Landestheater Niederbayern – „Der fliegende Holländer

schabel-kultur-blog.de hat Opernkritik "Fliegenden Holländer" im Landestheater NIederbayern

In Zusammenarbeit mit Bühnen- und Kostümbildner Michael D. Zimmermann  setzt Johannes Reitmeier auf wirkungsvolle Szenenfolge mit  plakativer Farbsymbolik, theatralische Klischees, alptraumhaften Verdichtungen, präziser Personenregie und handlungsintensive Einbindung der beiden Chöre.

Tobende Meeresgischt bestimmt die Bühnenatmosphäre. Grobe Bänke und Bohlen wandeln sich schnell in Schiff, Steg und Festland. Aus roten Türklappen, die gleichzeitig die rote Piratensegel assoziieren lassen, erscheint der fliegende Holländer als  Seeteufel in Schwarz  mit seinem Gefolge toter Meerjungfrauen unschuldig in Weiß, gefangen in wuchtigen roten Bändern der Liebe. In Rot wandelt er sich in einen exzentrischen Gentleman. Als sich Senta, ein graues Mauerblümchen, das durch ihr riesiges Geschichtenbuch vom „Fliegenden Holländer“ längst den Kontakt zur Wirklichkeit verloren hat, in eine sinnlich rote Lady verwandelt, findet sich das Traumpaar.

Der Clou kommt zum Schluss, ein gekonnter Überraschungseffekt seitens der Regie.  Senta ertrinkt nicht einfach in den Fluten, sondern  emanzipiert sich, indem sie die Rolle des „Fliegenden Holländers“ heroisch übernimmt. Chapeau!

Für Überraschung sorgt auch Generalmusikdirektor Basil H. E. Coleman. Unter seinem Dirigat entwickelt die Niederbayerische Philharmonie eine bemerkenswerte Wagnerdynamik. Trotz der nicht vermeidenden Einschränkungen durch die witterungsbedingte Umhausung des Orchesters und räumliche Trennung von der Bühne wirkt die Ouvertüre sehr imposant und das Zusammenspiel mit den Sängern wohldosiert. Aus sanftem Bläserklang entwickelt sich fulminantes  Aufwogen der See. Sonores Aufleuchten langer Töne kontrastiert mit der lyrischen Klarheit der Soloinstrumente. Man spürt den Enthusiasmus und hört die musikalische Entwicklung  der Niederbayerischen Philharmonie.

Die Hauptrollen sind mit Gästen bestens besetzt. Durch  satten Farbklang, großes Tonspektrum, präziser Artikulation und schauspielerische Expression oszilliert Lars Møllers Holländer gekonnt zwischen monströser  Schreckensgestalt und unbeugsam aristokratischer  Haltung. Annette Seiltgen hält als Senta kraftvoll dagegen. Ihre Senta ist zunächst eigenwillig, in sich versponnen, ohne jegliche weibliche Ausstrahlung. Umso effektvoller ist der Wandel zur leidenschaftlich Liebenden.

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©Peter Litvai

Der vollzieht sich allerdings mehr optisch als klanglich. Ihr heroischer Duktus passt bestens zum emanzipatorischen Ende, macht aber  Sentas  emotionale Hingabe wenig spürbar. Mit abgründiger Tiefe seines sonoren Basses, interpretiert Stephan Bootz Daland, weniger als Vater denn als pragmatischen  Kraftkerl, der keine erotische Gelegenheit auslässt und seine Tochter mehr oder weniger verschachert.

In den Nebenrollen glänzen die Sänger des Ensembles. Einmal mehr brilliert  Mezzosopranistin Sabine Noack  als erfrischend  emanzipierte Mary mit viel Expression von heute. Erik als glühender Liebhaber  ist mit Jeffrey Nardone ausdrucksstark  besetzt, ebenso  Victor Campos Leal als Steuermann. Männer- wie Mädchenchor (Leitung: Eleni Papakyriakou) verdichten mit klangvollem Volumen und schauspielerische Details gekonnt die Spielhandlung.

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©Peter Litvai

Licht- und Tontechnik funktionieren perfekt open-air. Trotzdem gab es bei der Landshuter Premiere unbeabsichtigte Überraschungen. Man ist durch das Theaterzelt schon einige akustischen  Überraschungen gewöhnt. Das obligatorische Vogelgezwitscher bei Open-Air ist einfach nur liebenswürdig, auch wenn es nicht zu Sturm und Meer passt. Dass ausgerechnet bei „Satan hat dich umgarnt“  von Ferne ein Blasorchester begleitet und ein Festredner dazwischen quasselt, ist schon ein ganz einmaliges Live-Erlebnis. Sänger und Orchester ließen sich nicht stören, aber die Romantik war dahin.

Michaela Schabel

Kommentare an michaela.schabel@freenet.de