Komische Oper Berlin – Schostakowitsch´ „Die Nase“

schabel-kultur-blog.de präsentiert Opernkritik der "Nase" in der Komischen Oper Berlin.

Es war seine erste, als Schostakowitsch  noch als Stummfilmbegleiter am Klavier seine musikalischen Experimente inklusive Schlagzeug ausprobierte, wobei  Mussorsky, Alban Berg, aber auch Elemente aus der traditionellen Oper und Sakralmusik einflossen, Andererseits hört man  schon deutlich Schostakowitschs wuchtige Instrumentierung kämpferische Klangmuster, großstädtische Hektik. Noch bleibt diese Oper eine Kurzform von kaum zwei Stunden, fast ohne Arien, nur in Sprechgesängen.

Die reichlich bizarre Vorlage wird unter der Regie Barrie Koskys eine unterhaltsame Groteske. Der hochnäsige Kowaljow fällt auf die Nase, lernt nichts dazu und ist am Schluss genauso hochnäsig wie am Anfang, treffend zum  letzten Satz der Oper. „Egal, wie man die Geschichte wendet. Solche Geschichten kommen vor in der Welt“.

Durch Klaus Grünberg Bühne und Lichtregie wird das Spektakel als Alptraum verpackt. Er verengt auf vertikales Kreisformat, dahinter horizontal  tortenrund das Bühnenpodest als erhobene Manege, auf der reale Alltag exponiert in surreal schrille Kostümrevuen und phallische Symboltänze (Choreographie Otto Pichler)  abdriftet. Nur wenn die Handlung real erzählt, steigen die Figuren aus dem Kreis, agieren pathetisch pantomimisch stummfilmhaft ausgestellt, schrill in der Gesangslage.

30 Darsteller spielen 78 Rollen. Entsprechend ist die personelle Unterstützung hinter der Kulissen inklusive Nasenambulanz. Das Masken-und Kostümtiming ist allein schon eine Meisterleistung. Großartige Szenen gelingen. Kowaljows Nase riesengroß mächtig neben einem Sarg, während der Chor folkoristisch das Schicksal beklagt. Weder Polizei noch Presse helfen  Kowaljow. Statt Zeitungen zu machen zerschnipseln die Journalisten sie, eine gekonnte Regiekritik. Und genau diese politisch-soziale Dimension geht trotz stimmiger Konzeption und  origineller Umsetzung immer mehr verloren. Nicht umsonst entstehen in diktatorischen Systemen bizarre Geschichten. Auch wenn die Nase  kulturgeschichtlich  immer wieder als Phallussymbol fungiert, ist in dieser Geschichte tiefgründiger, eine Aufbegehren gegen Obrigkeiten. Barrie Kosby setzt dagegen zu sehr auf sexuelle Traumatisierung. Die erotische Optik  bleibt am Ende im clownesker Belanglosigkeit hängen, ohne in Kobaljow die geschundene Kreatur zu entdecken.

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©Iko Freese

Musikalisch bleibt einiges auf der Strecke. Die deutsche Übersetzung kann den Sprachklang des Russischen, erst recht die ganz spezielle Sprache Gogols kaum vermitteln, beeinträchtigt Phrasierung, Artikulation und Textverständlichkeit. Zu stark stehen die lautmalenden Geräusche im Vordergrund, das Wetzen und Schleifen des Rasiermessers, das Pfurzen und Rülpsen der Menschen. Extrem schrill sind die Frauenpartien angelegt. Bei extrem schnellem Tempi unter dem Dirigat Ainārs Rubiķis, des neuen Generaldirigenten der Komischen Oper, nicht zuletzt durch die vielen Tanznummern und einer Ausstattungsorgie quer durch den Fundus mutiert die Oper in ein Musical mit Günter Papendell als amüsanten Kowaljow mittendrin.

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©Iko Freese

Michaela Schabel