Frauke Finsterwalder „Sisi & Ich“

Filmkritk "Sisi & Ich" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©DCM, Bernd Spauke

Zwei Frauen treffen wie Licht und Schatten zusammen, die schöne Kaiserin Sisi, eine egomanisch, sehr modern denkende Frau, extrem launisch und cholerisch, Irma, ihre neue Hofdame, noch linkisch, aber bemüht, anpassungsfähig und neugierig, pflichtbewusst, aber nicht devot. Wie bei einem Pferd werden Irmas körperliche Qualitäten inklusive der Zähne überprüft. Sie lässt alles mit sich geschehen, lernt schnell, hungert sich auf Sisis Normmaße und ähnelt ihr immer mehr, nur dass ihre Haare rotblond wallen und Sisis Haare dunkelbraun. Aus der Perspektive von Irma wird Sisis luxuriöses Leben im kleinen Kreis ihrer Vertrauten, den beiden Zofen Fritzi (Sophie Hutter) und Marie (Maresi Riegner) und dem einzigen Mann, Graf von Berzeviczy (Stefan Kurt) zunächst sehr befremdlich. Irma beobachtet jedes Detail fragt nach, hakt nach und beginnt Sisi immer mehr zu verstehen. Statt darauf zu achten, dass nichts aus dem Ruder läuft, lässt Irma sich von Sisis Spontaneität anstecken und springt ihr mutig von den Klippen ins Meer hinterdrein. Wie Schwestern kuscheln sie bei Gewitter unter der Bettdecke. Kein Wunder, dass sich Irma in Sisi verliebt, wunderbar subtil und authentisch von Sandra Hüller (Irma) und Susanne Wolff (Sisi) vor allem über die Sprache der Blicke gespielt und von der Kamera in unterschiedlichsten Lichtnuancen atmosphärisch eingefangen. 

Der Film beginnt im sonnigen, noch völlig ursprünglichen Korfu. Sisi hat sich vom Hofleben zurückgezogen. Sie genießt es mit ihrem Minihofstaat wie in einer Edelkommune mit exzentrischen Ritualen zu leben, fern der höfischen Verpflichtungen und dem damit verbundenen Erwartungsdruck, immer die Schönste sein zu müssen. Unterwegs bei der Morgenwanderung frisch gemolkene Ziegenmilch, später etwas Kokain gegen die Hungergefühle, bulimisches Erbrechen in der komfortablen Villa. Das süße Nichtstun lässt Raum für Extravaganzen aller Art.

Eine Begegnung mit Sisis geliebtem Großcousin König Ludwig II sieht das pointierte Drehbuch nicht vor, dafür einen Besuch vom schwulen Erzherzog Viktor, den Georg Friedrich als Enfant Terrible in Hippieoptik mit pointiertem Wiener Schmäh,Theaterpossenspiel, Séancen und altertümlicher Tätowierungsszene dramaturgisch aufpeppt. Er bleibt nicht lange und ironisiert die Szene mit dem berühmten stereotypen Zitat des Kaisers. „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut! “ 

Um der Langeweile zu entgehen, will Sisi nach Algier, wo sie zusammen mit Irma naiv als Schönheitsmittel deklariert so viel Haschisch konsumiert, dass beide um die Wette kichern. Nach England reist Sisi nur noch in Begleitung von Irma. Ihre liebste Zofe Fritzi entlässt sie mit einer großzügigen Apanage, damit diese nie mehr arbeiten muss. Als Sisi eine Liason mit dem Reitlehrer beginnt, holt sie der Kaiser zurück an den Hof nach Budapest. Sisi plant mit Irma die Flucht. Dazu kommt es nicht mehr. Attentat oder geleistete Sterbehilfe? Das bleibt offen. 

Trotz der schauspielerischen Leistungen und großartigen Bildseqenzen hinterlässt „Sisi & Ich“ das schale Gefühl eines ästhetisierenden Ausstattungsfilms entlang von Sisis hinlänglich bekannten Lebensstationen. Im Vergleich zu Marie Kreutzers „Corsage“ (siehe Berichterstattung vom 14. Juli 2022)  mit Vicky Krieps als Kaiserin zieht „Sisi & ich“ den Kürzeren.

Künstlerisches Team: Frauke Finsterwalder (Drehbuch, Regie), Christian Kracht (Drehbuch), Thomas W. Kiennast (Kamera), Tanja Hausner (Kostüme)

Besetzung: Sandra Hüller, Susanne Wolff, Georg Friedrich, Stefan Kurt, Sophie Hutter, Maresi Riegner, Markus Schleinzer, Tom Rhys Harrie

„Sisi&Ich“ ist ab 30. März in den deutschen Kinos zu sehen.