Berlinale – Sektion Wettbewerb – „The Survival of Kindness“ – „Das Überleben der Freundlichkeit“- eine mythische Reise zum Menschsein 

Filmkritik "The Survival of Kindness" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Triptych Pictures

Spannend von der ersten bis zur letzten Minute weitet sich Rolf de Heers Film „The Survival of Kindness“ zur mythischen Reise des Menschseins. Eine Aborigine wird, ohne dass man den Grund erfährt, in einem Gitterkäfig eingesperrt in der flirrenden Hitze der Wüste ausgesetzt. Ameisen, ganz nah gefilmt, krabbeln wie metallische Monster aus den Sandfugen, als hätte die Verwesung schon begonnen. Doch sie kämpfen metallklirrend gegeneinander und verziehen sich wieder. 

BlackWoman kämpft ums Überleben. Mit einem lockeren Metallteil schafft sie es das Schloss zu öffnen. Aufrecht, unerschrocken geht sie durch die Wüste, durchquert aufgelassene Häuser, Befestigungsanlagen, Ortschaften, Hohlwege, klettert an Felswänden hoch, erreicht eine Wald-Seen-Landschaft, folgt schließlich einer Straße, dann einer Bahntrasse. Der Weg ist gepflastert mit ermordeten oder fast toten Menschen. BlackWoman gibt ihnen Wasser zu trinken, nimmt die Schuhe, die Kleider mit, beerdigt die Leichen, versteckt ihr Gesicht hinter einer Gasmaske und wird in der Stadt ein zweites Mal Opfer.

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©Triptych Pictures

Jetzt muss sie wie viele andere Sklaven in Eisenketten Metallmüll sortieren, wie ein Hund auf dem Boden schlafen. Wer hustet, wird erschossen. Doch sie weiß sich zu befreien. Als sie das junge Pärchen, das ihr in der Stadt geholfen hat, mehr tot als lebend wieder trifft, bleiben ihr nur kleine Gesten menschlicher Fürsorge. In dieser ausbeuterisch menschenverachtenden Welt will BlackWoman nicht mehr leben. Sie geht zurück in die Wüste zu ihrem Käfig. Die Ameisen lassen wenig von ihr übrig.

Dieser Film brennt sich ein ins Gedächtnis allein durch die ungewöhnlichen Bilder, nicht durch den Text. Die minimalen Dialoge erfolgen in Phantasiesprachen, weil ohnehin keiner den anderen versteht. Die Kommunikation erfolgt über die Augen, Mimik und Gestik, die atmosphärische Verdichtung durch die Kameraeinstellungen und die subtile Soundgestaltung auf kaputten Instrumenten. Umso wirkungsvoller werden die einzelnen Tonsaiten, in denen Leid und Trost durch freundliche Gesten, harmonische und dissonante Töne erlebbar werden. 

Mit einem winzigen Filmteam von nur neun jungen Menschen, ohne jegliche technische Tricks hat Drehbuchautor und Regisseur Rolf de Heer diesen Film über „The Survival of Kindness“ in der südaustralischen Wüste und in den Bergen Tasmaniens gedreht. Rolf de Heer ist in jeder Hinsicht Minimalist und trifft genau deshalb das, worauf es ankommt, eben nicht auf die persönlichen Bedürfnisse, sondern wie in den großen antiken Epen auf das Menschsein an sich, das Kameramann Maxx Corkindale und Komponistin Anna Liebzeit hervorragend umzusetzen wissen. Für die Hauptrolle castete Rolf de Heer Mwajemi Hussein, die keinerlei filmische Erfahrung vorzuweisen hatte. Sie spielt diese BlackWoman aus ihrem eigenen kulturellen Kontext mit stoischer Gelassenheit. Sie kann tatsächlich lange barfuß auf heißem Sand laufen. Das erinnert sie an ihre Wurzeln. Und sie ist mutig, wagt es ins kalte Wasser zu springen und neue Erfahrungen zu machen, wodurch sie die Strapazen sehr aufrecht, sogar mit einem Lächeln zwischendurch ihrem Naturell gemäß spielt. Durch ihre mitmenschliche Aura, ihren heroischen Wagemut und ihre selbstbestimmte Entschlusskraft wird der Film trotz aller Gewalt und Gräueltaten zum Leuchtturm einer mahnenden Botschaft. „Es gibt viel Freundlichkeit in dieser Welt, aber wir sind in der Gefahr sie zu verlieren“, wie es Rolf de Heer auf der Pressekonferenz formulierte. 

Künstlerisches Team: Rolf de Heer (Drehbuch,Regisseur), Anna Liebzeit (Komponistin), Maxx Corkindale (Kamera)

Besetzt mit Mwajemi Hussein, Deepthi Sharma, Darsan Sharma