Berlinale – Joaquin del Paso – „Robe of Gems“ – ein berührendes kollektives Porträt von Mexiko

Berlinale Filmkritik "Robe of Gems" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Robe of Gems“ ©72. Internationale Filmfestspiele

Berührt vom Leid der Mütter in ihrer Heimat schrieb Natalia López Gallardo das Drehbuch für den Film „Robe of Gems“. Zusammen mit Fernanda de La Peza und Joaquin del Paso investierte sie fünf Jahre in dieses Projekt, das vorwiegend mit Laiendarstellern gespielt wurde. Der Film sollte kein politisches Statement sein, sondern die „psychologischen Wunden Mexikos“ darstellen, das so sehr unter der organisierten Kriminalität leidet. 

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Auch auf der Pressekonferenz sichtbar berührt Drehbuchautorin und Regisseurin Natalia López Gallardo  ©Michaela Schabel

Es sind in dieser Machogesellschaft immer noch die Männer, die töten. Die Frauen leiden und weinen. Sie versuchen den Kindern Schutz und Liebe zu geben, mitunter auch gegenseitig. Es hilft ihnen niemand und schon gar nicht den Kindern, die von klein auf von den Eltern falsch erzogen wurden, wie ein junger Autor es auf einer Familienfeier provokativ formuliert und deshalb am Weiterlesen gehindert wird. Gleichzeitig eröffnet der Blick über drei Generationen  auf  das karge agrarischen Mexiko, die Ödnis der Landschaft die Sehnsucht nach den Gütern des vermeintlichen Fortschritts, befeuert von dem ohnehin markanten Unterschied zwischen Wohlhabend und Arm. Doch im Leid sind alle Frauen gleich und nur Lustobjekt für die Männer. Isabel hat Glück. Als blonde Frau ist sie nicht der Typ des Kriminellen, bei dem sie entführt landet. Nackt und unter einer Salve von Schüssen lässt er sie aus Jux um ihr Leben rennen. 

Die Dialoge sind kurz, alltäglich, einfach bleiben an der Oberfläche Gallardo scheute sich diesen Schicksalen, größtenteils von Laien gespielt, ihre eigenen Worte und Gedanken unterzuschieben. Und dennoch enthüllen sie die dunklen Visionen, wenn schon das Mädchen Valeria sinniert: „Wir werden alle krank und sterben“. Die Schuld gibt ein junger Autor den Eltern, die schon dem Kind in den jüngsten Jahren die Freiheit der Entwicklung nehmen. 

Vor dieser dialogischen Sparsamkeit wirkt die visuelle und akustische Umsetzung umso empathischer. Immer wieder verwischen die Bilder, um die Menschen aus dem Schemenhaften umso klarer heraustreten zu lassen. Doch die optische Präzision täuscht. Man weiß trotzdem nichts über diese Menschen und ihre Positionierung im Leben. Sie oszillieren zwischen den Welten, zwischen der Bürgerlichkeit und dem organisierten Verbrechen, werden Opfer, indem sie die Hintergründe erforschen wollen, oder Mittäter, die keine andere Wahl mehr haben. 

Immer wieder leuchten Symbole dieser Identitätskomplexität auf, in Stapeln von Hüten auf einer Kommode, einer kleinen Buddhastatue als Verweis auf immer neue Inkarnationen, eine weiße Schüssel mit Wasser als Zeichen der Unschuld und Feuer als Ausdruck emotionaler Explosionen. Angezündet windet sich ein Opfer im Totentanz und alle anderen schauen in Schockstarre zu. Das ist die finale Botschaft dieses Mexiko-Porträts. „Robe of Gems“, die Facetten eines rohen Edelsteins. Nur der richtige Schliff fehlt.