„Haze“, 2022, Michelle Jezierski ©Michelle Jezierski, Foto: Michaela Schabel 

„At the Seams“, bis zu den Nähten, wirken die Bilder wie Collagen, sind aber bildflächig gemalt. In manchen Arbeiten blickt man durch gleich breite Streifen trotz ähnlicher Farbigkeit wie durch ein Gitter in die Ferne dahinter. In anderen Bildern mit unterschiedlich breiten Streifen ergeben sich Vergrößerungseffekte von Details, wobei allerdings keine exakten Verortungen aufspürbar sind. 

„Reset“, 2021 ©Michelle Jezierski, Foto: Michaela Schabel 

Dahinter steht konzeptionell die Verbindung zweier sehr gegensätzlicher Kunstrichtungen, insbesondere des „Abstrakten Expressionismus“ mit “Hard Edge“- Malerei der 1960er Jahre, wodurch die freie, entfesselte Malerei durch strenge Formgebung, in Michelle Jezierskis Fall die Streifenstrukturen, stark eingegrenzt wird. Durch sehr flüssigen, teilweise transparenten, an Aquarelle erinnernden Farbauftrag intensiviert sie die Kontraste zu den geometrischen Einengungen und dynamisiert sie gleichzeitig, indem sie die Farbstreifen leicht verschiebt, wodurch die Farbflächen regelrecht in Bewegung geraten und Landschaftsstimmungen im ständigen Werden und Vergehen erlebbar werden.

Blau als oft vorherrschende Farbe lässt Horizont und Wasserbewegungen assoziieren. Verdunkelt es sich, entstehen düstere Wolkentürme kombiniert mit orange-gelb-roten Farbflächen bauen sich atmosphärische Dämmerungsszenarien auf. Betrachtet man die Bilder ganz nah entdeckt man als dynamisierende Stilmittel durch den dünnen Farbauftrag noch die Strukturen des Untergrunds und der ausfasernden Pinselstriche. Trotz der formalen Stereotypie wirkt jedes Bild individuell und entwickelt eine eigene atmosphärische Aura. 

Die Ausstellung „At the Seams“ ist in der Galerie Jahn noch bis 28. Oktober zu sehen. 

Michelle Jezierski (*1981 Berlin) studierte an der Universität der Künste Berlin bei Tony Cragg und machte 2008 ihren Abschluss an der Cooper Union New York. Sie lebt und arbeitet in Berlin.