Berlin – Verdis „Aida“ an der Staatsoper als Spiegel menschlicher Unterdrückung 

Opernkritik "Aida" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Stille. Langsam bewegen sich Menschen vom Bühnenhintergrund nach vorne, explodieren plötzlich in gestischer Revolution Steine werfend und verschwinden gruppenweise. Der Protest bleibt wirkungslos, alles bleibt beim Alten. Genau das will Calixto Bieìto mit seiner „Aida“-Konzeption erzählen. Verdis monumentaler Auftragsoper durch die pompösen Aufführungen in Verona als Opernspektakel tradiert setzt Erfolgsregisseur Calixto Bieíto ganz gegen sein Image eine klug reduzierte Inszenierung entgegen, die wie zu erwarten nicht jedem gefällt, aber gerade durch ihre epochenübergreifenden Spiegelungen die Kritik an den Göttern, dem Klerus und der Machtelite beeindruckend herausarbeitet und „Aida“ sehr modern erleben lässt…

Berlin – Uraufführung „Zeroth Law -Das nullte Gesetz“ in der Tischlerei der Deutschen Oper

Opernkritik "Das nullte Jahr" an der Deutschen Oper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Umtost vom Maschinenlärm durch Lichtkegel im Schwarz der Bühne flankiert von zwei gigantischen Klanginstallationen schreitet der RIAS-Kammerchor würdevoll auf die Podeste. Die menschliche Stimme trifft auf Klangmaschinen, der stimmwuchtige RIAR-Kammerchor auf 50 ferngesteuerte, bizarre Musikautomaten des Erfinders, Ingenieurs und Musikers Godfried-Willem Raes, dazu der Dialog einer via großformatiges Videos duplizierten Erzählerin und eines Tanzpaars, das das Geschehen in sich wiederholenden Bewegungsmustern darstellt. Das wirkt meditativ und befremdlich zugleich, macht neugierig auf den Schlussteil der Roboter-Trilogie des retro-futuristischen Ensembles gamut inc, geleitet vom Komponistenduo Marion Wörle und Maciej Śledziecki…

Berlin – Grandiose Aufführung der Komischen Oper von Hans Werner Henzes Oratorium „Das Floß der Medusa“ im Hangar 1 

Opernkritik "Das Floß der Medusa" in Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Oper in einer Flugzeughalle? Die Komische Oper kann auch das. An einem ungewöhnlichen Spielort macht sie mit einer grandiosen Inszenierung zu Beginn der neuen Spielzeit Schlagzeilen, bevor wegen der Umbaumaßnahmen in der Behrendstraße der normale Spielbetrieb im Schillertheater aufgenommen wird.
Unter der musikalischen Leitung von Titus Engel und der Regie von Tobias Katzer verwandelt sich Hans Werner Henzes Oratorium „Das Floß der Medusa“ (1968) zu einem fulminanten Gesamtkunstwerk mit verblüffender Nähe zur Migrationstragik im Mittelmeer. Die revolutionäre Kapitalismuskritik, weshalb 1968 die Uraufführung blockiert wurde, weicht dem Blick auf die fehlende Humanität…
Erstarrt in der hoch dramatischen Situation beginnt das Oratorium als Vivant Tableau auf einem Floss analog zu Théodore Géricaults Gemälde „Le Radeau de La Méduse“ (1819), das Hans-Werner Henze und Librettist Ernst Schabel zu diesem Werk inspirierte. Das Floß auf einer riesigen Wasserfläche treibend, flankiert von einem groß besetzten Orchester und einem mächtigen Chor entsteht im Wasser ein hochdramatischer Kampf um das Überleben…

München – „Queen Poppea“ – Eine mondäne Party-und Revueoper mit Musik von Monteverdi und der Rockgruppe Queen inszeniert von der Opera Incognita

Opernkritik "Queen Poppea" der Opera Incognita präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Das Wasser schimmert und gluckert. Mit schwimmenden Palmen bestückt verwandelt sich das Müllersche Volksbad, ein sehr schönes Jugendstilbad, in München vor einem antiken Wasserspeier in einen mondänen Swimmingpool. Hollywood lässt grüßen. In diesem Umfeld avanciert Monteverdis letzte frühbarocke Oper „L’ incoronazione de Poppea“ kombiniert mit live eingespielten Songs der Rockgruppe Queen zu einer exaltierten Party- und Revueoper mit unerwartetem Ausgang. Der Pool wird zum Haifischbecken der Macht, in dem störende Menschen und menschliche Werte unter der glänzenden Oberfläche verschwinden… 

Füssen – „Musikfestspiele Königswinkel“ – Großartige Musik in herrlicher Umgebung 

Musikfestspiele Königswinkel präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Den Sommer verlängern mit Kultur in schönster Natur, das bietet das Musikfestival im Königswinkel in Füssing mit Wagners Walküre im Festspielhaus Neuschwanstein.
Möglich ist dieses herrliche Festival durch den Europäischen Festivalverbund „Mehr Europa durch Musik“. Er zielt auf langjährige Konzeption, Synergieeffekte durch Künstleraustausch und gegenseitige Bewerbung. Nach dem „Prager Osterfestival“ , dem sommerlichen „Musikfestival in Marvão“ in Portugal darf man jetzt im Herbst vom 28. September bis 3. Oktober auf die „Musikfestspiele Königswinkel“ in Füssen gespannt sein, wo König Ludwig II. und Richard Wagner um die Wette funkeln…

München – Händels Oper „Semele“ begeistert das Publikum der Bayerischen Opernfestspiele 

Opernkritik "Semele" an der Bayerischen Staatsoper präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Nach dem ersten Akt jubiliert Semele, nach dem zweiten schreit sie psychopathisch, am Schluss verstummt sie. Händels Semele ist wie keine andere Frauenfigur des Barocks emanzipiert. Sie wagt die einengenden Rituale der Gesellschaft zu durchbrechen, heiratet nicht Athamas, der sie liebt, sondern fleht Jupiter an ihr zu helfen, der sie entführt und verführt. Doch die eifersüchtige Göttergattin Juno weiß sich Semele durch eine raffinierte Intrige zu entledigen. Jupiter soll sich ihr nicht als Mensch nähern, sondern so, wie er wirklich ist, als Gott, der über Blitz und Donner herrscht. Dann würde Semeles Wunsch erfüllt, unsterblich zu werden. Das Gegenteil trifft ein. Semele verbrennt. Nach kurzer Trauer findet die Hochzeit trotzdem statt. Endlich bekommt Semeles Schwester Ino ihren heiß geliebten Athamas und das wohlhabende Umfeld feiert barockgemäß. Carpe Diem! „Glücklich sollen wir sein.“
Regisseur Claus Guth macht mit seinem künstlerischen Team aus Händels über 4-stündigem Mammutwerk inklusive zweier Pausen ein ausgesprochen vergnügliches Opernerlebnis in einem modernen, ästhetisch stilisierten Umfeld voller düster psychotischer Doppelbödigkeit, die er immer wieder ausgesprochen witzig parodiert, wobei SängerInnen und TänzerInnen bestens ihre Talente präsentieren können. Unter der musikalischen Leitung von Gianluca Capuano steht eine ausbalancierte Klangharmonie im Vordergrund…

Landshut/Passau – Puccinis „Le Villi “ und Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ – eine ungewöhnliche, erhellende Kombination bei den diesjährigen Burgenfestspielen des Landestheater Niederbayern

Opernkritik Puccinis "Le Ville" und Mascagnis "Cavalleria rusticana" im Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.

Das Programm verblüfft mit zwei berühmten Komponisten aus derselben Epoche des italienischen Verismo, doch mit Werken ganz unterschiedlicher Qualität. Man versteht, warum Puccinis Erstlingswerk „Le Villi“ nur selten gespielt wird und Pietro Mascagnis „Cavalleria Rusticana“ immer noch ein Publikumsliebling ist. Beides auf die Bühne zu bringen, spricht für die Experimentierfreudigkeit von Basil H.E. Coleman und führt dem Zuschauer vor Augen, wie unterschiedlich etwas gelingen kann

Füssen – „Musikfestspiele Königswinkel“ als Hommage an Richard Wagner und König Ludwig II. im Festspielhaus Neuschwanstein

Musikfestspiele Königswinkel präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Eigentlich wollte König Ludwig II. auch in München ein Festspielhaus errichten lassen, um dem „bayerischen Volk“ Richard Wagners Werke präsentieren zu können. Gottfried Semper fertigte die Pläne an. Sie wurden aber erst 2000 realisiert, und zwar in Füssen in malerischer Lage direkt am Forggensee mit Blick auf Ludwigs „Märchenschloss Neuschwanstein“. Dieses Festspielhaus ist unter anderem der faszinierende Originalschauplatz des Erfolgsmusicals „König Ludwig“. 
Vor zwei Jahren wurden die Musikfestspiele Königswinkel mit einer Aufführung von Wagners „Tristan und Isolde“ ins Leben gerufen. Im Herbst 2023, also 153 Jahre nach der Uraufführung der „Walküre“ in München, wird dieses Werk nun im Festspielhaus Neuschwanstein aufgeführt. Damit nähert sich das Festspielhaus nicht nur seinem erklärten Ziel als kulturelles Zentrum für das Ostallgäu. Es scheint sich neben Bayreuth eine zweite, sehr reizvolle  Wagnerkultstätte in Bayern zu etablieren. Kultur und Natur als Gesamterlebnis ganz im Sinne König Ludwigs…

München – Brett Deans „Hamlet“ an der Münchner Staatsoper – anstrengend, aber interessant

Opernkritik von Brett Deans "Hamlet" an der Bayerischen Staatsoper präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Apokalyptisches Raunen aus dem Orchestergraben, ein Rollen, Klirren, Tonalitäten der Verstörung fortissimo immer näherrückend  baut sich bereits akustisch eine existentielle Atmosphäre auf. Noch schimmert Hamlets Kopf im milden Sonnenlicht. Im nächsten Moment ist es aschfahl. Die Tragödie nimmt ihren Verlauf. Viele renommierte Komponisten trugen sich mit dem Gedanken Shakespeares Tragödie „Hamlet“ um das Sein und Nichtsein zu vertonen, keiner setzte es um. Brett Dean, bekannt durch seine zeitkritischen Opern, nahm „Hamlet“ als Auftragsarbeit für die Glyndebourne Festspiele 2017 an.  Für das Libretto verwandte Matthew Jocelyn ausschließlich Originaltexte von Shakespeare und Regisseur Neil Armfield wusste es, wenn auch sehr konventionell, doch ausgesprochen spannend umzusetzen. Tonal für das klassisch gewöhnte Ohr durchaus anstrengend, gelingt unter der musikalischen Leitung von Vladimir Jurowski, der bereits die Uraufführung dirigierte, auch in München ein akustisches Erlebnis. Mit faszinierender Präzision stimmt er den furios erweiterten Klangapparat, die Vielschichtigkeit der Gesangsebenen und das expressive Spiel aufeinander ab und macht fulminant die Polarität zwischen poetischem Bedürfnis und existentieller Dramatik erlebbar… 

Berlin – Wagners „Der fliegende Holländer“ als Wiederaufnahme an der Staatsoper

Opernkritik "Der fliegende Holländer" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Philipp Stölzl als Regisseur sorgt seit Jahren ständig für Überraschungen. Seine Inszenierungen haben nachhaltige Wirkung. Seine Version von Wagners „Fliegendem Holländer“ 2009 für das Theater Basel kreiert, 2013 von der Staatsoper Berlin übernommen, nur 16 mal gespielt, steht derzeit als Wiederaufnahme auf dem Programm, ganz anders konzipiert als die aktuelle parodistische Version in der Komischen Oper. 

In einer gigantischen Bibliothek liest Senta, noch ein Kind, die gruselige Geistergeschichte vom Seefahrer bei Kerzenlicht, während aus dem Orchestergraben das facettenreiche Motivspektrum von Wagners Ouvertüre unter dem temperamentvollen Dirigat von Matthias Pintscher wetterleuchtet. Die heimelig düstere Atmosphäre weitet sich zu einem spannenden Psychogramm von befreienden romantischen Innenwelten als Reaktion auf die einengenden bürgerlichen Außenwelten, in denen Senta im „nicht mehr“ das „noch nicht“ sucht…

Berlin – Friedrich Händels ausgesprochen amüsante Inszenierung „Xerxes“ an der Komischen Oper

Opernkritik Xerxes komische Oper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de.

Orgiastisch koloriert und herrlich erotisch parodiert zündet die Komische Oper Berlin mit Händels „Xerxes“ vor dem Umzug in das Schillertheater noch einmal ein sängerisches und schauspielerisches Feuerwerk voller amüsanter Überraschungen, in denen sich barocke Lebenslust spiegelt. Die umjubelte Inszenierung von 2012 unter der musikalischen Leitung von Konrad Junghänel und der Regie von Stefan Herheim hat nichts von ihrem Charme verloren und garantiert einen herrlich erfrischenden Opernabend…

Landshut – Wagners „Götterdämmerung“ am Landestheater Niederbayern 

Wagners "Götterdämmerung" am Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de.

Großer Applaus für alle Mitwirkenden, ein noch größerer Applaus für Yamina Maamar als Brünnhilde und Standing Ovations für Basil H. ., Coleman und die Niederbayerische Philharmonie. Mit der „Götterdämmerung“ avanciert das Landestheater Niederbayern nicht nur zum „Ring-Haus“ mit überregionaler Wirkung und Aufmerksamkeit, wie es Intendant und Regisseur Stefan Tilch formuliert, sondern es gelang auch eine vortreffliche, trotz Wagners Längen kurzweilige Inszenierung mit großartigen Stimmen und einem wunderbar satten Farbklang aus dem Orchester, eine Meisterleistung für ein derart kleines Opernhaus…

Erl – Die „Tiroler Festspiele Erl“ haben silbernes Jubiläum

Tiroler Festspiele präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Warum immer nur Kultur in der Stadt? Aus dieser Überlegung entwickelte man in Erl vor über 25 Jahren die Idee der „Tiroler Festspiele Erl“. Am 11. Juli 1998 wurde die Vision mit der feierlichen Eröffnung der ersten „Tiroler Festspiele Erl“ Realität. Exklusive Qualität ist seit Anfang oberstes Gebot, nicht als Starrummel der großen renommierten Opernpersönlichkeiten, sondern mit jungen Nachwuchstalenten, deren großartige Stimmen bereits eine Karriere ahnen lassen. „Die Tiroler Festspiele Erl“ wurden zum Erfolgsmodell. Jetzt kommen die Menschen aus den Städten, oft kombiniert mit einem Urlaub aufs Land. Das 25. Jubiläum vom 6. bis 30 Juli bietet besondere Highlights…

Landshut – Georg Friedrich Händels Oper „Rinaldo“ am Landestheater Niederbayern – eine verblüffend fröhliche Inszenierung

Opernkrtik "Rinaldo" im Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der Abspann „Baroque & Roll, Keep calm and händelt it“ zielt voll ins Schwarze. Mit der originellen Inszenerierung von Händels „Rinaldo“, mit der er in London 1711 sofort durchstartete, gelingt es Regisseur Kobie van Rensburg das Publikum für Barockoper zu entflammen. Zusammen mit Cornelia von Kerssenbrock entstand ein hybrides Kabinettstück zwischen Bühne und Film, realer und virtueller Welt, Klassik und Rock, das sicher nicht allen gefällt, weil die berührende Tragik einer fröhlich parodistischen Originalität weicht. In Erinnerung bleibt Almirenas weniger berühmtes „Lascia ch’io pianga“ („Lass mich weinen“) als die fröhlich animierte Optik …