Berlin – „Club Amour“ und „Café Müller“ – Weiterentwicklung von Pina Bauschs Tanzstil beim Tanzfestival der Berliner Festspiele

Tanzkritik über Tanztheater Wuppertal "Club amour" und "Café Müller" bei Tanzfestival der Berliner Festspiele präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de.

Jeder für sich, zwei Tänzer und eine Tänzerin springen, fallen, verdrehen und verrenken sich nackt bis auf ein T-Shirt, auf drei kleinen quadratischen Plattformen eines Gerüstturms, das Publikum ganz nah im Kreis herum sitzend oder stehend. Die Tanzsprache ist deutlich erkennbar in der Tradition von Pina Bausch, aber nicht nur wegen der Nacktheit in der Körperarbeit, sondern auch in der Konzeption weiterentwickelt…

Berlin – „William Forsythe“ – tosender Applaus für das Berliner Staatsballett und Choreografie-Legende William Forsythe

Ballettkritik "William Forsythe" vom Berliner Staatsballett präesentiert von www.schabel-kultur-blog.de

TänzerInnen verwandeln sich in Vogelwesen, außer Rand und Band geratene Arbeitsmaschinen oder in stereotype Schönheitsobjekte. Sie begeistern das Publikum bei jedem Stück von William Forsythes dreiteiligem Tanzabend. Er selbst war drei Wochen in Berlin präsent, um die komplexen Stücke mit dem Berliner Staatsballett einzustudieren und die Premiere zu feiern. Es ist auch ein rauschender Erfolg für den neuen Intendanten Christian Spuck, der nach seiner eigenen traditionellen Erzählchoreografie „Bovary“ William Forsythe, einem der innovativsten Tanzerneuerer, nach Berlin holte. Oft auf Spitze getanzt, das klassische Bewegungsrepertoire immer wieder kurz präsent entwickelte er ein zauberhaftes Tanzvokabular, das nun über drei seiner wegweisenden Stücke, inzwischen Klassiker der modernen Tanzszene, vom Berliner Staatsballett in der Deutschen Oper zu sehen ist… 

Berlin – „2 Chapters Love“ getanzt vom Berliner Staatsballett begeistert das Publikum 

Tanzkritik "2 Chapters Love" getanzt vom Berliner Staatsballett präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Eine Lady (Polina Semionova) stöckelt auf Highheels den Bühnenrand entlang, platziert sich erotisch, gestikuliert ironisch zu „Don´t Cry Baby“ und beißt genussvoll in die Melonenstücke, die ihr ein Herr (Matthew Knight) reicht, ohne sich in irgendeiner Weise für ihn zu interessieren. Mit diesem pantomimischen Aperitif beginnt Sol León ihre Choreografie „Stars like Moths“. Nach der Pause entführt Sharon Eyal mit „2 Chapters Love“ in kultisch ekstatische Welten. Gleichwohl um Facetten der Liebe kreisend ergeben sich zwei ganz konträre choreografische Handschriften…

München – „Peer Gynt“ als spannendes Erzählballett im Gärtnerplatztheater

Ballettkiritk "Peer Gynt" im Gärtnerplatztheater präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Er war niemals er selbst“, resümiert der Knopfgießer, sprich der Tod am Ende von Ibsens dramatischen Gedicht „Peer Gynt“. Vom Ende her entwickelt Choreograf Karl Alfred Schreiner die berühmte Geschichte eines jungen Lügenbolds und Taugenichts, der hinauszieht in die Welt, um sich selbst zu suchen. Jetzt soll er dem Tod beweisen, was er aus seinem Leben gemacht hat. Die Bilanz ist negativ, Eigen- und Außenwahrnehmung stimmen so gar nicht überein. „Lüge, alles Lüge!“ konterkariert der Tod immer wieder Gynts Erzählungen, die das Ballettensemble des Gärtnersplatztheaters sehr schwungvoll vertanzt und vom künstlerischen Team sehr spannend umgesetzt werden. Karl Alfred Schreiners „Peer Gynt“ entwickelt Erzählballett zu einer gelungenen Symbiose von Bildmagie, Tanz und gesprochenem Wort, wobei dramaturgisch nicht immer der Tanz im Mittelpunkt steht und das „Sündenregister“ Gynts zur Abenteuerreise avanciert…

Berlin – „Chicago“ – schmissiges Broadwaymusical in der Komischen Oper

©Komische Oper, Foto: Barbara Braun

Extrem sexy schon die erste Szene klatscht und pfeift das Publikum begeistert. Eine Lady in Silber glitzert vor 6500 goldenen Varietélampen der Bühne, umtanzt von einem Dutzend nackter Beine, die Körper in Dessous hinter den roten, erotisch vibrierenden Federfächern nur sekundenweise zu sehen. Mit „Chicago“ (1975), Musik von John Kander, Buch von Fred Ebb und Bob Fosse, inszeniert von Barrie Kosky bindet die Komische Oper in Berlin an die Amüsierkunst der 1920er Jahre an und lässt das Interimsquartier des Schillertheaters ganz vergessen. Die explosive Stimmung der ersten Szene ist kaum zu toppen, im Vaudeville-Stil als Nummernrevue mit geschickt integrierten Handlungsszenen konzipiert hält die Stimmung über drei Stunden lang an. „Broadway made in Berlin“ by Barrie Kosky funktioniert ein ums andere Mal bestens…

Niederlande – „Flamenco Biennale 2023“ – neueste Entwicklungen

Flamenco Biennale in den Niederlanden präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Zu einem ganz besonderen Ereignis hat sich die Flamenco Biennale in den Niederlanden etabliert. Die neunte Ausgabe präsentiert sich wie 2021 als Diptychon.  Nach dem Erfolg von Teil 1 im Januar und Februar dieses Jahres reist die internationale Flamenco-Avantgarde vom 12. bis 17. Dezember 2023 und vom 24. bis 29. Januar 2024 durch acht Städte in den Niederlanden. Drei Generationen Tanzrebellen, Andrés Marín, Rocío Molina und Manuel Liñán, hinterfragen in ihren neuesten Kreationen die Flamenco-Codes…

Berlin – Christian Spuck erobert mit seiner neuen Choreografie „Madame Bovary“ das Publikum in der Deutschen Oper

Ballettkritik "Madame Bovery" vom Berliner Staatsballett präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Jubel für die 79 TänzerInnen! Jubel für das künstlerische Team! „Madame Bovary“ erobert das Berliner Publikum. Christian Spuck, der neue Intendant des Berliner Staatsballetts, stärkt die Hoffnungen, dass klassisches Ballett mit modernen Entwicklungen fusioniert. Er macht mit seiner ersten Choreografie „Madame Bovary“ nach Gustave Flauberts Skandalroman 1856 das traditionelle Erzählballett wieder attraktiv, indem er es choreografisch, tänzerisch und durch eine exzellente Musikauswahl gekonnt innoviert, im literarischen Meisterwerk des Realismus auf die romantischen Sehnsüchte einer Frau fokussiert, die an den Männern scheitert, ein Thema, das zeitlos aktuell ist…

Regensburg – Wagner Moreiras Choreographie „Transit“ – eine explosive Suche nach Liebe zwischen den Welten und ihren Kulturen

Tanzkritik "Transit" im Theater Regensburg präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Eine Tür öffnet sich. TänzerInnen kommen zögernd, staunend auf die Bühne, gruppieren sich zu den melancholischen Tönen eines Akkordeons, mittendrin die ukrainische Mezzosopranistin Svitlana Slyvia, als mütterliche Ankerfigur in der Brandung der Fremde. „Was ist der Mensch im Exodus?“, fragt der neue Künstlerische Leiter und Chefchoreograf Wagner Moreira in seiner ersten Arbeit für das Theater Regensburg. Seine Antwort „Transit“ oszilliert zwischen Erinnerung an die Heimat und der Freude auf das Neue und Unbekannte, zwischen Ängsten und Hoffnung, Einsamkeit und menschlicher Geborgenheit. Die Heimat ist dort, wo Menschen sind, die man liebt, visualisiert über Tanz und Musik hinaus durch einen raffinierten Bühnenraum, Projektionen und Gesang…

Berlin – Kat Válasturs Performance „Strong Born“ – statt Opferrolle Befreiung durch Rebellion bei „Tanz im August“ 

Tanz im August 2023 "Strong Born" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Drei Tänzerinnen in Trainingsanzügen und Sportschuhen dehnen ihre Muskeln zum wabernden Soundtrack, trinken aus der Wasserflasche, gehen ein paar Schritte, wiederholen ihr Ritual, falten die Handtücher so straff, dass sie wie Opfertische wirken, um dann umso lascher zu Boden zu fallen. Ganz nah verwandeln sich die Frauen zu einer Brunnenskulptur, aus dem das Wasser aus den Flaschen zu Boden plätschert. Opferritual wird spürbar in diesem ausgedehnten Vorspiel, das sich Schritt für Schritt zu einer rebellischen Körperperkussion steigert.

Inspiriert vom Mythos „Iphigenie in Aulis“ und „Anastenaria“, einem traditionellen Barfuß-Feuerlaufritual in Nordgriechenland und Südbulgarien kreierte Kat Válastur ihre Performance „Strong-Born“, benannt nach der Namensbedeutung von „Iphigenie“, die stark, aus einem mächtigen Geschlecht Geborene…

Berlin . „ Shared Landscapes – Sieben Stücke zwischen Wald und Wiese“ – Kunst in freier Natur als synergetische Performance erleben

Berliner Festspiele "Scared Landscapes" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Was passiert, wenn Landschaft zum Theater wird, wenn Kunst die Natur nicht nachahmt, sondern ermöglicht, Natur anders und gemeinsam zu erleben? Womit so manches Sommerprojekt schon im kleinen Maßstab experimentierte, wird jetzt in Berlin als Projekt der Berliner Festspiele zu einem siebenstündigen Halbtageserlebnis…

Berlin – „The Romeo“ – Tanz als Seelenbalsam beim Festival „Tanz im August“ 

Tanzkritik "The Romeo" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de.

Nein, es geht nicht um Shakespeares „Romeo“. Die Choreografie „The Romeo“ präsentiert die Vision eines tänzerischen Pulses der Harmonie, auf den sich unterschiedlichste Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen quer durch verschiedene Generationen der Vergangenheit und Zukunft einschwingen könnten, um ihre individuellen Probleme zu verarbeiten, wenn alle anderen Hilfen versagen, nur noch über den Tanz menschliche Gemeinschaft erlebt  werden kann und der Tanz selbst den Weg hinaus aus der Welt erleichtert. 
Trajal Harrell, Hauschoreograf des Dance Ensembles des Züricher Schauspielhauses, realisierte diese Idee mit seinem multikulturellen Ensemble Anfang April in Zürich. Jetzt ist „The Romeo“ als Deutschlandpremiere beim Berliner Tanzfestival zu sehen. Die Konzeption von „The Romeo“ ist so originär nicht, in vielen indigenen Völkern noch präsent, aber die Erweiterung auf multikultureller Ebene hat durchaus visionären Charakter…

Berlin – „Carcaça“ – fulminante Eröffnung des 35. Tanzfestivals „Tanz im August“

Tanzkritik, Tanz im August "Caraca" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Die 35. Version von „Tanz im August“ zeigt einmal mehr die Bedeutung des Tanzes in Berlin. Seit sechs Jahren ist die freie Tanzszene in Berlin über dieses Festival fest verankert. Tanz soll mehr sein als ein rein ästhetisches Vergnügen. Im Fokus stehen unter der neuen Intendanz von Ricardo Carmona gesellschaftliche Probleme. Dazu passt hervorragend Marco da Silva Ferreiras Choreografie „Carcaça“. Mit seinem 8-köpfigen mulitkulturellen Ensemble plus Live-Percussion und -Elektronik gelingt ihm ein 75-minütiges epochenumspannendes Epos beginnend mit einer Robinsonade über Kolonialisierung bis zum revolutionären Befreiungsschlag. Das Ensemble wird rhythmisch zu einer „Carcaça“, einer Karkasse, einem Geschoss…

Berlin – „Tanz im August“ – 35. Internationales Tanzfestival Berlin präsentiert vom HAU Hebbel am Ufer

Tanz im August präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de.

Wenn alle Theater und Opern im August in Berlin Sommerpause machen, wird „Tanz im August“ zum kulturellen Höhepunkt. Unter der neuen künstlerischen Leitung von Ricardo Carmona will das Tanzfestival neue Wege abseits der ausgetretenen Pfade erkunden, starre Vorstellungen von Tanz überwinden und sich gegenseitig bedingende Beziehungen sichtbar manchen. Dazu sind 19 Produktionen an 11 Veranstaltungsorten eingeladen, 5 Premieren, 6 Deutschlandpremieren, 8 Berliner und internationale Koproduktionen und ein Auftragsprojekt mit 22 Berliner KünstlerInnen. Die innovative Exotik der gezeigten Produktionen sind ausgesprochen vielfältig…

München – „Schmetterling“ – Choreografien mit Kultcharakter getanzt vom Bayerischen Staatsballett

Ballettkritik "Schmetterling" in München präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Eine Tänzerin osteopathisch gebückt spaziert in der Pause über die Bühne und verschwindet. Nur zu gern würde sie noch einmal tanzen, verrät ihre witzige Mimik, doch der Körper kann nicht mehr. Oder doch? Von einem jungen Mann zärtlich umarmt und gehoben, gestützt und gedreht, gelingt kurz darauf das Unmögliche, werden Arme und Beine immer gestreckter, kehrt die Anmut der Jugend zurück, wenn auch krakelige Bewegungen, geflexte Füße und gewitzte Mimik dazwischen ganz bewusst den endorphinisierten Zustand parodieren. Mit diesen sich wiederholenden Sequenzen in „Schmetterling“ entstand ein Kultballett, das 13 Jahre später immer noch bejubelt wird.
Mit Standing Ovations feierte das Münchner Publikum den Ballettabend „Schmetterling“, dessen Choreografen die große Kunst beherrschen, zusammen mit dem Ensemble Geschichten zu erzählen. Der Titel lässt buntes Flirren assoziieren, doch die in vorwiegend  Schwarz-Weiß-Kontrasten gehaltenen beiden Choreografien dieses Ballettabends zielen tiefer, werden zur Metapher für die Eckpunkte menschlicher Existenz zwischen Liebe und Tod und die damit verbundenen Transformationen durch die verschiedenen Zeitphasen…