Berliner Schaubühne „Der geteilte Himmel“

Berliner Schaubühne "Der geteilte Himmel"
©Foto Dorothea Tuch

Christa Wolfs DDR-Liebesgeschichte vermittelt in der Berliner Schaubühne die Zeitgeschichte des Kalten Kriegs.

Geteilt ist der Theaterraum passend zum Titel, ein Catwalk dazwischen, der immer mehr die Mauer symbolisiert. Rundherum wechseln via raumfüllenden Videoprojektionen weite Naturszenarien mit spießbürgerlichen Genrebildern und trister Arbeitswelten.

In Christa Wolfs „Geteilten Himmel“ wird die Zeit des Berliner Mauerbaus lebendig. In den Ansichten eines Liebespaares spiegeln sich die Ideologien von Ost und West.

Die Liebesgeschichte ist simpel. Rita verliebt sich in Manfred, einen jungen Chemiker. Sie will Lehrerin werden, arbeitet in den Ferien am Bau, um den Kindern die Vision vom neuen Staat praxiserprobt Kindern zu vermitteln. Er will nach Westberlin, um voranzukommen. Sie geht mit ihm, kehrt aber aus Idealismus in den Osten zurück. Der Mauerbau trennt beide endgültig.

Regisseur Armin Petras, vom dem auch die Bühnenfassung stammt,  gelingt zusammen mit Annette Riedel (Bühne und Kostüme) und Video (Rebecca Riedel) ein intensiver, spannender Theaterabend aus der Retrospektive.

Status quo ist 1961 das Jahr des Mauerbaus. Rita und Manfred sitzen in einer Art Prolog getrennt durch die Mauer, durch die „verschiedenen Ideologien, wie die Welt sein soll“.  Die eigentliche Spielhandlung beginnt mit Ritas Erwachen nach einem Selbstmord in einer Klinik. Ihre Erinnerungen fügen sich zur Biografie und deutscher Nachkriegschronik. Berührend oszilliert die Inszenierung zwischen privatem Glück und gesellschaftlichen Visionen, persönlichen Erkenntnissen und veräußerlichten Machtstrukturen. In den Videoprojektionen spiegeln sich Ritas Innenwelten, verweben sich die idyllischen Erinnerungen mit der repräsentativen Bildern der DDR-Vision als Arbeiterstaat. Der Verbindungsweg zwischen Ost und West wird kübelweise mit Eisstücken überschüttet, die Mauer symbolisch vorweggenommen, mit Presslufthämmern die Wucht des Arbeiterstaats hörbar und in den Videos rauchender Industrieschlote und rhythmischer Sportgymnastinnen Anpassungsprozess überdeutlich. Selbst der Himmel wird durch Raketen getrennt.

Die dokumentarische Verortung in der Zeitgeschichte kombiniert mit der  Präsenz der Schauspieler macht diese Inszenierung so authentisch. Nahtlos verknüpft Armin Petras die verschiedenen Spielebenen, schafft durch Musik (Thomas Kürstner, Sebastian Vogel)  zusätzliche Emotionalisierungen und im Detail zusammen mit Ausstatterin Annette Riedel witzig ironische Brechungen jeglicher romantischer Ansätze.

Jule Böwe entdeckt in Rita viele Facetten, das nette Landmädel, die eifrige Studentin, die tatkräftige Volksgenossin,  die  Psychotin, die als  gesund diagnostiziert an ihrem Herzschmerz zerbricht. Jule Böwes charismatisch mädchenhaft  Stimme macht Rita so sympathisch und aufrichtig, in den leisen Szenen sehr berührend, aber auch kämpferisch, mitunter heiter naiv,  herrlich ironisch, wenn sie beim Lernen der Englischvokabeln sozialistischen Wortschatz zu Tode stottert.

Tilman Strauß interpretiert Manfred als netten Jungen von nebenan, der in seiner ehrlichen Suche  nach dem einzigartigen Blau, Symbol für die „vollkommene Vision“, im kritischen Dialog und kritischer Selbstreflexion am kritikfeindlichen System scheitern muss. Und das bekommt mit Kay Bartholomäus Schulze als Doktor eine abgründige Autorität, an deren Diagnosen Menschen zerschellen, und  außer Grau keine Farben zulässt. Das ist eine in jeder Beziehung großartige Inszenierung.