Berlinale – Ulrich Seidl „Rimini“ – von der Tristesse des Alterns

Filmkritik Ulrich Seidl "Rimini" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Ulrich Seidl Filmproduktion

Rimini in Schnee getaucht, windig, mit starkem Wellengang,  ist zu Richie Bravos (Michael Thomas) Schlagertexten das pure Gegenteil. Alt und dicklich ist er, der Traummann aller weiblichen Schlagerfans geworden. An seinem perfekten Bühnenoutfit, merkt man, dass er schon wesentlich bessere Tage gesehen hat. Jetzt singt er abends für die Hotelgäste, die ein Bus herankarrt,  lässt sich von den alten Damen feiern und für Sex von ihnen bezahlen. Unter dem Seehundmantel nur im Feinrippunterhemd wird der wahre Richie Bravo sichtbar, eine versoffene und vereinsamte Existenz.

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©Ulrich Seidl Filmproduktion

Als seine Tochter Tessa (Tessa Göttlicher) plötzlich auftaucht und im Rückblick auf die bislang verweigerte finanzielle Unterstützung Geld einfordert, wird es monetär eng. In Richie regen sich Vatergefühle, aber die Gagen sind klein. Der Verkauf seines Schmucks bringt wenig ein, für das Ex-Video einer Verehrerin, womit er den Ehemann erpresst, bekommt er schon wesentlich mehr, wie das dicke Briefkuvert signalisiert. 

Das wäre durchaus eine starke Story, aber Seidl fokussiert zu sehr auf die antiquierten Bühnenattitüden von einst, auf Suff und Sex in der maroden Villa. Uralt wirkende Frauen in Spitzendessous, die prall aus rotem Samtausschnitt rutschende Brust, die gewaltigen Anstrengungen zum Orgasmus sind nicht das Problem, sondern dass Seidl diese Szenen viel zu lange zelebriert, wobei die Tristesse ihre Tiefe verliert, der Film zu langweilen und zu nerven beginnt.

Besser gelingen die kurzen Szenen mit dem dementen Vater im Altenheim, grotesk wenn Richie das Nazi-Lied des Vaters schnulzig übertönt, berührend wenn der Vater mit Schuberts Winterreise sich allmählich vom Leben verabschiedet und die Migranten am Strand wie schwarze Stoffbündel im Schnee liegen. Umso krasser wirkt Seidls groteskes Finale. Nicht nur Tochter Tessa, schwanger, zieht mit mit ihrem arabischen Freund in Papas Villa ein. Im Handumdrehen verwandelt diese sich in ein arabisches Asyl, mittendrin auf einem barocken Doppelsofa Richie Bravo als King von Arabien. Diese Szene wird man so schnell nicht vergessen. Im richtigen Timing hätte der Film Kult werden können.