer mehr auf Unverständnis und Unmut. Die Notwendigkeit des friedlichen Widerstands erklärt Lea Bonasera, Mitbegründerin der Lost Generation, in ihrem ersten Buch „Die Zeit für Mut ist jetzt. Wie uns ziviler Widerstand aus Kriesn führt“. Die junge aufstrebende Wissenschaftlerin nimmt dafür in Kauf immer wieder verhaftet zu werden und über 20 Gerichtsverfahren verkraften zu müssen. Sie argumentiert rational, aber geht auf wichtige Fragen nicht ein…

Eva Weinmann „Wenn dein Körper sich erinnert“ 

Buchkritik Eva Weinmann „Wenn dein Körper sich erinnert“  präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Über immer neue Gesichtspunkte vermarktet kommen Yogabücher auf den Markt. Eva Weinmann, Diplom-Psychologin, systemische Therapeutin bildet Yogalehrerinnen aus, u. a. in traumsensiblem Yoga. In ihrem Buch „Wenn dein Körper sich erinnert“ bietet sie über Yoga für Menschen Hilfe, die durch chronischen Stress und Traumata das Vertrauen in ihrer Körper verloren haben. Yoga hilft den Körper wieder als sicheren Ort zu erleben und eine positive Beziehung zu ihm aufzubauen…

Main Huong Nguyen „Eins mit allem. Drei Wege in ein achtsames und bewusstes Leben“ 

Buchkritik von Main Huong Nguyen „Eins mit allem" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Multitasking, der ständige Griff zum Handy, permanenter Zeitdruck und konsumorientierte Lebensmodelle prägen unseren Lebensstil. Kurz sind die Glücksmomente, viel häufiger entstehen Stress und Depressionen. Diesen Kreislauf zu durchbrechen zielt Main Huong Nguyens Buch „Eins mit allem“. Auf drei Wegen hilft es dem Leser zum Innehalten in der Rush-Hour seines Lebens durch mehr Achtsamkeit mit sich selbst, mit den Mitmenschen und dem Lebensumfeld. Es ist ein Ratgeber für eine bewusste Wahrnehmung vom „Ich“ über das „Du“ zum „Wir“, den man bei der „Ich“-Ebene immer wieder bei Bedarf zur Hand nehmen kann, wenn das eigene Leben in Schieflage gerät, während die beiden anderen Ebenen letztendlich sehr allgemein bleiben…

Michel Houellebecqs Roman „Karte und Gebiet“ als Graphic Novel gezeichnet von Louis Paillard

Buchkritik von Michel Houellebeqc, Louis Paillard „Karte und Gebiet“ präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Berühmt geworden durch Gesellschaftsromane mit seinem provokanten Blick auf die Auswüchse von Geld und Kunst, Sex und Alkohol, Alter und Islam, die er schonungslos zuspitzte, publizierte Michel Houellebecq der große französische Romancier der westlichen Dekadenz in den letzten Jahren nur noch kleine Essaybände mit früheren Arbeiten und eine sehr persönliche Rechtfertigung seiner Sexfilme, die gegen seine Willen veröffentlicht wurden. Die jetzt erschienene Wiederauflage seines erfolgreichen Buches „Karte und Gebiet“ (2010) als Graphic Novel (2023) wirkt wie der Versuch verlorenes Terrain zurückzugewinnen, an frühere Erfolge anzubinden und neue Lesergruppen zu finden…

Karl Ove Knausgård „Der Wald und der Fluss. Über Anselm Kiefer und seine Kunst“

Buchkritik Karl Ove Knausgård „Der Wald und der Fluss" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Wim Wenders Film über „Anselm“ im Kopf erscheint dem Leser bei der Lektüre von Karl Ove Knausgårds Buch „Der Wald und der Fluss. Anselm Kiefer und seine Kunst“ alles sehr vertraut. Fünf Jahre lang formte der Autor vom Künstler immer wieder eingeladen ein subtiles, hinterfragendes Porträt, das durch die Kombination von Sprachstil und wuchtigen Filmbildern die tiefgründige Vielschichtigkeit von Anselm Kiefers Persönlichkeit und Kunst offenbart…

Richard Malka – „Das Recht, Gott lächerlich zu machen“ oder warum Karikaturen so wichtig sind

Buchkritik Richard Malka "Das Recht, Gott lächerlich zu machen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der Titel irritiert, nicht im Kontext mit dem Attentat auf das Wochenmagazin „Charlie Hebdo“ 2015. Anwalt Richard Malka verteidigte in dem ersten Karikaturprozess in Frankreich und mehreren weiteren Verfahren das Magazin gegen Rassismus-Vorwürfe. Es ist ihm ein Anliegen über die Rechtsprechung hinaus für das Grundrecht der Meinungsfreiheit einzutreten  und die Opfer nicht als Täter stigmatisieren zu lassen. Charlie Hebdo wurde durch das Attentat ein Symbol der Freiheit. Etliche Politiker und Meinungsmacher im öffentlich Leben sahen das anders…

Helmut Wartner – „Lebensfreude unter alten Bäumen. Biergärten und Bäume in und um Landshut“ 

Buchkritik "Lebensfreude unter Bäumen" von Helmut Wartner präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Wir sind begünstigt, wir dürfen noch unter Bäumen leben.“ Angesichts der vielen Rodungen ist das keine Selbstverständlichkeit mehr. Einstweilen ist die „Lebensfreude unter alten Bäumen“ unverzichtbar, soweit man sie kennt. Helmut Wartner gehört zu diesen Menschen. Schon als Kind interessierte er sich für Bäume. Tausende Bäume studierte er während seines Berufslebens als Landschaftsarchitekt in Landshut. Der Kirschgarten im Prantlgarten war sein Herzensprojekt. Es gelang ihn zu retten, wenn auch mit Kompromissen hinsichtlich der Nutzung. Jetzt präsentiert er in Buchform eine Hommage an die alten Bäume in Landshut und Umgebung… 

Gabriele von Arnim „Der Trost der Schönheit – Eine Suche“ – ein Buch, das in Krisenzeiten hilft

Buchkritik "Vom Trost der Schönheit" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Schönheit gilt oft als hohle Fassade, bourgeoise Verirrung, als Eskapismus, nicht für Gabriele von Armin. Gerade in unserer sinnlosen, immer mehr auf lebensunnötige Warenproduktion orientierte Wirklichkeit wird die Schönheit zum Trost die Untiefen des Lebens zu ertragen. Nach neuneinhalb Jahren Pflege ihres Mannes weiß sie, wovon sie schreibt. Nach ihrem autobiografischen Roman „Das Leben ist ein unzumutbarer Zustand“ (siehe       ), in dem sie die physischen und psychischen Beschwernisse von Krankheit, Pflege, Tod des Partners und dem Leben sehr empathisch darstellt, geht sie in „Der Trost der Schönheit“ auf eine wohltuende Spurensuche…

Haruki Murakami – „Honigkuchen“ – Eine Erzählung mit Illustrationen

Hakumi Murakamis "Honigkuchen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de.

Nach seinen großen Romanen ist Haruki Murakami in Deutschland in letzter Zeit nur durch Kleinformate präsent. Nach „Gesammelte T-Shirts“ und dem Erzählband „Erste Person Singular“, beide 2021 erschienen, folgt jetzt „Honigkuchen“ aus dem Erzählband „Nach dem Beben“ (2000) als Einzelwerk, das Cover wie ein Kinderbuch, die Illustrationen teenymäßig poppig, der Text schlicht und berührend…