Berlin – Friedrich Händels ausgesprochen amüsante Inszenierung „Xerxes“ an der Komischen Oper

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©Komische Oper Berlin, Jaro Suttner

Dabei war Händels 40. Oper „Xerxes“ (1738) alles andere als ein Erfolg. Sie wurde nach fünf Aufführungen als „Boulevardkomödie“ abgesetzt. Das Londoner Publikum war dieser Art der italienischen Opera seria bereits überdrüssig. Das Libretto war, im Barock durchaus üblich, nur ein Plagiat, in diesem Fall von Silvio Stampiglia (1694) nach dem literarischen Vorbild von Nicolò Minato „Il Xerse“ (1654), und durch die Einsparung der Rezitative nur schwer nachvollziehbar. Weder Macht oder Moral stehen im Mittelpunkt, allein die Liebe in einem komplizierten Verwechslungsspiel.

Der persische König Xerxes ist zwar mit Amastris verlobt, liebt aber amouröse Abenteuer. Er verliebt sich in Romilda, die heimlich mit seinem Bruder Arsamenes liiert ist. Das gibt Intrigen, Verwechslungen ohne Ende, aufgemischt durch Romildas Schwester Atalanta.  Das muss man alles gar nicht so genau verstehen. Der Genuss liegt in den Koloraturarien, einst ausschließlich von Kastraten gesungen, sind in dieser Version alle fünf Hauptrollen mit Sopranistinnen besetzt. Jede für sich überrascht mit nuancenreichen, temperamentvollen, sichtlich genussvoll gesungenen Kolorierungen ironisiert durch gestische Erotik, allen voran Cecela Hall, die Xerxes als eleganten Hahnrei gesanglich in schwebender Abgehobenheit sehr charmant interpretiert und ihn optisch, nicht zuletzt durch immer neue königliche Kostümvariationen sehr frech, doch liebenswürdig karikiert. Dass Amastris (Virginie Verrez) diesen Herzensbrecher trotzdem liebt und Atalanta (Josefine Mindus) sich in ihn verliebt, steigert das amouröse Durcheinander in ein Verwirrspiel bis zum Anschlag, wobei der dunklere Sopran von Virginie Verrez mit Josefine Mindus hellerem Timbre die Facetten der Liebe wunderbar unterstreicht. 

Umso mehr Aura, mild, aber auch wild, entfaltet Kseniia Proshina als Romilda in ihrer Treue zu Arsamenes, den Susan Zarrabi rollenadäquat sehr dezent darstellt und mit ihrem etwas dunkleren Timbre trotzdem sehr innig seine Liebe zu Romilda zum Ausdruck bringt. In diesem Höhen-Kolorationsrausch setzt Hagen Matzeit, der als einziger Solist bei der Premiere 2012 schon dabei war, und immer noch als Blumenverkäuferin verkleideter Diener Elviro für wunderbar kräftig baritonale und komödiantische Akzente sorgt, gewürzt mit Berlinerischer Rhetorik. 

Regisseur Stefan Herheim befeuert die humoreske Ebene mit originellem Szenenwitz in barocken Bühnenbildern. Lyrische Liebesmomente verwandeln sich durch blökende Schafe in herzerfrischende Parodien. Um ihre Rivalin Romilda aus dem Weg zu schaffen, schleppt Atalanta ein ganzes Waffenarsenal an. Doch Dolch, Pistole, Armbrust, selbst Schlange und Kanone versagen. Nur ein Vogel und Dekorationsteile fallen zu Boden. Die königliche Armee wird zur Lachnummer degradiert. Mit bewegten Wellen, darauf hüpfenden Meeresungeheuern und Segelschiffen im Hintergrund, wird Xerxes Brückenbau von Asien nach Europa zu einem Bilderbuch-Bühnenspektakel. Dabei geht es nie um schrille Überzeichnung, sondern um eine liebenswerte Parodie und humorvollen Genuss. 

Entsprechend subtil klingt es aus dem Orchestergraben. Unter dem Dirigat von Barockspezialist Konrad Junghänel werden bereits bei der Ouvertüre die kontrastvollen Motive mit schwungvoller Leichtigkeit und plastischer Artikulation hörbar. Wunderbar unterstreicht das Orchester die Arien, ohne sich in den Vordergrund zu schieben. Klar und präzise konturieren die Generalbässe. Und beim finalen Happyend spannt der Chor in Alltagskleidung den Bogen von barocker Lebensfreude in die ernüchternde Gegenwart. Begeisterter Applaus auch 2023!