Landshut – Shaffers „Amadeus“ im Landestheater Niederbayern

Theaterkritik Shaffers "Amadeus" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Peter Litvai/Landestheater Niederbayern

Durch Stefan Tilchs exzellente Besetzung und empathische Personenregie, raffinierte Musikeinspielungen  gelingen facettenreiche Psychogramme von Mozart, Salieri und Constanze, über Kaiser, Grafen, Venticelli eine liebenswürdig komödiantische Satire des Wiener Hofes und in Salieris Eifersucht mit Mozart die große existenzielle Auseinandersetzung mit Gott. Stefan Tilch hält nicht nur Peters Shaffers „Amadeus“ auf Erfolgskurs, er eröffnet  dem Theaterpublikum gleichzeitig die großartige Musik Mozarts und  seine kompositorische Genialität.

Dorothee Schumacher und Lutz Kemper schaffen durch ein schnell wandelbares atmosphärisches Ambiente zwischen höfischer Pracht und existentiellem  Nichts, zwischen historischem Aufgeputztsein und geistiger Umnachtung Raum und Kostüme für die dramatische Zuspitzung der Geschehnisse.

Der gruselige Beginn lässt bereits an das Ende denken, dazwischen ist zuerst einmal fröhliches Spiel angesagt, wobei die  Bewunderung für Mozart schnell in Neid und Konkurrenz, immer mehr in zerstörerische Intrigen  und Hader mit Gott umschlägt.

Grandios spielt Jochen Decker diesen Salieri.  Er offeriert diesen Höfling in dessen Seelenqualen zwischen grenzenloser Bewunderung und existenziellem Neid. Sobald Salieri Mozarts Musik hört,  wird er endorphinisiert, das Geschehen von tanzenden Punkten überstrahlt und überblüht. Salieris Seele entschwebt in Mozarts Musik und gleichzeitig formieren sich seine Rachepläne. Im Lichtkegel nächtlicher Szenerie wird Jochen Deckers Salieri zur Beckettschen Figur, von Gott verlassen. In Salieris Monologen mit Gott eröffnet Jochen Decker die  Seelenabgründe eines Benachteiligten, der Gott den Kampf ansagt, den Konkurrenten durch Intrigen in den Tod treibt, was zwar historisch nicht stimmt, aber menschlich durchaus nachvollziehbar ist.

Und das Genie Mozart, ganz in seiner Musik verortet, durchschaut nichts. Julian Ricker spielt ihn mit entwaffnender Naivität und Asperger-Syndrom, als sympathischen Zappelphilipp, mit etwas spastischer Motorik, vorlaut und direkt, jauchend hinter Constanze hinterdrein laufend oder ihr zu Füßen.

Theaterkritik Shaffers "Amadeus" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de
©Peter Litvai/Landestheater Niederbayern

Mit einem Blick merkt sich  Mozart  Salieris kaiserlichen Willkommensmarsch und spielt ihn mit betörenden Varianten. Fehlerfrei schreibt Mozart seine Partituren. Er schreibt nur ab, was er hört. Für den Hof ist das  nur „brav“ komponiert. „Noch zu viele Noten“, konstatiert der gutmütige Kaiser (Reinhard Peer) und gähnt. Salieri spielt vordergründig Mozarts Gönner und treibt ihn intrigant vom Hof, immer bestens informiert durch seine Venticelli, mit Julian Niedermeier und Stefan Sieh kleine schwungvolle komödiantische Einlagen.

Großartig zeigt Julian Ricker, wie sich Mozart verändert, todkrank, geistig verwirrt, noch sein Requiem komponiert. Als Constanze, mit Ella Schulz eine nicht minder naive Frohnatur, die für ihren Wolferl sogar bereit ist, mit eiserner Miene die Treue zu brechen, am Elend verzweifelt, Mozart verlässt und in der Todesstunde zurückkehrt, wird das Daseinselend von Mozarts Requiem überstrahlt.

Salieri, wieder im Rollstuhl, erkennt seine Niederlage. „Mozarts Musik für Epochen trauern“ helfen, er selbst erlebt den Abrutsch in die Bedeutungslosigkeit und erteilt den Mittelmäßigen die Absolution.