Estebaliz Urresola Solaguren „20000 Arten von Bienen“ 

Filmkritik "20000 Arten von Bienen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Gariza Films, Inicia Films

Der Vater schiebt berufliche Gründe vor, um nicht seine Frau mit den drei Kindern in ihr Heimatdorf begleiten zu müssen. Der kleine Bruder will beim Vater bleiben. Man fühlt, dass es in der Ehe kriselt. Die Mutter lässt die Kinder von der Großtante und der Oma betreuen, um sich als Künstlerin und für eine Dozentenstelle zu positionieren. Sie erkennt zwar Cocos Identifikatiossuche, ist aber zu sehr mit ihrer beruflichen Laufbahn beschäftigt, um sich ernsthaft mit ihrem Kind auseinanderzusetzen. Coco, sehr authentisch von Sofía Otero gespielt, fühlt sich allein gelassen. Traurig und gelangweilt blickt er auf sein Umfeld, dass sein Problem ignoriert. Nur als ihm die Nachbarn wegen seiner schönen Haare als hübsches Mädchen einordnen, strahlt Coco, der durch seinen Spitznamen von seinem männlichen Vornamen Aiton bewusst ablenkt. Doch der Oma ist das eher peinlich. Sie will, dass Coco endlich einen ordentlichen Haarschnitt bekommt. Er isoliert sich immer mehr.  Nur die Großtante, leidenschaftliche Imkerin, versteht ihn. In Gesprächen über die Bienenzucht gewinnt sie sein Vertrauen. „Warum kann ich nicht als Junge sterben und als Mädchen wiedergeboren werden?“ schüttet er ihr sein Herz aus. Ihre geduldige, ruhige Art hat die  Großtante von den Bienen gelernt. Jedes Bienenvolk braucht  seinen Raum, um zu überleben. Sie spricht Coco so an, wie er sich fühlt, mit dem weiblichen Pronomen. Mit ihr wagt er sich ins Wasser und später den Wunsch mit einem Mädchen die Badehose zu tauschen, die berührendste Szene des Films. In der Kirche findet Coco in der heiligen Lucia, der Erleuchteten, ihren neuen Wunschnamen Lucia. Die Situation spitzt sich zu, als Lucia ein Kleid zur Tauffest eines neuen Familienmitglieds anziehen will. Dafür scheint die Zeit noch nicht reif zu sein. Coco verschwindet. Alle suchen nach ihm. Doch erst als sein Freund statt Ation nach Lucia zu rufen beginnt und immer mehr dabei einstimmen, scheint sich eine Lösung anzubahnen.

In subtilen Bildern setzt Estebaliz Urresola Solaguren ihr Drehbuch um. Sie zeigt den ganz normalen Alltag. Jede Figur hat ihre Schattenseiten, die sich ohne große Dialoge in kurzen Sätzen, durch Blicke oder nur durch eine Kameraeinstellung offenbaren. Schauspielerisch sehr gut auch in den Nebenrollen besetzt, gewinnt der Film eine sehr große Authentizität und Emotionalität. Für Familien mit dieser Problematik ist der Film durchaus eine Perspektive. Andererseits wird durch solche Filme eine Randproblematik derart hochstilisiert, dass er Trends in die Welt setzen könnte. 

Künstlerisches Team: Estebaliz Urresola Solaguren (Drehbuch, Regie) Raúl Barreras (Chef-Kameramann) und Gina Ferrar (Chef-Cutter) Chef-Kameramann

Mit: Sofía Otero (Coco), Patricia López Arnaiz (Mutter Ane), Itziar Lazkano (Oma), Ane Gabarain (Großtante Lourdes)