Locarno Filmfestspiele – Katharina Lüdins gelungener Debütfilm „Und dass man ohne Täuschung zu leben vermag“ 

Filmkritik Lüdin „Und dass man ohne Täuschung zu leben vermag“ präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de.s

Es wird über eine Regisseurin diskutiert, die keine Erwartungen bedienen will. „Der Film sollte mehr dürfen, als er darf.“ Und genau um die Entwicklung dieses Films kreist Katharina Lüdins Debütfilm, den sie inspiriert von Ingeborg Bachmanns Text „Und dass man ohne Täuschung zu leben vermag“ analog mit 16- mm-Film-Material drehte. Die Szenen switchen zwischen zwei Pärchen und einer kleinen Tochter hin und her. Sie enthüllen ein überraschendes Beziehungscluster und noch überraschendere Emotionen, um die eigenen Denk- und Handlungsmuster und die Folgen, wenn man sie ignoriert über den Film hinaus im Alltag zu erkennen und zu durchbrechen…

François Ozon „Mein fabelhaftes Verbrechen“

Filmkritik "Mein fabelhaftes Verbrechen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Wenn Isabell Huppert mitspielt, François Ozon Regie führt, ist man natürlich neugierig auf den neuen Film, denn beide sind Könner auf hohem Niveau in unterschiedlichsten Genres. „Mein fabelhaftes Verbrechen“ ist zunächst gewöhnungsbedürftig, beginnt als nostalgischer Unterhaltungsfilm, weitet sich zur Krimi-Komödie  und eröffnet während einer Gerichtsverhandlung doch sehr viele Parallelen zur heutigen Me-Too-Debatte…

Estebaliz Urresola Solaguren „20000 Arten von Bienen“ 

Filmkritik "20000 Arten von Bienen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der 8-jährige Coco soll aufstehen, weil die Familie in den Urlaub fährt. Er will nicht. Die Eltern wirken sehr angespannt. Die Geschwister streiten. Nichts scheint in dieser spanischen Mittelschichtfamilie zu stimmen. Doch im Mittelpunkt steht der 8-jährige Coco, der kein Junge, sondern ein Mädchen sein will. Estebaliz Urresola Solaguren Film „20000 Arten von Bienen“  war unter den Wettbewerbsfilmen der diesjährigen Berlinale. Sofía Otero bekam für ihre Rolleninterpretation den Bären für die beste schauspielerische Leistung. Jetzt ist der Film in den deutschen Kinos zu sehen… 

Petro Marcello „Die Pupursegel“

Filmkritik "Die Purpursegel" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Ein Schiff mit Purpursegeln soll Juliette aus ihrer traurigen Existenz befreien und ihr neue Horizonte an anderen Ufern eröffnen. Der Weg dahin ist beschwerlich 1919 kurz nach dem ersten Weltkrieg. „Die Purpursegel“ beginnen mit der Rückkehr eines ehemaligen Soldaten in sein karges Heimatdorf in der Normandie. Seine Frau starb nach einer Vergewaltigung. Fürsorglich kümmert er sich um die kleine gemeinsame Tochter…

Franck Dubosc – „Die Rumba-Therapie“

Filmkritik "Die Rumba Therapie präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der Brautvater tanzt mit seiner Tochter und in den Drehungen wandelt sie sich zurück zum Teenager, Schulmädchen und kleinen Kind, als hätte er sie in all diesen Lebensphasen liebevoll begleitet. In Wirklichkeit finden Vater und Tochter, nachdem er die Mutter nach der Geburt des Kindes verlassen hatte, erst in dieser poetischen Schlussszene wieder zusammen.
Unter dem trivialen Titel „Die Rumba-Therapie“ eröffnet sich ganz unerwartet fern karibischer Anmache ein vergnüglich, charmant ironischer Unterhaltungsfilm, mit dem sich Franck Dubosc als Drebuch- und Dialogautor, als Regisseur und vor allem als Schauspieler bestens in Szene setzt…

Axel Ranisch „Orphea in Love“

Filmkriti "Orphea in Love" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der Orpheus-Mythos faszinierte über Jahrhunderte hinweg berühmte klassische Komponisten wie Monteverdi, Gluck und Offenbach. Jetzt ist er mit „Orphea in Love“ in einer wunderschön poetischen Version im Kino angekommen. Aus der schnöden Realität eines Callcenters entführt Regisseur Axel Ranisch in Kooperation mit der Bayerischen Staatsoper, BR-Klassik und Arte in eine moderne Version des Orpheus-Mythos, der seit der Antike eine Hommage an die große Liebe ist…

„Elene Naveriani „Blackbird, Blackbird, Blackberry“ – ein berührender Film aus Georgien

"Blackbird, Blackbird, Blackberry" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Eine Frau pflückt wilde Brombeeren, schaut einer Amsel nach und rutscht einen Steilhang hinunter, kann sich aber mit letzter Kraft wieder hochziehen. Sie hat einen kleinen, sehr ordentlichen Laden in einem schäbigen Dorf, in dem die Hähne um die Wette krähen, die Fensterläden schief hängen und die Kinder auf den Teppichstangen turnen. Ein Lieferant bringt neue Ware und ganz unerwartet verführt Etero ihn. Ihre Blicke berühren sich. Zwei Seelen haben sich gefunden. Aber niemand soll es wissen.Ganz aus der Perspektive der Frau gefilmt, erlebt man in „Blackbird, Blackbird, Blackberry“, wie plötzlich das Leben einer Frau von Liebe durchleuchtet wird…

Christoph Hochhäusler „Bis ans Ende der Nacht“ – ein Film noir unserer Zeit

Filmkritik "Bis ans Ende der Nacht" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Partystimmung zu Beginn, ein halbes Happyend am Schluss, dazwischen eine Story über Antihelden ganz in der Tradition des Film noir in Hell-Dunkel-Kontrasten im großstädtischen Umfeld Frankfurts. Unter der braven Kategorie Heimatfilm verbirgt sich eine Mischung aus Liebesgeschichte und Drogen-Tatort. Was den Film „Bis ans Ende der Nacht“, Wettbewerbsfilm der diesjährigen Berlinale, letztendlich interessant macht, ist  allein die Genderthematik…

Angela Schanelec „Music“ – eine neue Ödipus-Variante

Filmkritik "Music" von Annette Schantelec präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Das Kinoplakat, junge Leute unterwegs in einer alten Rostkiste, lässt zusammen mit dem Filmtitel „Music“ einen Unterhaltungsfilm assoziieren. Weit gefehlt! Angela Schanelecs Film, einer der Wettbewerbsfilme der diesjährigen Berlinale, entzieht sich ganz der erzählerischen Logik. Die Kamera springt von Szene zu Szene, fokussiert auf die Haltung, Gestik, vor allem auf den Blick der Personen, woraus sich wie beim Puzzle allmählich die komplexe Geschichte der menschlichen Beziehungen erschließt. Hilfreich ist es sicher, die Geschichte im Vorfeld zu kennen, um tatsächlich die Bezüge zum Ödipus-Mythos zu erkennen…

Frauke Finsterwalder „Sisi & Ich“

Filmkritk "Sisi & Ich" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Nicht Sisi steht im Mittelpunkt, vielmehr ihre neue Hofdame Irma, Gräfin Sztáray. Um deren Ich kreist der Film, in dem Frauke Finsterwalder entlang der reichlich bekannten Details aus dem Leben der österreichischen Kaiserin die Wurzeln gendermäßiger und gesellschaftlicher Entwicklungen entdeckt. Männer sind schrecklich. Frauen verstehen. Schönheit bedeutet Entsagung. Drogen und Reisen als Narkotikum gegen Langeweile. Nichts wird erklärt, sondern alles erklärt sich aus wunderschön ästhetischen Bildern, die durch die eleganten Kostüme und den Soft-Trip-Hop-Song „Wandering Star“ fließende Übergänge zum heutigen Lebensgefühl schaffen, weshalb wohl auch Sisi nicht wie gewöhnlich geschrieben wird… 

„Anne-Sophie Mutter“ – Dokumentationsfilm von Sigrid Faltin

Filmkritik "Anne Sophie Mutter Vivace" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Das Beste, was Deutschland hat“… „Sie ist einfach ein Genie“…“eine Weltklasse Violinistin“. Anne-Sophie Mutters Renommee ist nicht zu überbieten. Ihr 60. Geburtstag ist Anlass für einen Dokumentarfilm, keine einfache Aufgabe, da Anne-Sophie Mutter nicht gern über Privates spricht. Filmemacherin Sigrid Faltin entschied sich für ein Porträt über Archivaufnahmen und Gesprächsrunden. Dafür wünschte sich Anne-Sophie Mutter nicht nur ihre Musikerfreude wie den Komponisten Jörg Widmann, den Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim, ihren langjährigen Begleiter auf dem Klavier Lambrecht Orkis und den Filmkomponisten John Williams (u.a. „Star Wars“), sondern auch Tennisstar Roger Federer und den New Yorker Magier Steve Cohen.

Der Film zeigt durch die Archivaufnahmen, wie Anne-Sophie Mutter sich entwickelt hat, durch die Gespräche, wie sie wirken will, fröhlich, kommunikativ, weltreisend, durch und durch von der Musik beseelt und gleichzeitig bodenständig, naturverbunden und jugendlich sportlich. „Ich bin, wenn überhaupt, eine fröhliche Legende“ nach ihrer eigenen Vermarktungsstrategie…

Reiner Holzemer – „Lars Eidinger – Sein oder nicht sein“ – ein fulminantes Schauspielerporträt

Filmkritik "Lars Eidinger Sein oder nicht sein" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Als Exhibitionist wird er oft auf der Bühne wahrgenommen. Woher kommt die eruptive Energie Lars Eidingers? Genau dieser Frage geht er in seinem Filmporträt nach. Er zeigt an einigen Best-of-Rollen auf der Bühne und in Filmen, vor allem als Jedermann in Salzburg, Hamlet und Richard III. an der Schaubühne, warum er so ein besessener Darsteller ist. Seine Gratwanderung zwischen bejubelt und missverstanden inszeniert er, wie wäre es anders zu erwarten, mit großartiger Theatralik durch den sachlichen Blick des Dokumentarfilmers Reiner Holzemer…

Christian Petzold  – „Roter Himmel“ – eine Filmmetapher über Liebe und Romantik

Filmkritik "Roter Himmel" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Die Arbeit lässt es nicht zu“, ist Leons Standardformel, um sich selbst auszuschließen. Während die anderen in der Ostsee baden, auf das Meer blicken, sitzt er im Garten und schreibt an seinem zweiten Roman. Ganz langsam kristallisiert sich heraus, wer in Christian Petzolds Sommergeschichte „Roter Himmel“ die anderen sind. Das Waldfeuer flammt auf. Stärker ist die Liebe…