Berlin – „2 Chapters Love“ getanzt vom Berliner Staatsballett begeistert das Publikum 

Tanzkritik "2 Chapters Love" getanzt vom Berliner Staatsballett präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Staatsballett Berlin, Foto: Carlos Quezada

Sol León, seit 1987 bis 2020 zuerst als Tänzerin, dann als Hauschoreographin und Künstlerische Beraterin beim Nederlands Dans Theatre, relativiert unterschiedlichste Liebesbeziehungen durch ein kosmisches Umfeld. Wie „Stars Like Moths“, wie „Sterne von Motten“ leuchten ihre Liebespaare unter der Weite des Kosmos auf und verschwinden wieder, kaum entflammt, schon wieder verloschen. Streng gestylt in Schwarz-Weiß zappeln die TänzerInnen zuweilen wie Gliederpuppen. In kurzen Pas des deux mit zärtlich raffinierten Verschlingungen finden sich hetero- und homogene Paare, um sich im Tanzstudio neu zu erfinden, ständig den Partner wechselnd. Gestützt durch modisch nostalgischen Kostüme, schwelgendem, epochenübergreifendem Musikmix mit Schwerpunkt Bach und klare Lichteffekte werden drei Tänzerinnen und acht Tänzer zur Metapher vergänglicher Poesie, wobei Haruka Sassa das Bedürfnis „nur Liebe zu sein“ am berührendsten zur Wirkung bringt. Das ist gut gemacht, eigenwillig mit Textpassagen, theatraler Mimik und Gestik getanzt, bleibt aber in einer Nummernrevue stecken. 

Umso mehr glänzt Sharon Eyals neue Choreografie, in der sich ihren ganz spezifischen Tanzstil auf halber Spitze weiterentwickelt und das rasante Tempo mit extrem ruhigen Soli kontrastiert. Im Lichtkegel verwandelt sich eine Danielle Mui durch intensive Körperspannung und artistische Verbiegungen wie ein Insekt in eine fabulöse Königin der Nacht.

Tanzkritik "2 Chapters Love" getanzt vom Berliner Staatsballett präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Staatsballett Berlin, Foto: Carlos Quezada

Aus dem Dunkel erscheint nicht minder erhaben ihre Hofdamen und plötzlich, völlig unerwartet ihr gigantisches Gefolge in androygener Optik durch Trikots und Licht wie vergoldete Athleten, geschmückt mit funkelndem Diademen entwickeltn die 25 TänzerInnen in einem Feuerwerk von verdichteten Kreisstrukturen und bühnenweiten diagonalen Längsstrukturen eine mitreißende Dynamik, die durch die Lichtregie in mythische Vergangenheit in eine goldene Götterära zurückverortet an kultische Tänze erinnert, durch den Technosound Ori Lichtiks an den Puls der Gegenwart anbindet und in den akribisch langsam Bewegungen die Zukunft KI-gesteuerte Macht aufleuchten lässt. Im Tanz verwischen sich individuelle Unterschiede. Herausragende Armhaltungen verwinden im Pulk. Die Liebespfeile bleiben im Köcher. Anstelle von Amor, Jagd und Kampf tritt die alles umarmende Liebe. Es zählt nur noch das gemeinsame Pulsieren in vorgegebene Richtungen und Mustern, in der individuelle Entscheidungen der Massenpsychose einer alles umarmenden Weltgefühls weichen. Den Puls gibt die Königin vor, ob Metapher der Poesie oder reiner Macht, bleibt dem Betrachter überlassen. „2 Chapters Love“ ist großartig wie bislang jede von Sharon Eyals Choreografien, zurecht honoriert durch langanhaltende Standing Ovations. 

„Stars Like Mots“

Künstlerisches Team: Sol León (Choreografie, Bühne, Kostüme, Videokonzept und -bild), Paul Lightfoot (Bühne), Jolanda de Kleine (Licht)

„2 Chapters Love“

Künstlerisches Team: Sharon Eyal (Choreografie, Kostüme), Gai Behar (Co-Choreograf), Ori Lichtik (Musik), Alon Cohen (Licht) Léo Lérus (Einstudierung)

 

 
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