Georg Maas, Judith Kaufmann – „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Kafka von einer ganz anderen Seite an seinem 100. Todestag

Filmkritik "Alle Herrlichkeit des Lebens" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Majestic/Mathias Bothor

Georg Maas und Judith Kaufmann fokussieren in ihrem Film auf die letzten Monate von Kafkas Leben. Tuberkulosekrank sucht er 1923 am Meer eine Linderung seines Leidens. Er lernt Dora Diamant kennen. Sie lädt ihn zum Sabbat-Fest ein. Zwei Seelen finden sich, wobei immer Dora die Initiative ergreift. Sie lässt sich von seiner Krankheit und der skurrilen Mausgeschichte, die er den Kindern erzählt, nicht abschrecken. Doch der Vater unterbindet den Kontakt, ordert Kafka nach Hause. Nichtsdestotrotz reist Kafka  bei der nächsten Gelegenheit nach Berlin, um bei Dora zu sein. Es werden trotz der ärmlichen Umstände glückliche Tage. „Am größten ist das Glück, wenn es ganz klein ist“. 

Mit Sabin Tambrea und Henriette Confurius großartig besetzt sprechen Blicke in der Stille, spiegelt sich im Lächeln das Glück den Lebensmenschen gefunden zu haben. Mit Klavier und Geige adäquat zu den Stimmen von Kafka und Dora untermalt gelingen subtile Augenblicke. Wie sehr ihre Seelen gemeinsam auf Augenhöhe schwingen, zeigt eine fröhlich kreative Szene, in der beide einen Brief einer Puppe formulieren, um ein Mädchen im Kinderheim wegen der verlorenen Puppe zu trösten. Als Kafka Dora später den „Brief an den Vater“ (1919) zu lesen gibt, beginnt man die Abgründe, die ihn vom Vater trennen, zu verstehen.

Die dunklen Seiten Kafkas, seine Ängste vor Bürokratisierung, Spionage, Vereinsamung tauchen in den Nächten auf, wenn er in eine Decke gehüllt, mit Handschuhen schreibt. Im Umfeld des kalten Zimmers und seines Krankheitszustandes schreibt er seine kafkaesken Geschichten wie „Gibs auf“(1929)  oder „Die Verwandlung“ (1915), was zwar dramaturgisch bestens passt, aber chronologisch nicht korrekt ist. Der alte Ofen gewinnt witzig an Bedeutung als möglicher Spion und dem Kafka-Kenner kommt die Parabel vom  „Kübelreiter“ (1917)  in den Sinn. Freund Max Brod bringt gute Nachrichten. Ein Geschichtenband von Kafka soll veröffentlicht werden. Doch Kafkas Zustand verschlechtert sich in seinem feuchten kalten Zimmer so stark, dass er in ein Sanatorium muss. Dora reist ihm nach. Die gemeinsamen Tage sind gezählt. Im Wind flattert immer noch das rote Band. Max Brod erbt Kafkas literarischen Nachlass. Er verbrannte ihn nicht, wie es Kafkas Wunsch war, sondern veröffentlichte Kafkas Werk. 

Die filmische Verklärung mag manchen zu melodramatisch sein. Es ist Kafka zu wünschen, dass er diese Liebe so erlebt hat. Heute gilt Kafka als der am  meisten gelesene deutsche Dichter. Jetzt gibt es Kafka auch für Kinder. Parallel zum Film erschien im Fischer-Verlag „Herr Kafka und die verlorene Puppe: Poetisches Kinderbuch ab 5 Jahren. Kinderliteratur zum Vorlesen und Selberlesen“.

Künstlerisches Team: Georg Maas, Michaela Gutmann (Drehbuch), Georg Maas, Judith Kaufmann (Regie), Judith Kaufmann (Chef-Kamerafrau), Tanja Hausner (Chef-Kostümbildnerin), Gisela Zick (Chef-Cutterin)

Mit: Sabin Tambrea (Franz Kafka), Henriette Confurius (Dora Diamant), Daniela Golpashin, (Elli, Kafkas Schwester), Manuel Rubey (Max Brod)