Petro Marcello „Die Pupursegel“

Filmkritik "Die Purpursegel" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Rai Cinema

Frei nach dem Roman „Purpursegel“des russischen Schriftstellers Aleksandr Grins macht Regisseur Petro Marcello daraus einen magisch realistischen Historienfilm. Er fokussiert zunächst auf den grobschlächtigen Vater, der von der Dorfgemeinschaft geächtet wird, die nur zu gut weiß, was während seiner Abwesenheit vorgefallen ist. Nach außen wirkt er klobig und stumpf, aber seine Hände sind sehr geschickt im Umgang mit Holz. Wegen dieses Talents bekommt er eine Stelle, die er wieder verliert, als er dem Vergewaltiger seiner Frau in Lebensnot Hilfe verweigert. Vater und Tochter werden diskriminiert, doch zusammen mit der Ziehmutter und dem genauso armen Nachbarn leben sie Eintracht. Der Vater schnitzt wunderschöne Kinderspielzeuge, die er in der Stadt verkauft, um die kleine Familie über Wasser zu halten. Er repariert ein altes Klavier, als er Juliettes musikalisches Talent entdeckt, und sinnt seinem Leben beim Akkordeonspielen nach. Die düstere Tristesse der Nachkriegsjahre verschwindet trotz der armen Verhältnisse. Die Lage im Dorf bleibt indes angespannt. Als aus dem süßen Kind eine hübsche und musikalisch talentierte junge Frau wird, muss sich Juliette immer wieder ihrer Haut zu erwehren, weshalb sie von den Männern als Irre bezeichnet wird. Doch letztendlich geht die Prophezeiung einer alten Frau, die genauso wie Juliettes Ziehmutter an die Kräfte der Natur und Magie glaubt, in Erfüllung. Als rote Purpursegel am Horizont auftauchen, verändert sich Juliettes Leben.

In dramatischen Bildern, mit romantischer Musik und Juliettes Chansons untermalt entsteht ein melancholisches Historiendrama menschlicher Beziehungen in einer einengenden, diskriminierenden Dorfgemeinschaft, das immer in schönen Bildern unter wilden Horizonten immer wieder an der atmosphärischen Kitschgrenze entlang balanciert, vor allem in den magischen Momenten, aber auch berührend, wenn die kleinen Kinderhände die Pranken des Vaters streicheln, wenn der Vater am Grab seiner Frau Akkordeon spielt, ihr Antlitz auf einem verblichenen Bild immer wieder liebevoll betrachtet und nach ihrem Ebenbild eine Galionsfigur schnitzt.

„Die Purpursegel“, Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes 2022, ist eine romantische Träumerei mit aufgesetzten magischen Momenten mit wenig stringent entwickelten, eher märchenhaft wirkenden Nebenfiguren, ein Film für Liebhaber nostalgischer Geschichten mit Happyend. Dass der Schluss über eine Amour hinaus Juliettes Leben als selbstständige Frau zeichnet, ist wiederum eine gekonnte Schleife in die Realität und hebt den Film in die Reihe mutiger Frauen, die durch ihre Herzenswärme und Neugier ihr Leben nach ihren eigenen Talenten zu gestalten wagten.

Petro Marcellos Film „Die Purpursegel“ kommt am 6. Juli in die deutschen Kinos.

Künstlerisches Team: Petro Marcello (Drehbuch, Regie), Maud Ameline (Drehbuch) 

Mit Raphaël Thiéry (Vater), Juliette Jouan (Juliette), Noémie Lvovsky (Ziehmutter), Yolande Moreau (alte Wahrsagerin)