Jerzy Skolimowskis neuer Film „EO“ – die Welt aus der Perspektive eines Esels

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©Rapid Eye Movies

Im Zirkus soll es nach den polnischen Aktivisten keine Tiere mehr geben. Jetzt beginnt für den verschüchterten Eo eine erschreckende Lehrzeit, in der sich die Abartigkeiten gesellschaftlicher Entwicklungen spiegeln. Er lernt das aufwändige Leben von Rassepferden kennen. Wie eine Diva wird eine Schimmelstute für ein Foto-Shooting gewaschen und geschäumt. Das herrschaftliche reiterliche Umfeld gefällt Eo genauso wenig wie das einfache bäuerliche. Er träumt von den Umarmungen Magdas, seiner Artistin. Sie reist ihm nach, findet ihn, aber bleibt nicht bei ihm. Eo bricht aus und aus seiner Perspektive erlebt der Zuschauer die geheimnisvollen Schönheiten des nächtlichen Waldes, Frosch, Spinne, Eule, Marder. Ein Wolf heult auf. Schüsse knallen. Eo findet ihn in einer Blutlache, läuft weiter in die Morgenröte, in der sich Windräder wie bei einer Drogenhalluzination zur elektronischen Musik immer schneller drehen. In einer Kleinstadt wird er plötzlich zum Fußballmaskottchen und von den Verlierern niedergeknüppelt. Drei Hufe im Jenseits verwandelt er sich im Albtraum zum Roboter und erlebt apokalyptische Szenarien, immer wieder unterbrochen von Magdas Umarmungen. Er überlebt. Beim Tiertransport zum Schlachthof kommt es noch schlimmer. Wieder verhilft ihm ein Zufall zu einem neuen herrschaftlichen Zuhause. Getrieben von der Sehnsucht nach der Artistin büchst er auch hier aus, um sein Leben unumstößlich in einem hoch industrialisierten Feedlock zu fristen. 

Es gibt kein Happend, nur das nachhaltig traurige Gefühl, was der Mensch mit den Tieren und der Natur anstellt. Jerzy Skolimowski und Ewa Piaskowska gelingt zusammen mit Kameramann Michal Dymek, Cutterin Agnieszka Glińska und dem Komponisten Paweł Mykietyn das Kunststück eines perfekten Perspektivwechsels. Man sieht, hört, fühlt wie Eo. Was er träumt, sind die Albträume, die wir als Menschen verursachen. Eo wirkt immer mehr wie ein sensibler, sehr verletzbarer Mensch. Aber Esel können im Gegensatz zu solchen Menschen im richtigen Augenblick aus- und ko-schlagen, was für kurze, humorvolle Momente sorgt, oder Eo läuft einfach von den menschlichen Eseleien davon, die er schräg aus den Augen beobachtet und durchaus zu verstehen scheint. Eos Ohren wittern jedes Geräusch, seine Augen spiegeln seine unendliche Traurigkeit. Das menschliche Umfeld dagegen degradiert zur parodistischen Posse nicht minder unglücklich und mit jeder Menge Traumata bepackt, die am Rande als dramaturgische Satire auftauchen, um gleich wieder ins Nichts zu verschwinden. Nur Magda weiß, was wesentlich ist. Aber sie entschwindet als schemenhaftes Traumwesen einer hocherotischen Erinnerung. 

Künstlerisches Team: Jerzy Skolimowski (Drehbuch, Regie), Ewa Piaskowska (Drehbuch), Michal Dymek (Kamera), Agnieszka Glińska (Schnitt), Pawel Mykietyn (Musik)

Es spielen in der Hauptrolle Tako, ein Esel aus sardischer Zucht und fünf Doubles, außerdem Sandra Drzymalsk, Lorenzo Zurzolo, Mateusz Kosciukiewicz, Isabelle Huppert

„EO“ kommt am 22. Dezember in die deutschen Kinos.