Berlin – „Herlinde Koelbl. Angela Merkel. Portraits 1991-2021“

"Herlinde Koelbl. Angela Merkel. Portraits 1991-2021" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©DHM, Mathias Völzke

Immer in der gleichen Pose fotografiert, ohne irgendwelche Insignien der Macht, frontal, mit Blick in die Kamera, größtenteils Halbporträts, in der üblich dezenten Kleidung sind es die subtilen Stimmungen der Augen, die Angela Merkel als Mensch dem Betrachter näher bringen. Jedes Bild bis auf das mit Mundschutz zu Beginn der Pandemie 2020 ist mit einem ihrer Zitate unterlegt. So wird die Ausstellung zu einer nachdrücklichen Retrospektive Angela Merkels von der jungen Politikerin bis zur Grande Dame der Politik, deren Statements im Rückblick auch ohne Hinterfragungen sehr nachdenklich machen.

Ihr heller Blick ist über 30 Jahre hinweg der gleiche geblieben. Die Kleidung hat sich kaum verändert. Die kleinen und großen Karos ihrer Hosenanzüge verschwanden. In den Schwarz-Weiß-Fotografien treten sie durch die bevorzugten Einheitsfarben als Grauabstufungen noch mehr in den Hintergrund. Wichtig sind allein die Nuancen des Gesichtsausdrucks, der zwischen Lächeln und Ernst, zuweilen müde, abgespannt wirkt, mit einem Schimmer der Ohnmacht, auch wenn die Haltung größere Stabilität signalisiert. 

Schmal ist ihr Mund 2016 unterlegt mit ihrem zurechtrückenden Zitat. „Ich habe im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Aussage ‚Wir schaffen das‘ darauf hingewiesen, dass wir in Deutschland schon viel geschafft haben.“  Drei Jahre später bekennt sie ehrlich  „Tue ich das Richtige? Tue ich es, weil es richtig ist, oder nur, weil es möglich ist?“  

Die junge, unbeschwerte Angela Merkel zeigt Herlinde Koelbl in einer eng gehängten Collage von angeschnittenen kleinen quadratischen Porträts. Wie stark sie sich entwickelt hat, eröffnet der Vergleich von drei Vollporträts mit ihrer symbolischen Handhaltung zwischen 2006 und 2021.

"Herlinde Koelbl. Angela Merkel. Portraits 1991-2021" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©DHM, Mathias Völzke

Noch nachdrücklicher werden die Porträts über eine Videoinstallation  mit Ausschnitten aus Interviews, die Herlinde Koelbl mit Angela Merkel führte. Die jährliche Frage „Was haben Sie gelernt“ verweist  auf Angela Merkels ständigen Entwicklungsprozess. Am Ende ihrer Kanzlerzeit konstatiert Angela Merkel  auf die Frage, was folgt, „es ist alles offen.“ Dass sich die Probleme in Deutschland jetzt derart übereinander türmen, hat viel mit Angela Merkels Politik zu tun.

Herlinde Koelbl (*1939 Lindau) zählt zu den renommiertesten deutschen FotokünstlerInnen, nicht zuletzt durch ihre fotografischen Langzeitprojekte, oft ergänzt durch Gespräche und Videos. Ihre Fotografien wurden in zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt und sind in vielen Sammlungen vertreten. Über eine Dutzend Fotobücher publizierte Herlinde Koelbl. Für ihr Schaffen wurde sie mehrfach ausgezeichnet. 

Die Ausstellung „Herlinde Koelbl. Angela Merkel. Portraits 1991-2021“ ist noch bis 4. September 2022 im Historischen Museum Berlin zu sehen. Der gleichnamige Bildband ist über den Taschen Verlag zu beziehen.