Guy Nattivs, Zar Amir Ebrahimis Film „Tatami“ – vom Sport- zum Politthriller 

Filmkritik "Tatami" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Ein Bus mit Kopftuchfrauen? Eine mit Kopfhörer und dröhnender Technomusik fällt auf. Wohin die Reise geht, wird in der nächsten Szene klar. Judokämpferin Leila Hosseini soll bei der Weltmeisterschaft im georgischen Tiflis die Goldmedaille für den Iran holen, aber die Story des lakonischen Sportthrillers nimmt eine unerwartet politische Wende…

©Judo Production LLC / Juda Khatia Psuturi

Man weiß, mit welchen Repressalien Leistungssportlerinnen hinter den Kulissen zu kämpfen haben. Der Sportthriller „Tatami“ lässt das Publikum die harten Bandagen des iranischen Systems miterleben. Es ist ein bewegender Film, der die Unerbittlichkeit des Mullahregimes einmal mehr deutlich macht. „Wir sind nur Werkzeug“, überwacht vom Sicherheitsdienst, ist die bittere Erkenntnis der Judokämpferin Leila Hosseini, ausdrucksstark und authentisch von Arienne Mandi gespielt. Hosseini gewinnt einen Kampf nach dem anderen. Sie überrascht durch extreme Fitness und technische Raffinesse. Sie gilt als Favoritin. 

Umso  fassungsloser ist sie, als von ihrer Trainerin Maryam die Order bekommt nicht mehr weiter zu kämpfen, um eine mögliche Niederlage gegen die israelische Favoritin im Endkampf auszuschließen. Hosseini kämpft trotz immenser Bedrohungen auf ihre Familie weiter, ohne die psychische Unterstützung der Trainerin Maryam. Als ehemalige Judoka hat nicht nur die fiktive Trainerin, sondern auch ihre Darstellerin, die iranische Schauspielerin und Ko-Regisseurin des Films Zar Amir Ebrahimi ganz Ähnliches erlebt und weiß nur allzu gut, was es bedeutet gegen die Regeln des Systems zu verstoßen. Sie will ihre Haut retten. „Wir vertreten den Iran. Wir müssen die Regeln einhalten.“ In ihrem Minenspiel, vor allem in ihren Augen spiegelt sich ihre existentielle Angst, die sie durch Hosseinis Unbeirrbarkeit ergreift. 

Was in Hosseini vorgeht, zeigen die extremen Aufwärmphasen, geputscht von den Techno-Rhythmen, ihre Kampfduelle, ihr Gesicht ganz nah gezoomt oder aus der Vogelperspektive auf dem großen Quadrat der Tatamis, kommentiert von einer Sportreporterin, die von dem politischen Bedrohungen nichts weiß, nur immer häufiger bemerkt, wie „angeschlagen“ Hosseini ist.

Durch die Kameraführung Todd Martins wirken die Räumlichkeiten des georgischen Sportpalasts (1961) wie der Sicherheitstrakt eines Gefängnisses. In Schwarz-Weiß und engen 4:3-Format gefilmt gelingt dem Regieteam in Anlehnung an den realen Fall des iranischen Judoka Said Mollaei, der als Titelverteidiger bei der Judoweltmeisterschaft 2019 in Tokio hätte zurücktreten sollen, ein beeindruckender Sportthriller, der sich zum Politthriller weitet. Die Übergriffigkeit des iranischen System an weiblichen Judokars festzumachen, fokussiert gleichzeitig auf die problematische Stellung der Frauen. 

Dass die Menschen anders sind, als ihre Regime zeigt das Regieteam. Guy  Nattiv wuchs in Israel auf und lebt seit Jahren in Los Angeles. Die iranische Filmschauspielerin Zar Amir Ebrahimi floh wegen eines fingierten Sexskandals aus dem Iran nach Paris. In Abwesenheit wurde sie zu 99 Peitschenhieben verurteilt. Öffentliche Sexszenen werden nun mit Todesstrafe geahndet. 

Künstlerisches Team: Guy Nattiv, Elham Erfani (Drehbuch), Guy Nattiv, Zar Amir Ebrahimi (Regie), Todd Martin (Kamera)

In den Hauptrollen: Arienne Mandi (Leila Hosseini Zar Amir Ebrahimi (Trainerin Maryam), Jaime Ray Newman (Stacey Travies)