Lovis Corinth, Selbstbildnis vor der Staffelei, 1919 Öl auf Leinwand©Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, 1976 erworben durch das Land Berlin / Jörg P. Anders
Provenienzforschung wird in Staatlichen Museen Berlins ganz groß geschrieben. Es ist die neue Art, Bilder aus den Sammlungen zu präsentieren. Statt künstlerischer Auseinandersetzung…
stehen die Besitzverhältnisse einzelner Bilder und die damit verbundenen Reisewege im Mittelpunkt. „Im Visier!“ fokussiert auf den Impressionisten Lovis Corinth (1858 – 1925). Das NS-Regime akzeptierte zwar sein Frühwerk, stufte aber dessen Entwicklung von der impressionistischen Auflösung ins Expressive als entartete Kunst ein. Seine mit dynamisch diagonalem Pinselstrich gemalten Porträts und seine expressiv bewegten Natur- und Architekturgemälde entsprachen nicht der NS-Ideologie. In der offiziellen Erklärung hieß es 1937, dass Corinth „nach seinem zweiten Schlaganfall nur noch krankhafte und unverständliche Schmierereien hervorgebracht hätte“, wobei aber Corinths zunehmend expressiver Stil jedoch schon 1911 erkennbar war.
Zu seinem 100. Todestag wird dieses dunkle Kapitel noch einmal aufgeschlagen. 359 Bilder von Corinth wurden 1937 in deutschen Museen in mehreren Stufen beschlagnahmt, ein großer Teil davon aus der Sammlung der Nationalgalerie. Zunächst mussten im Sommer 1937 für die Ausstellung „Entartete Kunst“ im Münchner Haus der Kunst Bilder abgegeben werden. Mitte August und Ende Oktober erfolgten weitere Beschlagnahmungen in 100 deutschen Museen. 500 Werke stammten allein aus der Nationalgalerie. 5000 als „unverwertbar“ beurteilte Bilder wurden 1939 in der Berliner Hauptfeuerwache verbrannt.
Die Ausstellung recherchiert die Beschlagnahmungen in den 1930er Jahren am Beispiel von Corinths Porträts der „Familie Rumpf“ aus dem Jahre 1901, verweist auf die verschollenen Bilder nach 1945, exemplarisch mit dem „Liegenden Akt“ in Schwarz-Weiß rekonstruiert. Andere sind in internationalen Museen zu sehen, wie „Ecce homo“ im Kunstmuseum Basel. Nach 1945 verteilten sich nach der Teilung Deutschlands Corinths Werke auf die gut bestückte Nationalgalerie in West-Berlin, während das Stammhaus im Osten einen Totalverlust zu verzeichnen hatte. Beide Häuser füllten die Lücken durch Ankäufe beispielsweise von „Walchensee mit Lärche“ oder durch Schenkungen, wie etwa „Der Friseur“. Nach der Wiedervereinigung benannte man das Stammhaus in die Alte Nationalgalerie um. Sie wurde die Heimat für die frühe Moderne des 19. Jahrhunderts und die klassisch traditionellen Kunstwerke. Die Neue Nationalgalerie übernahm die Kunst der Avantgarden der klassischen Moderne.
Aus der Perspektive der Berliner Museen mag das alles sehr interessant sein, wirkt aber als zeitgeistiges Kuratorenkonzept in Wiederholungsschleife schnell langweilig. Viel interessanter wäre es, die stilistischen und motivlichen Entwicklungsphasen in Corinths Gemälden „Im Visier“ zu haben, wie dies im „Bildrausch Lovis Corinth“ in Regensburg realisiert wird.
Die Ausstellung ist noch bis zum 2. November in der Nationalgalerie zu sehen.













