München – „Tristan und Isolde“ in der Staatsoper

Operkritik "Tristan und Isolde" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Wilfried Hösl

Jonas Kaufmann und Anja Harteros zeigen in diesen überaus langen und komplexen Partien, einmal mehr, was sie können. In Hosen wirkt sie als Isolde zunächst unnahbar, später in roter Robe als Projektionsfläche der Leidenschaft und weiblicher Fixpunkt, der das männliche Umfeld in ein Schmachten voller Sehnsucht treibt. Großartig singt Anja Harteros diese Partie, zeigt auch in tieferen Lagen Expression und überstrahlt mit ihrem Stimmvolumen selbst die wuchtigsten Forte des Orchesters.

Jonas Kaufmann beweist, dass er nach zwei Stunden Einsatz noch die Kraft hat, diese enorme Partie differenziert zu interpretieren.  In den mittleren Lagen des zweiten Akts entstehen wunderschöne lyrische Momente, sind die langen Duette mit Anja Harteros sehr differenziert, überaus präzise ausbalanciert. Die Höhenlagen gelingen, aber sie bleiben oft blass. Hier fehlt wagnerianisches Stimmcharisma, zumal es gerade in den Nebenrollen par excellence zur Wirkung kommt. Okka von der Damerau als Brangäne hat fürwahr wagnerianische Strahlkraft genauso Mika Kares durchdringlicher Bass, nicht minder Wolfgang Koch als Kurwenal. 

Weniger faszinierend ist die Inszenierung. Für Wagners sehnsuchtsvollste Oper bietet sich zwar eine ruhige Szenerie durchaus an. Dass allerdings Krzysztof Warlikowski (Regie) und Małgorzata Szczęśniak (Bühne, Kostüme) Wagners Liebesleid-Endlosschleifen durch optische Retardierung bis zur statischen Bewegungslosigkeit in wuchtig holzgetäfeltem Art-Deco-Raum mit arrangierten Puppenszenen spiegeln, rückt diese Version von „Tristan und Isolde“ weniger in traumatische Vielschichtigkeit als an den Rand der Langeweile, wäre da nicht der zweite Akt. Hier werden durch Kamil Polaks Schwarz-Weiß-Video die latenten Begehrlichkeiten wie in einem Film Noire raffiniert in Szene gesetzt.

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©Wilfried Hösl

Während Isolde und Tristan nach zuwendender Geste jeder für sich in einen Ledersessel gekauert vor Liebessehnsucht fast verschwinden, erwartet sie ihn im Film in einem Hotelzimmer. Stocksteif sitzen sie später eineinhalb Meter voneinander entfernt auf der Bettkante. Selbst im Liegen wagen sie nur sich an der Hand zu fassen, dafür aber den Freitod durch Vergiften. Am Ende der Oper taucht dieses Motiv noch einmal auf. Ein Sarkophag gibt den Blick frei auf das Bett darunter. Isolde und Tristan blicken sich an, während sie vom Wasser überflutet werden. So entsteht zumindest im zweiten Akt ein  subtil stimmiges Gesamtkunstwerk und es verwundert nicht, dass das Publikum dann trotz langatmigen Passagen sehr begeistert applaudiert.