Lila Avilés – „Tótem“ – von der Kraft der Familie 

Filmkritik "Tótem" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Limerencia

Ein Tótem, bei den Naturvölkern oft eine Pflanze oder ein Tier, schützt vor bösen Geistern. Die mexikanische Filmemacherin Lila Avilés beschwört mit „Tótem“ die Kraft der Familie und zeigt dabei gleichzeitig die Bruchstellen dieser Kraft, wenn Alltagshektik und Egozentrik diese Energie in Frage stellen. Unspektakulär, dafür mit subtiler Herzenswärme frei von jeglicher Sentimentalität und jeglichem Klischee zeichnet sie vorwiegend aus der Perspektive der kleinen Tochter Sol den letzten Geburtstag des Vaters. Mit ihrer Mutter besucht sie dessen Elternhaus, wo er gepflegt wird. Es ist voller Leben und Hektik. Jeder nimmt sich wichtig, jeder versucht unter Zeitdruck gerade noch die Kurve bis zum Fest zu bekommen. Die Geburtstagstorte der Tante ist noch nicht fertig. Die Mutter muss sich noch die Haare waschen. Sol beobachtet traurig das quirlige Treiben und entdeckt so manche Schieflage. Eine Tante trinkt zu viel, die andere ist sehr dominant. Der Großvater kann kaum noch kommunizieren. Eine Geisterbeschwörerin macht sich wichtig, um mehr Geld verlangen zu können und spendet doch einen Teil ihrer Gage für den Kranken, denn das Geld ist knapp, das Kranksein teuer, wobei animistische Rituale, traditionelle Methoden und die Schulmedizin nicht zu heilen vermögen. Gefilmt mit einer Handkamera stehen die Gesichter im Mittelpunkt, werden die Szenen abrupt aneinandergereiht, eben wie Sol sie erlebt. Die Logik dazwischen muss sich der Zuschauer zusammenpuzzeln. 

Sol mag wie ihr Vater die Tiere, nicht nur Hund und Katze, sondern auch Schnecken, Grashüpfer, Insekten. Ihr faszinierter Blick auf die Tiere lässt die Verbundenheit mit der Schöpfung aufleuchten. Sie möchte schon zu ihrem Vater, aber es dauert, bis er hergerichtet ist, noch länger bis man ihn überzeugt zum Fest zu erscheinen. Das Wiedersehen wird trotz der völlig überdrehten Geburtstagsfeier zum beglückenden Ereignis, in dem alle Widrigkeiten verdrängt werden. Tona spürt die Liebe um sich und strahlt. Sie wird zum Tótem und gibt ihm Kraft nach einem mexikanischen Ritual für die letzte Reise. Wenn am anderen Tag das Bett leer, das Fenster offen ist, spürt auch der sensible Zuschauer die Botschaft dieses Films, der trotz Mythos- und Gesellschaftsparodie die Wurzeln des Wesentlichen offeriert. 

Künstlerisches Team: Lila Avilés (Drehbuch, Regie), Thomas Becka (Komponist), Diego Tenorio (Chef-Kameramann), Omar Guzman (Chef-Cutter)

Mit: Naíma Sentíes (Tochter Sol), Lazua Larios (Mutter), Mateo Barcia Elizondo (Vater Tona) u.a.

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