Berlin – „Erste Tode“, eine Inszenierung des Theaterkollektivs „Die Spalter“

Theaterkritik "Erste Tode" präsentiert von schabel-kultur-blog.de

Das Stück „Erste Tode – There Will Never be Another You“, geschrieben und inszeniert von Martin Jurk, kreist um den Prozess des Sterbens, das Wie und Warum und die Erkenntnis dahinter. Der erste Teil des Titels führt bewusst in die Irre, denn dem ersten Tod folgt kein zweiter „There Will Never be Another You“ deterministisch ein  provoziert Widerspruch, genau das ist die Absicht des freien Theaterensembles „Die Spalter“   kann  Das Stück  legt den Finger auf die Wunden  einer zunehmend verrohenden Gesellschaft, die der selbst der Tod keine Erlösung bedeutet.

Ein Mann (Lukas Hanus) wird wegen seiner triebgesteuerten Übergriffigkeit im Affekt erschlagen. Eine junge Frau (Özgün Güner Künier) mit multikulturellen Hintergrund  bringt sich wegen der familiären Einengungen um. Weltschmerz verdichtet sich zu  Selbstschmerz. Der endet im Freitod, wobei sich die Willkomm-Kultur  in Seifenblasen auflöst. Eine andere Frau (Lisa-Sophia Schlüter) erhofft  in romantischer Sehnsucht mit übersteigerten  Erwartungshaltungen an sich selbst nach dem Tod das Leben, das sie hätte gerne leben wollen. Frustriert und ratlos  sind sie alle Drei über den Tod hinaus.

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©Jason Krüger

Lakonisch verkündet der zweite Teil „Wir sind Verstorbene, über dem Jordan auf der anderen Seite der Kiste“. Adäquat sind Kisten die  einzigen, vielseitig nutzbaren Bühnenbauten. In der rituellen Waschung, des dritten Teils  erfolgt die Einsicht aus dem Jenseits. „Es gibt keine Konflikte mehr, das ist die Hölle“.

Die Parabel vom einzigen Leben, dem man in der pessimistischen Weltsicht dieses Stücks nicht entrinnen kann,  wird durch ein Kaleidoskop flott verfremdeter und parodistischer  Szenen aufgepeppt, inklusive ironischer Anspielung auf Immersionstheater. Ein Zuschauer darf eine Kiste verschieben, eine gelungene Spitze gegen lächerliche Partizipation auf anderen Ebenen. Im Chor gesprochen klingt antikes Theater an,  mit dem omnipräsenten Skelett barocke Vanitas. Von Trommelmusik bis E-Gitarre spannt das Stück den Bogen quer über die Kulturgeschichte. Das wirkt jung, schwungvoll, spritzig, hat Tiefgang.

2016 wurde  das Berliner Theaterkollektiv „Die Spalter“ von Lukas Hanus, Özgen Güner Künier und Lisa-Sophia Schlüter gegründet. Immer auf der Suche nach kontroversen  Texten, inszeniert seit 2018 Martin Jurk seine eigenen Texte.  Derzeit spielt das Kollektiv in der Berliner Brotfabrik.  Über Netzwerke konnte  eine Tournee in einige deutschen Städte konzipiert  werden, die auf Anfrage jederzeit erweiterbar ist.

Michaela Schabel