Das Stück „Erste Tode – There Will Never be Another You“, geschrieben und inszeniert von Martin Jurk, kreist um den Prozess des Sterbens, das Wie und Warum und die Erkenntnis dahinter. Der erste Teil des Titels führt bewusst in die Irre, denn dem ersten Tod folgt kein zweiter „There Will Never be Another You“ deterministisch ein provoziert Widerspruch, genau das ist die Absicht des freien Theaterensembles „Die Spalter“ kann Das Stück legt den Finger auf die Wunden einer zunehmend verrohenden Gesellschaft, die der selbst der Tod keine Erlösung bedeutet.
Ein Mann (Lukas Hanus) wird wegen seiner triebgesteuerten Übergriffigkeit im Affekt erschlagen. Eine junge Frau (Özgün Güner Künier) mit multikulturellen Hintergrund bringt sich wegen der familiären Einengungen um. Weltschmerz verdichtet sich zu Selbstschmerz. Der endet im Freitod, wobei sich die Willkomm-Kultur in Seifenblasen auflöst. Eine andere Frau (Lisa-Sophia Schlüter) erhofft in romantischer Sehnsucht mit übersteigerten Erwartungshaltungen an sich selbst nach dem Tod das Leben, das sie hätte gerne leben wollen. Frustriert und ratlos sind sie alle Drei über den Tod hinaus.
©Jason Krüger
Lakonisch verkündet der zweite Teil „Wir sind Verstorbene, über dem Jordan auf der anderen Seite der Kiste“. Adäquat sind Kisten die einzigen, vielseitig nutzbaren Bühnenbauten. In der rituellen Waschung, des dritten Teils erfolgt die Einsicht aus dem Jenseits. „Es gibt keine Konflikte mehr, das ist die Hölle“.
Die Parabel vom einzigen Leben, dem man in der pessimistischen Weltsicht dieses Stücks nicht entrinnen kann, wird durch ein Kaleidoskop flott verfremdeter und parodistischer Szenen aufgepeppt, inklusive ironischer Anspielung auf Immersionstheater. Ein Zuschauer darf eine Kiste verschieben, eine gelungene Spitze gegen lächerliche Partizipation auf anderen Ebenen. Im Chor gesprochen klingt antikes Theater an, mit dem omnipräsenten Skelett barocke Vanitas. Von Trommelmusik bis E-Gitarre spannt das Stück den Bogen quer über die Kulturgeschichte. Das wirkt jung, schwungvoll, spritzig, hat Tiefgang.
2016 wurde das Berliner Theaterkollektiv „Die Spalter“ von Lukas Hanus, Özgen Güner Künier und Lisa-Sophia Schlüter gegründet. Immer auf der Suche nach kontroversen Texten, inszeniert seit 2018 Martin Jurk seine eigenen Texte. Derzeit spielt das Kollektiv in der Berliner Brotfabrik. Über Netzwerke konnte eine Tournee in einige deutschen Städte konzipiert werden, die auf Anfrage jederzeit erweiterbar ist.
Michaela Schabel