Landshut – Puccinis „La Bohème“ am Landestheater Niederbayern mit Fragezeichen

Opernkritik Puccini "La Bohéme" im Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Landestheater Niederbayern Landshut, Foto: Peter Litvai

Die traurige Liebesgeschichte der todkranken Mimi gehört zu den beliebtesten Stücken der Opernliteratur. Jetzt präsentiert das Landestheater Niederbayern eine sehr traditionelle Interpretation mit einigen Fragezeichen.

Schon die Optik irritiert durch konsequente Kontrastierung des werkimmanten französischen Flairs durch heutige Kulturlosigkeit. Regisseur Markus Bartl und Ausstatter Philipp Kiefer verlegen die atmosphärische Oper in die nüchtern schmucklose Mansarde heutiger Architekturlangeweile mit grauem Innenanstrich. Das zweite Bild draußen im Quartier Latin im und vor dem Café Momus karikiert durch faschingsbuntes Weihnachtstreiben mit Krippe und Plastikpalme à la USA und die Szenerie am Stadtrand mit Schneeschauflern in Orange, Frauen mit riesigen Einkaufstaschen Gleichschaltung durch Ordnungspflicht und Konsum. Mit einer plötzlich erscheinenden Mutter Gottes, Metapher für Mimis reine, gläubige Seele rutscht die Inszenierung ins kitschig Symbolische ab, ganz zu schweigen von Mimis Kostümierung in einer weißen Wickelschürze, in der sie wie eine robuste Krankenschwester wirkt, die der Welt das Lieben lehrt. Peter Tilch als Schaunard im Rock, ein bisschen Gender muss ja sein, ist zwar hübsch anzusehen, aber für den Operngenuss bringen diese Bildwelten wenig.

Dafür überraschen die Stimmen. Yitian Luan überstrahlt als Mimi selbst die heftigsten Fortissimi des Orchesters und sorgt mit ihrem klaren Sopran für die innigsten Momente dieser Inszenierung. Jede ihrer Arien lässt aufhorchen, betört durch ihre Innigkeit. Mit Vincent Romero als Rudolfo gelingen ergreifende Liebesduette. Emily Fultz ist eine großartige Musetta, sängerisch von furiosem Temperament mit rasanten Crescendi in hohen Tonlagen, die sie hochvirtuos, blitzschnell in ein faszinierendes Pianissimo verwandelt. Schauspielerisch herzerfrischend kokett selbst im Hosenanzug und, wenn es darauf ankommt, überaus empathisch gelingt eine durch und durch sympathische Musetta. 

Bariton Kyung Chun Kim als Marcello, noch mehr Heeyun Chois furioser Bass als Colline setzen trotz kurzer Passagen markante Akzente. Untermalt vom warmen Farbklang der Niederbayerischen Philharmonie ergeben sich wunderbare musikalische Momente, die leider durch das orchestrale Fortissimo außer Balance geraten. Dirigent Basil H. E. Colemans Faible fürs Fulminante deckt die Arien vor allem in den Höhen immer wieder deutlich hörbar zu und setzt auch beim Chor auf Volumen statt auf Wohlklang. Schade! 

Künstlerisches Team: Basil H. E. Coleman (Musikalische Leitung, Choreinstudierung ), Markus Bartl (Inszenierung), Philipp Kiefer (Bühne & Kostüme, Sunny Prasch (Choreografie)

Mit: Yitian Luan (Mimì), Emily Fultz, Claudia Bauer (Musetta), Vicent Romero (Rudolfo), Kyung Chun Kim (Marcello), Heeyun Choi, Miroslav Stričević (Colline), Peter Tilch (Schaunard), Wolfgang Gebauer (Benoît), Fritz Schneebauer (Alcindoro), Gabriel Bittner (Parpignol), der Niederbayerische Philharmonie, dem Chor und der Statisterie des Landestheaters Niederbayern