Berlin – Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ im Berliner Ensemble

Theaterkritik "Tod eines Handlungsreisenden" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Jörg Brüggemann

Schon 75 Jahre alt ist Arthur Millers Drama über den „Tod eines Handlungsreisenden“ und mehr denn je erschreckend aktuell. Der Traum vom „American Way of Life“ war und ist eine Seifenblase. Das herauszukristallisieren gelingt unter der Regie von Max Lindemann mit verblüffend einfachen Mitteln. Zwei Fenster mit Gardinen, davor ein schlichter Küchentisch mit nur drei Stühlen genügt die desolate Lage des unteren Mittelstandes, der ins Chaos abrutscht, zu charakterisieren. Ordentlich, aber ärmlich, ein Haus auf jahrelanger Schuldenbasis und ein reparaturanfälliges Auto, der Vater als Vertreter erfolglos, dann arbeitslos und beide Söhne Loser, doch das Versagen liegt nicht in der DNS der Familie…

Arthur Miller erkannte schon 1949 die Illusion amerikanischer Aufsteigersehnsüchte. Loman und seine beiden Söhne Biff und Happy träumen sich die Welt schön. Als sie scheitern, suchen sie die Schuld bei sich, ohne das System zu hinterfragen, das durch seine Ausbeutungsstrategien die Ursache für den Niedergang ist. Willy Loman, Opfer und zugleich Täter, projiziert seine Sehnsüchte auf seine beiden Söhne und reagiert seinen psychischen Druck und Frust an ihnen ab, treibt sie genau so an, wie er selbst angetrieben und schließlich fallengelassen wurde. Die Karriere ist alles, auch wenn die Familie dabei zerbricht. 

Der Clou der Inszenierung ist das Bühnenbild. Bei den Erinnerungssequenzen schwebt die Küche nach oben, aber optisch wirkt es, als sacke Loman samt Stuhl, auf dem er sitzt, auf einem Bodensegment in die Tiefe. In traumatischen Szenen leuchtet die Vergangenheit auf und füllt die Leerstellen dieser chaotischen Familienkonstellation.

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©Jörg Brüggemann

Der ältere Sohn Biff hatte seine Familie verlassen, weil er dem Vater die zufällig entdeckte Affäre mit einer anderen Frau nicht verzeihen konnte. Als er nach Jahren zurückkehrt, ohne beruflich etwas vorweisen zu können, werden neue Karrierepläne geschmiedet, indirekt angetrieben von Willys Bruder Ben, der als Diamantenhandel reich wurde, wie ein Geist omnipräsent ist. Doch je mehr Willy Biff antreibt, desto größer wird das Desaster. Dieses Mal geht Biff für immer. Willy bleibt ohne einen Funken von Einsicht als letzte Ruhmestat der Selbstmord, damit die Familie die Versicherungsprämie bekommt. 

Gut, sehr empathisch, ohne Pathos gespielt spitzt sich die Szenerie  zu. Zwischen jovialem Optimismus und emotionalen Ausbrüchen verdichtet die Inszenierung Millers starken Text in einen hochkonzentrierten Theaterabend, der in seinen Bann zieht.

Künstlerisches Team: Max Lindemann (Regie), Marlene Lockemann (Bühne), Eleonore Carrière (Kostüme), Sonja Deffner (Musik), Benjamin Schwigon (Licht), Johannes Nölting (Dramaturgie)

Mit Oliver Kraushaar (Willy Loman), Kathleen Morgeneyer (Linda, Kellnerin), Max Gindorff (Biff), Jannik Mühlenweg (Happy), Martin Rentzsch (Ben, Charley, Howard Wagner, Miss Forsythe)