Berlin – „Die Vielleichtsager“ im Berliner Ensemble als Weiterentwicklung von Bertolt Brechts „Der Jasager und Der Neinsager“ funkt nicht 

Theaterkritik "Die Vielleichtsager" im Berliner Ensemble präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Matthias Horn

In Zeiten der allgemeinen Desorientierung, gesellschaftlichen Zersplitterung zielt Alexander Eisenachs Version auf ein größeres gesellschaftliches Miteinander. Könnte sich im „Vielleicht“ entgegen des rigorosen Fortschrittsglaubens ein Perspektivwechsel für mehr solidarisches Bewusstsein eröffnen? Gleichzeitig kombiniert er diese Fragestellung mit der aktuellen Energiekrise mit der Suche nach neuen Energiequellen, um Abhängigkeiten zu minimieren.

Das macht durchaus neugierig auf „Die Vielleichtsagerin“ unserer Tage. Mit Lili Epply tritt sie sehr jugendlich und resolut auf. „Ich bin nicht einverstanden, die Erde im Stich zu lassen… Der gesunde Menschenverstand verweigert die Reise mitzumachen“, konzipiert als Reise zum Mars, als Außenstelle der Welt, die man verrotten lassen will, besser zu Untiefen der Meere, um neue Rohstoffe zu entwickeln. 

Trotz Livesounds, gelungenen Bühnenbildes und ambitionierter SchauspielerInnen langweilt die Inszenierung in der dritten Wiederholungsschleife mehr, als dass sie aufrüttelt. 

Das Bühnenquadrat mit Würfelräumen, dünnen Stoffwänden mit altjapanischen Mustern und Figuren eine Reminiszenz an Brechts Inspiration durch das Nõ-Theater, dreht sich als Weltensymbol ohne Ende. Eine 2-Mann-Band hämmert den Lebensbeat perkussiv mit E-Riffs. Glockentöne erinnern an meditatives Verweilen, akzentuieren gleichzeitig parodistisch den Text, immer mit der Brechtschen Distanz deklamiert und Handlungspassagen episch erzählt, um Brechts Verfremdungskonzept der Rollendistanz aufrechtzuerhalten.

Entsprechend ausgestellt und gespreizt wirkt das Spiel, auch wenn originelle Regieeinfälle von tai-chi-mäßiger Bewegungsleichtigkeit, spirituellen Schattenbildern bis zu vogelgezwitscherten Dialogen die blasse Rhetorik aufpeppen. 

©Matthias Horn

Wie abgehobene heilbringende Gurus nur durch farbliche Bordüren ihrer Tuniken unterschieden, wechseln Malick Bauer, Lili Epply und Peter Moltzen ihre Rollen und finden schließlich in „Wichtig ist das Einverständnis“ das Karma der Zukunft. Doch selbst der entsprechend finale Song rockt nicht ab. „Die Vielleichtsager“ bleiben ein papiernes Lehrstück, schafft den Sprung zum Lernprozess nicht.

Künstlerisches Team: Alexander Eisenach (Regie), Daniel Wollenzin (Bühne) Julia Wassner (Kostüme), Niklas Kraft & Sven Michelson (Musik), Rainer Casper, Sebastian Scheinig (Licht), Amely Joana Haag (Dramaturgie)

Auf der Bühne spielen Malick Bauer, Lili Epply, Peter Moltzen und Sven Michelson & Band