Augsburg – Uraufführung von Hauke Berheides Kammeroper „C:>title Labyrinth“ eine Hybrid-Oper im Kühlergebäude Gaswerk als Produktion des  Staatstheaters

Hybrid-Oper "„C:>title Labyrinth“ im Augsburger Staatstheater präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Staatstheater Augsburg, Foto: Jan-Peter Fuhr

Das Wasser, videomäßig präsent und damit die Klimakrise bildet den Rahmen dieser Kammeroper und damit verbunden die Veränderung von Zeit, die immer schneller dahinrast, von Raum, der sich immer stärker verändert und die Abhängigkeit von der Digitalisierung. Auf der Suche nach einem Systemfehler begibt sich das „Ich“, mit der jungen Sopranistin Priya Pariyachart stimmgewaltig besetzt, auf die Suche in einem Labyrinth. Sie findet Knochen und trifft einen Polarforscher (Roman Poboinyi), einen Bergmann (Isaac Tolley) und den Maya-Priester Ah’men (Franziska Weber), deren Existenzformen ihr Verhältnis zur Natur spiegeln.

Sie selbst wirkt wie eine egomanische Influencerin schrill überzeichnet mit türkisen Haaren, die nur mit ihrem Ego beschäftigt ist, sich als Zeit, Raum und Licht begreift und bei jedem Fundstück naiv „Was ist das?“ fragt. Fundknochen entpuppen sich als Flöten, eigens vom Komponisten angefertigt und vom Ich und Polarforscher in Echowirkung selbst gespielt. Angesichts eines Skeletts wundert sich die Frau, dass es auch noch ein anderes Ich gibt. Der Polarforscher, von Tenor Roman Poboinyi kraftvoll gesungen, wandert forsch dahin, das Wasser als geschmolzenes Eis durch verschiedene Projektionen immer im Blick. Éin Bergmann wird zum Symbol der Produktivität. Dass ausgerechnet dieser geschundene Prolet, der von unten nach oben will, wuchtig von Bassbariton Isaac Tolley verkörpert, exaltiert herumtänzelt, erschließt sich nicht, ebensowenig wie der indigene Priester von Mezzosopranistin Franziska Weber gesungen, die  Chaák, dem Regengott der Mayas, ein Opfer bringt, aber optisch eher Afrika zuzuordnen ist. Klagend holt sie aus ihrem Bündel Knochen, die sie zu einem Skelett zusammenbaut und die Dürrekatastrophe durch die Frage „Was ist Frieden?“ auf politische Entscheidungen weitet.

Zwischen dem Livegeschehen solistisch auf verschiedenen Podesten und zusammen in verschiedenen Gangarten unter dahin rasenden Uhrzeigern, aufleuchtenden Tempo-100-Warnzeichen und digitalen Zeichenketten imgrunde sehr simpel und monoton angelegt erlebt der Zuschauer im Labyrinth die Folgen menschlicher Existenz in einer Eishöhle, in weiten Wasserflächen, Bergbauschächten und schließlich die Klimakatastrophe durch ansteigende Wasserpegel in den Gängen des Labyrinths, die bereits prognostizieren, was Live noch zu Ende gesungen wird. „Das Spiel ist aus.“

Die  Komposition zielt librettoadäquat vorwiegend auf brachiale Tonstimmungen. Bläser, Streicher und zwei Perkussionisten in den vier Raumecken platziert schaffen eine brutale Soundkulisse, die sich aber in den vier Erzählsträngen wiederholt, wuchtig, aber selten emotional untermalt. Beeindruckende Momente entstehen, wenn das knarzende Cello die Schräglage der Welt hörbar macht, wenn die Posaune düster dröhnt, die Schlagwerke knallen, als befände man sich selbst unter Tage in Fronarbeit. In diesem Inferno leuchten die wenigen Töne auf der Flöte und ihr Echo als magische Momente einer menschlichen Beziehung auf, worauf sich die finale Botschaft von der Bedeutung der Liebe stützt. 

Die sängerische Ebene  gewinnt durch die verschiedenen Timbres eine interessante Aura, wiewohl den Partituren die emotionalisierende Abgründigkeit durch Tonsprünge und  irritierende Dissonanzen fehlt und unter der musikalischen Leitung von Anna Malek die brachiale Wucht der Musik im Vordergrund steht.

Summa summarum ist dieses kleine Opernformat im Kühlergebäude Gaswerk des Staatstheaters Augsburg durchaus ein interessantes Experiment, wodurch sich die VR-sozialisierte Generation vielleicht für Oper begeistert und traditionellen Opernbesuchern neue Wege zeigt. Doch schon Frank Castorf scheiterte mit seinem gefeierten Regiestil mit Live-Videos an der Oper, ein Genre, das sich durch Musik und Gesang und nicht durch Technik definiert. 

Ob das VR-Format tatsächlich das Mittel ist die Ästhetik und institutionellen Praktiken der zeitgenössischen Oper weiterzuwickeln, wie dies der Komponist Hauke Berheide und die Librettistin Amy Stebbins als Mitbegründer der New Opera Dialogues beabsichtigen, wird die Resonanz beim Publikum entscheiden. 

Künstlerisches Team:  Hauke Berheide (Komposition), Anna Malek (Musikalische Leitung), Amy Stebbins (Libretto, Inszenierung), Belén Montoliú (Bühne, Kostüme), Christian Hill (Video), Marco Vitale (Licht), Sophie Walz (Dramaturgie)

Mit: Priya Pariyachart (Ich), Roman Poboinyi (Polaringenieur), Isaac Tolley (Bergmann) Franziska Weber (Ah’men) und Mitgliedern der Augsburger Philharmoniker