Ein kleines Cafe vor historischer Mauer suggeriert Geborgenheit, die gerade zerbricht. Der Freund (Jacob Matschenz) macht Schluss. Undine Wibeau (Paula Beer) ist umgurgelt von Geräuschen, kehrt zurück zu ihrer Arbeit im Museum, wo sie Interessierten drei Jahrzehnte Stadtgeschichte erklärt.
©Christian Schulz/Schramm Film
Christoph, ein Teilnehmer (Franz Rogowski) folgt ihr in seiner Begeisterung für den Vortrag, als noch sie nochmals in das Lokal geht, rempelt ungeschickt gegen ein Regal. Ein Aquarium kippt nach unten , reißt beide durch einen Schwall Wasser mit. Ein Blick und sie wissen, sie gehören zusammen. Er ist als Industriearbeiter in der Natur am See. Sie wohnt mitten in Berlin, dort wo es am hässlichsten ist. Durch leitmotivische Details, telepathischen Pulsschlag der Verliebten offenbart sich sich immer mehr der Mythos von einst im Alltag von Heute.
Es fasziniert weniger die Handlung als die Magie der Szenen, die die beiden Schauspieler unter der Regie von Christian Petzold entwickeln und unter Wasser von der Regie befreit selbst kreieren. Hier finden sich zwei Seelenverwandte mit der gleichen Herzfrequenz, die sich über das reale Leben hinaus finden. Die Unterwasserwelt wird zum geheimnisvollen Sagenort. Die Wasserblasen blubbern im emotionalisierter Dynamik. Musik von Bach unterstreicht dezent die Gefühlszustände von innigster Zweisamkeit und größter Einsamkeit. Neu Petzolds Mythosversion ist Undine Schuldanteil. Ihre Lüge als Ausdruck eines Vertrauensbruchs führt letztendlich zu einer tragischen Verkettung von Mord, Selbstmord und Selbstmordversuch, in dem auch Romeo- und Julia-Mythos aufleuchtet.
©Christian Schulz/Schramm Film
Kamera und Schnitt fokussieren auf ein Kammerspiel der Augen, in denen sich sich das ganze Spektrum der Gefühlswelten spiegelt. Die Liebe macht selbst aus dem Unort der Berliner Mitte mit ihren gigantischen sozialistischen Hochbauten ein Liebesnest, das sich sofort auflöst, wenn die Liebe fehlt. Noch viel intensiver offeriert die Unterwasserwelt das Wesentliche einer Beziehung, Vertrauen und Achtsamkeit. Ein zwei Meter langer furchterregender Wels avanciert zum Symbol natürlicher Gewalt, eine kleine Taucherfigur zum Sinnbild des Suchens nach emotionaler Tiefe. Folgt man diesen leitmotivischen Details ergibt „Undine“ eine wundbare Parabel über die Liebe, die über Trennung hinweg, bestehen bleibt. Insofern ist „Undine“ eine Variation von Petzolds „Transit“ statt mit einem politischen Hintergrund mystisch verankert. Gleichzeitig bekommt Berlin, die sagenlose Metropole auf Wasser und Sumpf gebaut, eine ganz neue und überraschende mythologische Dimension. Im Gegensatz zu „My Salinger Year“ zielt „Undine“ schon wesentlich stärker in die Runde der Favoriten des Berlinale-Wettbewerbs.