Regensburg – Wagner Moreiras Choreographie „Transit“ – eine explosive Suche nach Liebe zwischen den Welten und ihren Kulturen

Tanzkritik "Transit" im Theater Regensburg präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Theater Regensburg, Foto: Liebig

Ein schwarzer Kubus kreist auf der Bühne außen metallisch wie ein Monolith im dunklen Kosmos, auf der einen Seite vergittert wie ein Gefängnis, auf der anderen eine unüberwindbare Mauer mit einer schmalen Tür zur Freiheit. Im Innenraum verspiegelt vergoldet ihn das Licht immer wieder für kurze Momente zum Symbol neuer Heimat und menschlicher Wärme. Im ständigen Wechsel von Innen- und Außenraum offerieren die 10 TänzerInnen die Achterbahngefühle im „Transit“. Sie laufen, tanzen, flattern einsam herum, rennen wuchtig gegen die Wand und gleiten zu Boden, agieren wie Wurfgeschosse, finden Gleichgesinnte, bilden Gruppen, in der jeder für sich seinen Weg sucht. Auf dem Boden liegend kämpfen sie mit athletischen Bewegungen und Verrenkungen um das Sich-immer-wieder-Aufrichten. Im Gegenüber finden sie zuweilen ein zärtliches Spiegelbild naher Seelenverwandtschaft und im Miteinander für wenige Momente synchrone Bewegungsformen als Ausdruck einer neuen Gruppenidentität. 

Osvaldo Golijovs multikulturelle Komposition „Ayre“, „Melodie“ für 12 MusikerInnen und elektronische Zuspielungen, verstärkt unter dem energetischen, aber sehr subtilem Dirigat von Tom Woods alle emotionalen Zustände im „Transit“ auf akustischer Ebene. Piazzola-Anlehnungen vertonen die Einsamkeit, Klezmermusik und arabische Melodien die Ambivalenz zwischen Klage und Freude. 

Dazu singt Svitlana Slyvia spanische, arabische und hebräische Volkslieder, die kraftvoll glühend, sehr emotionalisierend das Bühnengeschehen überstrahlen. Projizierte Porträtaufnahmen der TänzerInnen rücken die menschlichen Gefühle noch mehr in den Vordergrund.

Großartige Sequenzen gelingen nicht zuletzt durch das körpermodellierende Licht, die atmosphärischen Effekte und die gelungenen Kostüme, wenn die TänzerInnen mit nackten Oberkörpern, weit schwingenden Röcken und Raubvogelmasken, erbitterte Kampfbereitschaft und gleichzeitig kreisende Freiheitseuphorie zum Ausdruck bringen oder gefangen im Kubus das Gitter hinaufkletternd Durchlass finden, um im Freiheitsrausch, mit Elektrosound unterlegt, wie auf einer Technoparty zu vibrieren.

Tanzkritik "Transit" im Theater Regensburg präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Theater Regensburg, Foto: Liebig

Mit spanisch klassischer Live-Gitarre (Radmila Besic) auf der Bühne lässt das Ensemble klatschend und stampfend, mit abrupten Pausen die accelerierende Dynamik des Flamenco vor seinem multikulturellen Hintergrund aufleuchten. 

Durch die Liedtexte wird die Sängerin immer mehr zum Symbol der Wissenden, die aus erhöhter Position eines Fensters auf die TänzerInnen mit Masken blickt, als spiegelten sie ihr Leben zwischen verschiedenen Rollen. Die Masken fallen zu Boden. Die Sängerin hat ihre Mitte gefunden in der „Liebe zu den kleinen Händen des Kindes.“ 

Vor dieser suchend optimistischen Botschaft von „Transit“ wirken die aktuellen politischen Verhältnisse in Israel noch unfassbarer. Hass zerstört. Nur in der Liebe und im Vertrauen gelingt Zusammenleben. 

Wagner Moreira kommt aus Brasilien und lebt seit 2003 in Deutschland. Er absolvierte seinen Master of Arts in Choreografie an der Palucca Hochschule für Tanz in Dresden und wurde 2019 mit dem sächsischen Tanzpreis ausgezeichnet. Nach zahlreichen Arbeiten europaweit, in  Brasilien und in den USA wurde er 2020/21 als Künstlerischer Leiter und Chefchoreograf an die Landesbühnen Sachsen berufen, 2023/24 an das Theater Regensburg. 

Künstlerisches Team: Wagner Moreira (Choreografie, Inszenierung, Licht), Tom Woods (Musikalische Leitung), María Bayarri Pérez (choreografische Mitarbeit), Kristopher Kempf (Ausstattung), Steffen Cieplik (Video), Martin Stevens (Licht), Esther von der Fuhr (Dramaturgie) 

 

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