"Kultur macht glücklich"


Eggenfelden –  „Extrawurst“ gekonnt gespielt im Theater an der Rott

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Eggenfelden –  „Extrawurst“ gekonnt gespielt im Theater an der Rott

©Theater an der Rott, Foto: Sebastian Hoffmann

Der Zuschauerraum ist nicht abgedunkelt. Drei Tennisspieler sitzen…

im Publikum, der Vorstandsvorsitzende und sein Stellvertreter auf der Bühne. So fühlt man sich als Theaterbesucher als Teil der Vereinsversammlung des örtlichen Tennisclubs. Man darf mitentscheiden bei den Abstimmungen. Aber, egal wie die Entscheidung ausfällt, das letzte Wort hat der selbstbewusste Vorstandsvorsitzende. Er gibt sich jovial und handelt autoritär, rühmt die Geschlossenheit des Tennisclubs und scheitert an einer „Extrawurst“. 

Ein neuer Grill soll angeschafft werden, kein Problem. Aber der Antrag auf einen zweiten Grill, damit Erol, das einzige Vereinsmitglied mit türkischen Wurzeln, seine Würste ohne Berührung mit Schweinefett grillen kann, löst unerwartete Turbulenzen aus. Längst aufgearbeitet geglaubte Ressentiments brechen auf. Mit kabarettistischer Präzision entwickelt sich ein höchst explosiver Schlagabtausch. 

Die Pointen werden zu Leuchtraketen gegen intellektuelle Arroganz, politische Fehlentscheidungen und persönliches Konkurrenzverhalten. 

Regisseurin Julia Ribbeck setzt gekonnt auf schnelles Spieltempo, verortet das Stück, wie bei vielen Aufführungen üblich, regional in Eggenfelden, was manche Pointe noch verschärft. Jede Figur wird zu einem kantigen Prototyp, durchaus mit Licht und Schatten, mit der Fähigkeit sich zu entschuldigen, um dann noch vehementer in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. 

Thomas Bammer präsentiert den Vereinsvorsitzenden als wertkonservativen, selbstverliebten „Lord of Tennis“, der nur das Spielen in Weiß erlaubt, proletenhafte Ausdrucksweisen moniert, wie Erdogan regiert – Pardon, wie Putin, womit die Eggenfeldener Version das Thema politisch geschickt weitet. Der Vizevorstand hat nichts zu melden, umso größer ist sein kleinbürgerliches Geltungsbedürfnis, das Thomas Heim zunächst durch witzige Bewegungsoptik karikiert und dann als populistischer Rechtsradikaler persifliert. Norman Stehr gibt den toleranten Intellektuellen ab, der aber nur seine persönliche Eifersucht gegenüber Erol überspielt, da seine Frau Melanie zusammen mit Erol als bestes Doppel die Stars des Vereins sind.

Laura Maria Puschek-Mendez macht aus Melanie eine leidenschaftliche, kompromisslose Menschenrechtlerin, die ihre Frustration in Bier ertränkt, während Erol, von Eduard Zhukov sehr smart und ruhig dargestellt, zunächst im Hintergrund bleibt. Ihm gilt die Sympathie der Autoren. 

Witzig getextet, konterkariert Erol durch seine deutsche Frau, seinen Turbo-Grill für seine Großfamilie, vor allem durch seinen kritischen Blick auf die deutsche Immigrationspolitik die Ressentiments der Vereinsmitglieder. Auch ihm gehen die Emotionen durch. Die Männer schlagen sich, Melanie greift nach dem nächsten Bier. Statt eines heiteren Sommerfests unter dem leuchtenden Halbmond werden nacheinander die Austritte erklärt. Ein Neuanfang ist unausweichlich.