Franck Dubosc – „Die Rumba-Therapie“

Filmkritik "Die Rumba Therapie präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der Brautvater tanzt mit seiner Tochter und in den Drehungen wandelt sie sich zurück zum Teenager, Schulmädchen und kleinen Kind, als hätte er sie in all diesen Lebensphasen liebevoll begleitet. In Wirklichkeit finden Vater und Tochter, nachdem er die Mutter nach der Geburt des Kindes verlassen hatte, erst in dieser poetischen Schlussszene wieder zusammen.
Unter dem trivialen Titel „Die Rumba-Therapie“ eröffnet sich ganz unerwartet fern karibischer Anmache ein vergnüglich, charmant ironischer Unterhaltungsfilm, mit dem sich Franck Dubosc als Drebuch- und Dialogautor, als Regisseur und vor allem als Schauspieler bestens in Szene setzt…

Axel Ranisch „Orphea in Love“

Filmkriti "Orphea in Love" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der Orpheus-Mythos faszinierte über Jahrhunderte hinweg berühmte klassische Komponisten wie Monteverdi, Gluck und Offenbach. Jetzt ist er mit „Orphea in Love“ in einer wunderschön poetischen Version im Kino angekommen. Aus der schnöden Realität eines Callcenters entführt Regisseur Axel Ranisch in Kooperation mit der Bayerischen Staatsoper, BR-Klassik und Arte in eine moderne Version des Orpheus-Mythos, der seit der Antike eine Hommage an die große Liebe ist…

„Elene Naveriani „Blackbird, Blackbird, Blackberry“ – ein berührender Film aus Georgien

"Blackbird, Blackbird, Blackberry" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Eine Frau pflückt wilde Brombeeren, schaut einer Amsel nach und rutscht einen Steilhang hinunter, kann sich aber mit letzter Kraft wieder hochziehen. Sie hat einen kleinen, sehr ordentlichen Laden in einem schäbigen Dorf, in dem die Hähne um die Wette krähen, die Fensterläden schief hängen und die Kinder auf den Teppichstangen turnen. Ein Lieferant bringt neue Ware und ganz unerwartet verführt Etero ihn. Ihre Blicke berühren sich. Zwei Seelen haben sich gefunden. Aber niemand soll es wissen.Ganz aus der Perspektive der Frau gefilmt, erlebt man in „Blackbird, Blackbird, Blackberry“, wie plötzlich das Leben einer Frau von Liebe durchleuchtet wird…

Christoph Hochhäusler „Bis ans Ende der Nacht“ – ein Film noir unserer Zeit

Filmkritik "Bis ans Ende der Nacht" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Partystimmung zu Beginn, ein halbes Happyend am Schluss, dazwischen eine Story über Antihelden ganz in der Tradition des Film noir in Hell-Dunkel-Kontrasten im großstädtischen Umfeld Frankfurts. Unter der braven Kategorie Heimatfilm verbirgt sich eine Mischung aus Liebesgeschichte und Drogen-Tatort. Was den Film „Bis ans Ende der Nacht“, Wettbewerbsfilm der diesjährigen Berlinale, letztendlich interessant macht, ist  allein die Genderthematik…

Angela Schanelec „Music“ – eine neue Ödipus-Variante

Filmkritik "Music" von Annette Schantelec präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Das Kinoplakat, junge Leute unterwegs in einer alten Rostkiste, lässt zusammen mit dem Filmtitel „Music“ einen Unterhaltungsfilm assoziieren. Weit gefehlt! Angela Schanelecs Film, einer der Wettbewerbsfilme der diesjährigen Berlinale, entzieht sich ganz der erzählerischen Logik. Die Kamera springt von Szene zu Szene, fokussiert auf die Haltung, Gestik, vor allem auf den Blick der Personen, woraus sich wie beim Puzzle allmählich die komplexe Geschichte der menschlichen Beziehungen erschließt. Hilfreich ist es sicher, die Geschichte im Vorfeld zu kennen, um tatsächlich die Bezüge zum Ödipus-Mythos zu erkennen…

Frauke Finsterwalder „Sisi & Ich“

Filmkritk "Sisi & Ich" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Nicht Sisi steht im Mittelpunkt, vielmehr ihre neue Hofdame Irma, Gräfin Sztáray. Um deren Ich kreist der Film, in dem Frauke Finsterwalder entlang der reichlich bekannten Details aus dem Leben der österreichischen Kaiserin die Wurzeln gendermäßiger und gesellschaftlicher Entwicklungen entdeckt. Männer sind schrecklich. Frauen verstehen. Schönheit bedeutet Entsagung. Drogen und Reisen als Narkotikum gegen Langeweile. Nichts wird erklärt, sondern alles erklärt sich aus wunderschön ästhetischen Bildern, die durch die eleganten Kostüme und den Soft-Trip-Hop-Song „Wandering Star“ fließende Übergänge zum heutigen Lebensgefühl schaffen, weshalb wohl auch Sisi nicht wie gewöhnlich geschrieben wird… 

„Anne-Sophie Mutter“ – Dokumentationsfilm von Sigrid Faltin

Filmkritik "Anne Sophie Mutter Vivace" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Das Beste, was Deutschland hat“… „Sie ist einfach ein Genie“…“eine Weltklasse Violinistin“. Anne-Sophie Mutters Renommee ist nicht zu überbieten. Ihr 60. Geburtstag ist Anlass für einen Dokumentarfilm, keine einfache Aufgabe, da Anne-Sophie Mutter nicht gern über Privates spricht. Filmemacherin Sigrid Faltin entschied sich für ein Porträt über Archivaufnahmen und Gesprächsrunden. Dafür wünschte sich Anne-Sophie Mutter nicht nur ihre Musikerfreude wie den Komponisten Jörg Widmann, den Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim, ihren langjährigen Begleiter auf dem Klavier Lambrecht Orkis und den Filmkomponisten John Williams (u.a. „Star Wars“), sondern auch Tennisstar Roger Federer und den New Yorker Magier Steve Cohen.

Der Film zeigt durch die Archivaufnahmen, wie Anne-Sophie Mutter sich entwickelt hat, durch die Gespräche, wie sie wirken will, fröhlich, kommunikativ, weltreisend, durch und durch von der Musik beseelt und gleichzeitig bodenständig, naturverbunden und jugendlich sportlich. „Ich bin, wenn überhaupt, eine fröhliche Legende“ nach ihrer eigenen Vermarktungsstrategie…

Reiner Holzemer – „Lars Eidinger – Sein oder nicht sein“ – ein fulminantes Schauspielerporträt

Filmkritik "Lars Eidinger Sein oder nicht sein" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Als Exhibitionist wird er oft auf der Bühne wahrgenommen. Woher kommt die eruptive Energie Lars Eidingers? Genau dieser Frage geht er in seinem Filmporträt nach. Er zeigt an einigen Best-of-Rollen auf der Bühne und in Filmen, vor allem als Jedermann in Salzburg, Hamlet und Richard III. an der Schaubühne, warum er so ein besessener Darsteller ist. Seine Gratwanderung zwischen bejubelt und missverstanden inszeniert er, wie wäre es anders zu erwarten, mit großartiger Theatralik durch den sachlichen Blick des Dokumentarfilmers Reiner Holzemer…

Christian Petzold  – „Roter Himmel“ – eine Filmmetapher über Liebe und Romantik

Filmkritik "Roter Himmel" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Die Arbeit lässt es nicht zu“, ist Leons Standardformel, um sich selbst auszuschließen. Während die anderen in der Ostsee baden, auf das Meer blicken, sitzt er im Garten und schreibt an seinem zweiten Roman. Ganz langsam kristallisiert sich heraus, wer in Christian Petzolds Sommergeschichte „Roter Himmel“ die anderen sind. Das Waldfeuer flammt auf. Stärker ist die Liebe…

Todd Fields „Tár“ – ein vielschichtiges, faszinierendes Psychogramm über Musik und Cancel Culture

Ein kurzer WhatsApp-Talk über Liebe als Vorspann, zu Filmbeginn tablettengestützte Konzentration vor dem Auftritt und ein langes fachliches Interview mit der Stardirigentin Lydia Tár vor großem Auditorium, das sind die Eckpunkte des Films. Aus der Ruhe entwickelt Todd Field 21 Jahre nach seinem Durchbruch mit „In The Bedroom“ und „Little Children“ seinen dritten Film „Tár“ als ein vielschichtiges, fiktives Psychogramm über Musik und Klang, Karriere und Cancel Culture, mit faszinierender Authentizität von Cate Blanchette als Lydia Tár gespielt…

Berlinale- Sektion Encounters – „The Klezmer-Project“ weitet den eigenen Projektgedanken

Filmkritik "The Klezmer-Projekt" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Die Sektion Encounters will Gegenwart aus der Vergangenheit verstehen und visioniert in die Zukunft. In diesen Kontext passt das „The Klezmer-Project“ zumindest teilweise, denn die Vision fehlt. Klezmermusik entstand in den Stetls, den jüdischen Stadtvierteln im osteuropäischen Bessarabien, heute Teil der Ukraine und Moldaus, als Tanzmusik überbordender Lebensfreude bei Hochzeiten.
Als der frustrierte Hochzeitsfilmer Leandro Koch bei einer jüdischen Hochzeit in Argentinien die Klezmer-Klarinettistin Paloma Schachmann kennenlernt, infiziert sie ihn mit ihrem Interesse für Klezmermusik. Die Recherchen für ihr „Klezmer-Projekt“ gestalten sich schwierig. Es gibt nur ein paar alte Fotos, wenig Informationen im Verwandten- und Bekanntenkreis. Schließlich ermöglicht ein Auftrag für das Österreichische Fernsehen die Reise nach Osteuropa…

Berlinale – Sektion Wettbewerb – João Canijos „Mal Viver“ enttäuscht

Filmkritik "Mal Viver" Berlinale präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Eine Frau reinigt einen Swimmingpool, eine andere blickt anteilnahmslos, wirkt völlig emotionslos, als wäre sie in einer psychiatrischen Klinik zur Behandlung. Doch sie führt mit ihrer Schwester, der Mutter und zwei angestellten Frauen das Hotel. Als ihre Tochter zurückkehrt, werden die menschlichen Spannungen unerträglich. Warum führen sie allesamt dieses „Mal viver“?…

Berlinale – Sektion Wettbewerb – Nicolas Philiberts Dokumentation „Sur L´Adamant“

Filmkritik "Sur L`Adamant" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Die menschliche Bombe bist du / wenn du dir nehmen lässt, was dich antreibt“, ist der Refrain, den ein alter, zahnloser Typ in einem Pariser Café singt. Die anderen lachen und klatschen. Das Café ist im Adamant, eine Tagesklinik für psychisch kranke Menschen. Von außen wirkt sie wie ein schwimmendes Kongresszentrum. Die Lamellenfenster lassen Licht in die Innenräume fluten. Genau das passiert mit den Menschen in Nicolas Philiberts Dokumentation „Sur L’Adamant“…

Berlinale Special – Robert Schwentkes „Seneca – The Creation of Earthquakes“ als brutale Groteske

Filmkritik "Seneca" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Robert Schwentkes Blick auf den römischen Philosophen Seneca ist eine extrem groteske Parabel, um die unendliche Brutalität und den Irrsinn der Mächtigen darzustellen. Schon in seiner Zeit war Seneca umstritten, der als Stoiker und Dramatiker zwar die Milde lehrte, als Berater Neros zu den reichsten und mächtigsten Männern seiner Zeit avancierte und zunehmend anders handelte als er philosophierte.
Wie ein schräges Laienspielspektakel mit billig antiken Versatzstücken und pathetischem Duktus inszeniert Robert Schwentke „Seneca“ als Parabel für den Beginn des globalen Erdbebens. Immer greller und grausamer wird das Spiel, das erst bei Senecas Selbstmordversuchen  offeriert, wohin es zielt. Senecas Gedankenstrom ist scheinbar nicht totzukriegen, aber seine philosophische Botschaft ist ohne Wirkung, die kosmische Apokalypse die Konsequenz der Egomanie der Mächtigen…