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München – Berlioz’ „Les Troyens“ in der Bayerischen Staatsoper langweilt

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München – Berlioz’ „Les Troyens“ in der Bayerischen Staatsoper  langweilt

©Bayerische Staatsoper München, Winfried  Hoesl

„Les Troyens“ erzählt die Geschichte zweier außerordentlicher Frauen, die in der Welt zugrunde gehen, weil sie ihren Wahrnehmungen und Gefühlen folgen. Im ersten Teil findet Cassandre in Troja mit ihren seherischen Fähigkeiten kein Gehör. Das Meer als gigantisches Gemälde signalisiert mehr Weite als Bedrohung. Genauso eingefroren statisch bleibt der riesige Chor als Volk gruppiert zwischen Betonmauern auf zerstörtem Steinboden. In Abendkleidern und Frack die Mächtigen imitierend und doch nur aus Sicht Christophe Honorés deren Sprachrohr, die sich in farbig glänzenden exaltierten Roben von der schwarzen Masse abgrenzen. Cassandre wirkt in ihrem burkamäßigen Ungetüm wie eine uneinnehmbare Burg. Das trojanische Pferd dagegen erscheint symbolisch als zittrige Leuchtreklame. Das sind durchaus gelungene Anspielungen auf die Gegenwart, bleiben aber optische Einzelteile, die im historischen Narrativ nur die Verflachung in unserer Zeit entdecken. Die musikalisch hochdramatische Eroberung Trojas erstarrt im statischen Geschehen, ohne im Inneren zu berühren. 

Im zweiten Teil kontrastiert er das romantisch klassische Genrebild mit Filmsituationen, seinem eigentlichen Metier. Er dunkelt die oberen zwei Drittel der Bühne ab und weitet sie so in ein cinematisches Breitwandformat, um Karthagos friedlichen Lebensstil im stylischen Umfeld einer Betonpoollandschaft mit vielen Treppen umso sonniger leuchten zu lassen

Opernkritik Berlioz "Les Troyens" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Bayerische Staatsoper München, Winfried  Hoesl

À la David Hockneys Swimmingpool-Bilder drapiert Christophe Honoré schöne Menschen, deren knackige Popos die Blicke auf sich ziehen, gegen die Ekaterina Semenchuk in ihrem langwierigen Part ansingen muss. Ein paar Bildschirme flimmern als Verweis auf die zu erwartende Bildstörung des Geschehens und natürlich wird, völlig überflüssig live gefilmt. Zu Beginn des 4. Aktes degradiert im „Chasse royale orage“, einer der lyrischsten instrumentalen Passagen zur Hintergrundmusik für zwei Videoprojektionen über laszive homosexuelle Praktiken im Dreierpack, die sich in blutbeschmierten Ekel verwandeln, Frieden als Zeit der Lust- und Triebbefriedung und der damit einhergehenden Verweichlichung als Beginn des Untergangs assoziieren lassen, aber in fast zehnminütiger Länge und yoyeuristisch im Großformat gezeigt nur noch nerven.

Selbst die sängerische Seite strahlt nicht wirklich, was natürlich auch an der Langatmigkeit von Berlioz’ Partitur liegt. Man versteht, warum die Oper nicht allzu oft aufgeführt wird. Berlioz selbst bekam sie nie zu hören.

Orchester, Solisten und Chor bestechen zwar durch Volumen, aber es fehlt durchwegs an Klangfarben, satten Tiefen, sängerisch berührender Dramatik. Den Chor mit Lautsprecher zu verstärken, um die propagandistische Rolle des Volkes herauszuarbeiten, verbiegt Berlioz` Musik in schrille Monstrosität. Das kann man natürlich so machen, aber ein Hörgenuss ist es nicht. 

Lichtpunkt ist Daniele Rustioni, der dieses wuchtige Werk sehr energetisch zu Ohren bringt. Er lotet die Fortissimos aus, bringt die Klangfarben des Orchester zur Wirkung. Allerdings gelingt infolge der Inszenierung nicht immer die Balance zwischen Orchester und Solisten. Zu weit hinten auf der Bühne positioniert oder gegen Wände singend kommen die Stimmen nicht immer optimal zur Wirkung. 

Gregory Kunde hat als Enèe die Kraft gegen das brandende orchestrale Forte anzusingen, eine Meisterleistung des inzwischen nicht mehr ganz jungen Sängers, die allerdings gegen Ende in forcierten Höhen ihren Tribut fordert. Marie -Nicole Lemieux fehlt als Cassandre die stimmliche Abgründigkeit dieser Figur. Am meisten überzeugt Ekaterina Semenchuk als Didon. Ihr Liebesduett mit Gregory Kunde, „Nuit d’ ivresse et e´stase infinie“, ist der sängerische Höhepunkt dieses Abends. Lindsay Ammann in der Nebenrolle als Didons Schwester Anna und Stéphane Degout als Chorèbe, Cassandres Verlobten, würde man gerne öfter hören. 

Künstlerisches Team: Daniele Rustioni (Musikalische Leitung), Christophe Honoré (Inszenierung), Katrin Lea Tag (Bühne), Olivier Bériot (Kostüme) Dominique Bruguière (Licht), Comité dans Paris (Film), Katja Leclerc (Dramaturgie)

Es singen Marie-Nicole Lemieux (Cassandre), Emily Sierra (Hécube), Eve-Maud Hubeaux (Ascagne), Ekaterina Semenchuk (Didon), Stéphane Degout (Chorèbe), Martin Snell (Priam), Gregory Kunde (Enée), Lindsay Ammann (Anna) und andere und der Chor der Bayerischen Staatsoper

Es spielt das Bayerisches Staatsorchester.