Landshut – „Sweet Charity“ als beschwingtes Musical am Landestheater Niederbayern

Musicalkritik "Sweet Charity" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Landestheater Niederbayern, Foto: Peter Litvai

„Ein schnödes, schrulliges Schicksal“ in den 1960er Jahren spiegelt das Taxigirl Charity. Was macht die Story heute noch interessant? Es ist wohl die nicht endende Sehnsucht nach Liebe und trotz aller Emanzipation die Füller immer noch vorhandener psychischer und sozialer Hindernisse. Was aber den Charme der Landshuter Inszenierung ausmacht, ist das Multitalent von Katharina Elisabeth Kram. Sie tanzt und singt wie ein Revuegirl erster Klasse, wandelt sich von einer Sekunde zur anderen vom hausbackenen Frauchen im beigen Mantel in ein heißes, rot glitzerndes Taxigirl, das ständig in Anspielung auf die Verfilmung 1969 mit Shirley MacLaine zwischen sexy und bieder chargiert. Jede Bewegung sitzt. Mit Hut, mit Stock im Spotlight gelingen wunderbare Revuenummern. Aufgelesen von Filmstar Vittorio Vidal schimmert Pretty-Woman-Atmosphäre durch, im Lift schauspielerisch skurrile Beckett-Endzeitstimmung. Julian Ricker glänzt als sympathischer Filmstar, der auch singen kann. Kirstin Schneider parodiert dessen hysterische Geliebte und flankiert zusammen mit Riccarda Schönersted das Charity-Trio. 

Regisseur Stefan Tilch inszeniert Bob Fosses mit 12 Awards ausgezeichnetes und verfilmte Musical milieugetreu im schäbigen Brauntönen (Ausstattung Charles Cusick Smith und Philip Ronald Daniels).  Ohne großen Aufwand je nach Lichteinstellung  wandeln sich niedere Räumlichkeiten, kleine Bühne, langer Tresen in Varieté-Clubs oder in eine Kirche bzw. U-Bahn.  Durch kleine Details gelingen ironische Aktualisierungen. Die Passanten, Durchschnittsbürger, also genau die Schicht, die Charity anpeilt, beobachten ungerührt, wie sie zu ertrinken droht. Ein Ausländer rettet sie und bekommt dafür nicht einmal ein Dankeschön. Mit weiß-blauen Luftballons werden die Ambitionen der neuen spirituellen Kirchengemeinschaft via Himmel konterkariert.

Tänzerisch bringt Choreografiin Sunny Prasch das Ensemble auf ein flottes, in sich stimmiges Niveau.

Musicalkritik "Sweet Charity" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Landestheater Niederbayern, Foto: Peter Litvai

Die Originalmusik seines Namenskollegen Cy Coleman setzt Basil H.E. Coleman mit Musikern der Bayerischen Philharmonie und Gästen überaus rasant und zackig um, so dass die großen Songs wie „Big Spender“, „If my Friends Could See Me Now“ oder „Sweet Charity“ gut zur Wirkung kommen. Musik, Gesang und Tanz garantieren einen vergnüglichen Theaterabend. Eine Übertitelung der Songs wäre trotz ihrer Bekanntheit gut gewesen. 

Künstlerisches Team: Stefan Tilch (Regie), Basil H. E. Coleman (Musikalische Leitung), Sunny Prasch (Choreografie), Carles Cusick Smith und Philip Ronald Daniels (Ausstattung), Dana Dessau (Dramaturgie) 

Mit: Katharina Elisabeth Kram, Julian Ricker, Stefan Merten, Joachim Vollrath, Riccarda Schönerstedt, Kirsten Schneider, Erika Del Re, Astrid Nowak, Samantha Senn, Julian Stöcklein, Timo Balzli, Luciano Mercoli, Daniel-Erik Biel 

"