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„Mein Leben ist eine Oper.“ In diese Dramatik steigerte sich Maria Callas, nachdem Aristoles Onassis sie verlassen hatte, hinein. Aus dieser Perspektive…
entwickeln Steven Knight (Drehbuch) und Pablo Larrain (Regie) ein atmosphärisches Porträt der charismatischsten Operndiva des 20. Jahrhunderts. Voller Respekt und Einfühlungsvermögen beginnt der Film mit ihrem Tod und spiegelt in ihren letzten sieben Lebenstagen die wichtigsten Ereignisse ihrer Vita.
„Maria“ Callus ist nach „Jackie“ (2016) und „Spencer“ alias Lady Di (2024) die dritte ikonische Frauenpersönlichkeit, deren Leben Larrain in ungewöhnlicher Weise verfilmt und interpretiert hat. Es sind starke, gleichzeitig sehr sensible Frauen, die an den Grobheiten der Männer zerbrechen.
Raffiniert verwebt Larrain im historischen Umfeld biografische Fakten mit dramatisch aufgeladenen fiktionalen Situationen und dokumentarischen Filmaufnahmen, wobei die Schwarz-Weiß-Optik in den ansonsten sehr farbenprächtigen Szenen markante Kontraste bilden. Die Kamera umkreist die Diva aus verschiedendsten Perspektiven, dringt ein in ihre Träume und Halluzinationen.
Reglos liegt Maria Callas am 16. September 1977 auf dem Boden in ihrer herrschaftlichen Wohnung. Man sieht sie zunächst nicht, nur die Rettungstrage und betroffene Gesichter. Die Kamera vergrößert die Distanz symbolisch für die Unbedeutsamkeit weltlicher Anerkennung und übernimmt Callas’ Projekt eine Autobiografie zu schreiben. Was kann dieser Film noch erzählen, was man als Zuschauer noch nicht weiß? Es sind die psychologischen Belastungen, die Maria ausgelöst von ihrer Mutter, der Trennung von Onassis und durch ihre Stimmprobleme in die Einsamkeit und Tablettensucht stürzten.
Angelina Jolie gelingt, von den ausgeprägten Lippen abgesehen, eine optisch, schauspielerisch und stimmlich souveräne, facettenreiche Interpretation von Maria Callas. Sie offeriert unter der unnahbaren, arroganten Maske der Diva die verletzbare Frau, die sich zwar rhetorisch sehr versiert zu wehren gelernt hat, aber im Innersten ihrer Seele zutiefst verletzt ist. Durch Make-up, Kostüme, Accessoires, elegante Hüte und große Sonnenbrille verkörpert sie die Diva, mit aufgelösten Lockenhaaren im weißen Morgenmantel wird die mädchenhafte Seite der Callas vorstellbar, die der Filmtitel mit dem Vornamen „Maria“ bereits anvisiert.
Ihr soziales Umfeld beschränkt sich im Film immer mehr auf den Butler Ferruccio und das Hausmädchen Bruna, die ihre Herrin nicht nur bewundern, weil sie das müssen, sondern sich wie Vater und Mutter um sie kümmern. Nach vier Jahren Auftrittspause bleibt Maria Callas aus der Opernwelt nur noch der Korrepetitor als wohlgesinnter Freund, mit dem sie ihre Stimme für ein mögliches Comeback austestet. Mit einem phantasierten Filmteam, dessen Moderator sie nach einem ihrer Psychopharmaka benennt, spaziert sie durch Paris, dessen attraktive Plätze sich ganz unerwartet in Opernszenen verwandeln, zu denen Callas‘ großartige Arieninterpretationen eingespielt werden. Angelina Jolie singt auch selbst. Nach nur sechs Monaten Gesangsunterricht übernahm sie die Passagen, in denen Maria ihre Stimme testen will, wodurch die Problematik von Callas brüchiger Stimme sehr authentisch wirkt. zumal der Soundtrack nahtlos in die eingespielte Perfektion der Originalstimme Marias Seelendrama immer wieder hörbar macht. Sie will keine zweite Karriere machen. Die Mutter hatte sie zum Singen gezwungen. Onassis hasste die Oper. Jetzt will sie nur noch für sich selbst als Ausdruck der Freiheit singen.
Doch die Erinnerungen, die Begegnungen mit Onassis, der Blick auf Jackie Kennedy, das Treffen mit John F. Kennedy erzählen eine andere Geschichte, eine von zutiefst verletzten Gefühlen und stigmatisierendem Ausgegrenztsein, was durch Marilyn Monroes collagiertes berühmtes Geburtsständchen für den US-Präsidenten noch verstärkt wird. Das wiegt letztendlich mehr als die triumphalen Erfolge in der Mailänder Scala und erklärt Callas‘ dominantes Auftreten und ihre Sucht nach Anerkennung.
Im Umgang mit dem Personal wird Marias Vereinsamung deutlich. Das Hin- und Herschieben des Flügels avanciert zu einem Running Gag, die an Dinner-for-One erinnert. Ihr Vorsingen während Bruna ein Omelette durch die Luft wirbelt, enthüllt die ganze Misere von Marias beruflichem Scheitern. Noch schlimmer sind die Kindheitserinnerungen, als die Mutter sie und ihre Schwester während der Besetzung Griechenlands durch die Nazis zwang für deutsche Soldaten zu singen und zu zeigen, was sie sonst noch konnten. Maria reflektiert ihre Beziehung zu Onassis. Er, der Hässliche, wie er sich selbst bezeichnete, trat in ihr Leben, weil er die vollendete Schönheit liebte und gewohnt war, sich zu nehmen, was er wollte. Obwohl er sie verdinglichte, war er für sie die große Liebe. Bei ihm konnte sie wieder ein Mädchen sein. In einem Tagtraum phantasiert sie sich ein ebenbürtiges Liebesgeständnis im Sterbebett von ihm. Sie arrangiert sich mit ihrer Depression. Große Musik entstand immer aus dem Tragischen, eine Steilvorlge für Larrain, der eine Filmhommage präsentiert, die den Blick auf die Operndiva sehr würde- und respektvoll weitet. Völlig unbegreilich ist allerdings das kontraproduktive Kinoplakat, das Besucher eher abwehrt als für den Film wirbt.
Künstlerisches Team: Steven Knight (Drehbuch), Pablo Larrain (Regie), John Warhurst (Komponist). Edward Lachman (Chef-Kameramann), Sofia Subercaseaux (Chef-Cutterin), Massimo Cantini Parrinig (Chef-Kostümbildnerin)
Mit: Angelina Jolie (Maria Callas), Pierfrancesco Favino (Ferruccio), Alba Rohrwacher (Bruna), Halu Bilginer (Aristoteles Onassis) u.a.