„Die Wettermacher“ – ein Dokumentarfilm von Stanislaw Mucha

Film "Die Wettermacher" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©W-Film Distribution

Eine dunkle Wolke verdüstert die polare Eishelligkeit. „Manche Wolken sind wie die Frauen. Wenn sie sich verziehen, kommt Schlimmeres nach.“ In Stanislaw Muchas Dokumentarfilm wird das Wetter zum Symbol menschlicher Beziehungen, die ein Erzähler aus dem Off  charakterisiert, dazwischen Originaltöne und immer wieder das Stürmen des Windes, das Knacken des Eises, die Geräusche des Alltags, beim Hacken von Wasserlöchern und beim Wegschaufeln des Schnees, um an die Vorräte zu kommen. Nur einmal im Jahr kommt das Versorgungsschiff, von wo aus zwei Hubschrauber Lebensmittel und Ölfässer für das Überleben zur Wetterstation bringen. 

Wer sich auf diese Posten freiwillig meldet, hat ein Strafregister, ein Kriegstrauma oder Schulden, zieht das Leben in der absoluten Einsamkeit einem Gefängnis, einer Klinik vor oder nimmt es in Kauf, um mehr zu verdienen.

Als Stanislaw Mucha anreist, ist das Team ganz neu. Der Chef, der die Station 20 Jahre lang leitete, hatte sich in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen. Sein Nachfolger Wladimir wurde strafversetzt, weil auf seiner ehemaligen Station eine Frau ums Leben kam. Jetzt lebt er mit dem Ehepaar Sascha und Alexandre auf engstem Raum in der schäbigen Wetterstation mit Blick auf den Leuchtturm. Trotzdem wirkt alles sehr friedlich.

Die Kamera fokussiert mehr auf die Menschen als auf die Landschaft. Auch wenn nichts passiert, zwischen Messungen und Kochen ein Tag wie der andere verläuft, erzählen die Gesichter vom Glück, wenn sie ein traditionelles Volkslied hören, oder von der Sorge konfrontiert mit nicht funktionierenden Geräten oder verrotteten Vorräten.

Ab und zu kommen Wassili, der Nachbar, vorbei oder die Nomaden, um ihre Beute zu verkaufen. Die Tiere lassen sie sofort ausbluten, im Zoom eine grausige Angelegenheit. Die Skelette liegen im Schnee wie Mahnmale des Todes herum. Die verrosteten Ölfässer verstärken den Eindruck der Ödnis. Kein einziges wurde in den letzten Jahrzehnten vom Versorgungsschiff mitgenommen. 

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Das Wetter scheint konstant zu bleiben, wenn Sascha und Alexandre die Daten der früheren Wettermacher vergleichen. Doch sie selbst bemerken die Veränderungen, weil die Eisbären immer gefährlicher werden. Das Eis taut und auf den Schollen kommen sie wie mit einem Taxi zur Wetterstation. Die Zeiten ändern sich und auch das Leben dieser drei Wettermacher. 

Als Alexandre wegen Zahnschmerzen mit dem Schlitten zur nächsten Stadt fährt, was hin und zurück 14 Tage dauert, wird Wladimir übergriffig. Er hat seine Version, sie die ihre, untermauert von einem schmerzenden Handgelenk, als Wladimir sie am Boden durch das Zimmer schleifte. Wladimir verschwindet. Sascha und Alexandre leiten die Station allein und schichten die Fässer ordentlich auf, als „hoher Besuch“, sprich das Versorgungsschiff kommt. Ihre Klage gegen Wladimir wird ignoriert. Nichts ändert sich während der Filmaufnahmen, erst danach. Wladimir lebt inzwischen in einer anderen Wetterstation. Sascha und Alexandre haben ihren Beruf aufgegeben. Nachbar Wassili starb zu Beginn der Corona-Krise am russischen Impfstoff Sputnik. „Die Wettermacher“ dokumentiert unspektakulär, wie wenig sich doch in dieser entlegenen Region die Zustände des einstigen Sowjetregimes geändert haben.