Berlin – „Konzert zum Jahreswechsel“ im Konzerthaus

Tosender Applaus und begeisterte Zurufe zeigten, dass auch ungewöhnliche, sehr innovative  Konzerte beim Publikum bestens ankommen. Christoph Eschenbach, Chefdirigent des Berliner Konzerthauses, überraschte zum Jahreswechsel mit einem großartigen  Konzertprogramm zwischen Klassik und Moderne, das er charmant moderierte. Gemeinsamer Nenner waren außerordentliche Rasanz, vortreffliche Präzision und neue Klangwelten, durch die kammermusikalische Bewegungsdynamik des Konzerthausorchesters noch intensiviert.  Schon der Beginn überraschte

©Michaela Schabel

…durch die nahtlose Verknüpfung von Jean-Philipp Rameaus Ouvertüre, Entracte und „Tambourins I/II“aus „Dardanus“ mit  Bedrich Smetanas „Tanz der Komödianten“ aus der „Verkauften Braut“. Nach dem kurzen majestätischen Einstieg steigerten sich die Tempi bis zur wilden Kriegsdramatik, die sich in den tänzerischen „Tambourins“ entspannte, hörbar im regelmäßigen Rhythmus der ostinaten Bassführung. Dazu passte bestens Smetanas rondohaft quirliger „Tanz der Komödianten“ als temperamentvoller Abschluss. 

Diese bereits enorme musikalische Rasanz steigerte sich  mit dem  1. und 3. Satz aus Tan Duns „Konzert für Schlagzeug und Orchester“. Das Werk wurde  2012 eigens für den österreichische Starschlagzeuger Martin Grubinger komponiert und passte bestens zu Christoph Eschenbachs Motto, Musik müsse Grenzen überschreiten. Martin Grubinger, nicht nur exzellenter Schlagzeuger, sondern auch überaus sympathischer Performer, verwandelte das gediegene Konzerthaus zur jazzig fetzigen Großveranstaltung. Der erste Satz thematisiert die atomare Katastrophe in Fukushima, von Grubinger mit unterschiedlichsten Schlägeln und artistischer Höchstgeschwindigkeit  als zum apokalyptischen Inferno interpretiert, das jegliche subtile Tonalität erstickt.

Ganz anders wirkt der 3. Satz, eine Hommage an die New Yorker, die allen Gefährdungen dieser Stadt gerade durch die Energie dieser Stadt widerstehen. Die multikulturellen musikalischen Rhythmen sind das Geheimnis dieser Energie, die Grubinger auf seinen Schlagwerken zwischen  jazzigen Rhythmen und  fernöstlichen meditativen Klangspielen oszillierend, immer wieder aufleuchten ließ. Der westliche  Drive behält Oberwasser und schürt gleichzeitig die Sehnsucht nach der Wellness asiatischer Tonlinien. 

Mit laut hämmernden Beats  steigerte Grubinger den Wahnsinn New Yorks. Das Tempo retardierend, stoppt er abrupt. Infarkt oder meditative Stille? Das entscheidet jeder Zuhörer für sich. Die Begeisterung war gigantisch.

Tosender Applaus und begeisterte Zurufe zeigten, dass auch ungewöhnliche, sehr innovative  Konzerte beim Publikum bestens ankommen. Christoph Eschenbach, Chefdirigent des Berliner Konzerthauses, überraschte zum Jahreswechsel mit einem großartigen  Konzertprogramm zwischen Klassik und Moderne, das er charmant moderierte. Gemeinsamer Nenner waren außerordentliche Rasanz, vortreffliche Präzision und neue Klangwelten, durch die kammermusikalische Bewegungsdynamik des Konzerthausorchesters noch intensiviert.  Schon der Beginn überraschte

©Michaela Schabel

Eine weitere Überraschung folgte mit betörend hellen Tönen aus der Ferne. Langsam schritt die südkoreanische Sopranistin Marisol Montalvo durch das Parkett zur Bühne und sang mit faszinierender Leichtigkeit die äußerst komplexe Partitur „Le silence des sirènes“, eine Komposition von Unsuk Chin, ebenfalls aus Südkorea. Sie gilt als eine der renommiertesten  Komponist*innen im asiatischen Raum. In diesem Auftragswerk für ein Schweizer Pharmazieunternehmen fusioniert sie unter dem entliehenen Titel einer Kafkas-Erzählung  Passagen aus  Homers „Odyssee“ und James Joyce „Ulysses“, um das Motiv der Sirenen in die Gegenwart zu transponieren und zu parodieren. Doch der Text, gesanglich nicht zu erschließen, Marisol Montalvo vorwiegend nur in Vokalen und Tonsilben hochartifizieller Sirenenkoloraturen hörbar und in den Tiefen zu leise, um gegen das flirrende Orchester kontrastieren zu können, verlor  die Komposition trotz der attraktiven und grandiosen Sängerin an Spannkraft. Nach roter Robe sich  in einem grünen Seidentraum im Walzertakt drehend funkte es erst richtig nach der Pause mit Johann Strauß´ (Sohn) berühmten „Frühlingsstimmen“. Zwar fehlten  auch hier die Akzente  des etwas tieferen Tonspektrums, aber Marisol Montalvas wahnsinnigen  Koloraturen bis  zum schwerelosen Champagner-Gelächter in irrlichternden Höhen ließen das schnell vergessen.

Tosender Applaus und begeisterte Zurufe zeigten, dass auch ungewöhnliche, sehr innovative  Konzerte beim Publikum bestens ankommen. Christoph Eschenbach, Chefdirigent des Berliner Konzerthauses, überraschte zum Jahreswechsel mit einem großartigen  Konzertprogramm zwischen Klassik und Moderne, das er charmant moderierte. Gemeinsamer Nenner waren außerordentliche Rasanz, vortreffliche Präzision und neue Klangwelten, durch die kammermusikalische Bewegungsdynamik des Konzerthausorchesters noch intensiviert.  Schon der Beginn überraschte

©Michaela Schabel

Martin Grubinger setzte noch einmal außergewöhnliche, sehr kontrastreiche Akzente mit dem 2. und 3. Satz von „Frozen in Time“, auch von Avner Dormann eigens für ihn 2007 komponiert für 27 solistische Schlagwerke und Orchester. Asiatische und klassische, von Mozart inspirierte Klangwelten treffen aufeinander, überlagern sich im subtilen Spiel der Xylophone, markant durchfurcht von Pauken, Gongs, Klangspielen. Ganz zart führte  die erste Geige solistisch diese asiatisch Stimmung weiter, der schließlicht  das Orchester harmonisch flirrend folgte.  

Umso fetziger wirkte die anschließende tonale Reise von Nord- nach Südamerika, in der die Jazzpatterns von einzelnen Instrumentalgruppen zackig wiederholt werden, schließlich alle zusammen mit den Pauken regelrecht explodieren. Befeuert vom Applaus bot  Martin Grubinger eine Zugabe a la „Schlagwerk als purer Sport“ und präsentierte sich einmal mehr als  exzellenter Performer mit Schlagwerkeffekten der auf Unterarm, Schulter, sogar aus der Drehung heraus. 

Piazzollas berühmter „Libertango“ vom Konzerthausorchester zusammen mit Grubinger  neu interpretiert, wie man ihn in dieser Rasanz noch nie gehört hat, bildete einen mitreißenden Abschluss für dieses grandiose „Konzert zum Jahreswechsel“.