©Stefan Klein
Als Ort der Poesie etablierte Intendant Sven Grunert vor 32 Jahren das kleine Theater-Kammerspiele und machte es zum großen Theater moderner Inszenierungen. Gerade in diesen unruhigen Zeiten soll das Theater „ein sicherer Hafen sein, in dem bestimmte Werte wahrzunehmen sind.“ Jede Produktion in der neuen Spielzeit setzt dazu einen besonderen Schwerpunkt und zwischendurch darf es auch heiter und unterhaltsam sein. Letztendlich geht es immer darum, was das Menschsein ausmacht. Das „Suchen, Staunen und Entdecken“ der Welt ist die Basis des theatralen Schaffens.
Wie problematisch es wird, wenn Werte entschwinden, weil Systeme, denen man bislang selbstverständlich vertraute, zerbrechen, zeigt die erste Premiere…
Um die Täter-Opfer-Zuordnung geht Suzie Millers One-Woman-Stück „Prima Facie“, eines der aktuellsten Zeitgeist-Stücke, das landauf, landab gespielt wird. Eine junge Staranwältin, die sich hochgearbeitet hat, und Männer verteidigt, die wegen Vergewaltigung angeklagt sind, wird selbst MeToo-Opfer. Louisa Stroux spielt unter der Regie von Sven Grunert diese Frau, die schmerzhaft das erlebt, was bei anderen Frauen als nichtig erklärte. Es ist ein Stück, das unter die Haut geht und den Paradigmenwechsel in Sachen Me-Too deutlich vor Augen führt.
„Der geflügelte Froschgott“ klingt nach absurder Satire und ist es auch. Ingrid Lausund räsoniert in ihrem monologischen Ein-Frauen-Stück auf humorvolle Weise über Gott. Eine Frau (Leonie Thelen), die ihren Lebensmenschen durch Krebs verloren hat, switcht zwischen unterschiedlichsten religionsphilosophischen Überlegungen von Nietzsche bis Sartre. Welcher Gott ist der Richtige oder ist Gott schon tot? Theater eröffnet neue Blickwinkel und das auf eine sehr intelligente udurch die vielschichtigen Spielformen entfaltet sich eine „sehr intelligente Form der Unterhaltung“, so Theater eröffnet neue Blickwinkel.
Eine inszenierte Lesung aus Michel Friedmanns autobiografischem Buch „Fremd“ rückt seine persönliche Problematik des äußeren und inneren Fremdseins als staatenloses Kind stellvertretend für viele Flüchtlinge in den Mittelpunkt, aber ermöglicht dadurch Spiegellungen des Fremdseins, das jeder Mensch in verschiedenen Situationen in sich trägt.
Um Einsamkeit und menschliche Kälte geht es auch in Sathyan Rameshs Stück „Lélé“. Zwei treffen Menschen aufeinander, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Gemeinsamer Nenner ist das Gefangensein, sie im Gefängnis, er in der Einsamkeit seines Zuhauses. Das hat dramaturgisch versöhnliches Potential genauso wie Yasmina Rezas Stück „James Brown trug Lockenwickler“, das statt sozialer Normierung und psychiatrischer Behandlung bei abweichendem Identitätsverständnis für diverse Vielfalt plädiert.
Was macht man, wenn man Freunde loswerden will? Matthieu Delaportes sarkastische Komödie „Das Abschiedsdinner“ wäre eine Möglichkeit, allerdings mit unfreiwilligen Wahrheiten garniert.
Franziska Ball kommt mit der Gastspiel-Uraufführung von Rainer Lewandowskis „Ahoi! Lale Andersen – Leben Lieben, Lieder“ nach Landshut und singt u. a. das bislang noch nie veröffentlichte „München-Lied“, eine absolute Ausnahme im Repertoire der „personifizierten Nordsee“.
Darüber hinaus bietet das Kleine Theater ein überaus interessantes Repertoire wie „Faust 01 – Fragmente23“, „Norway Today“, „Die Wand“ oder „Heilig Abend“, erweitert durch eine Reihe von Gastspielen. Mehr Infos unter https://www.kleinestheater-kammerspielelandshut.de