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Im Kapitel „Grundrechte in Coronien“ denkt er tagebuchartig mit Datum staatliche Eingriffe, „staatliches Versagen“, durch den ersten Lockdown in seiner Konsequenz weiter und fordert Änderungen, v. a. der gewinnorientierten Ökonomisierung der Medizin. Die Corona-Warn-App sieht er als den „Anfang einer großen fürsorglichen Überwacherei“ auch in anderen Lebenskrisen.
„Was bei den bisherigen Sicherheitsgesetzen der Terrorismus, ist bei den Gesundheitssicherungsgesetzen das Virus. Das Virus wird zum Gesetzgeber“, so Prantl. Nach Monaten der Pandemie hätte die Re-Parlamentalisierung der Corona-Bekämpfung stattfinden müssen. Die Grundrechtsbeschränkungen wären wahrscheinlich ähnlich ausgefallen, aber die Prozesse des Aushandelns wären transparenter und demokratischer gewesen.
Wird es künftig ein Makel ein Corona-Abi vorzulegen? Sind Schulschließungen das adäquate Mittel, wenn in riesigen Fleischbetrieben wie in Gütersloh Corona ausbricht? Kabarettistisch artete der Versuch aus, über Präsenzzettel, die nirgends kontrolliert wurden, Infektionsketten nachzuverfolgen. In Notzeiten wünschen sich Bürger einen starken Staat. Er wird wieder zur Obrigkeit, die Bürger werden zu Kindern. In einer Demokratie aber müssen die Bürger selbst Verantwortung übernehmen. Sie können und sollen ihren Unmut äußern und demonstrieren, müssen aber auch den Abstand der Corona-Verordnungen einhalten und den Abstand zu Rechtsextremisten. Sie dürfen sich in ihren Protesten weder radikalisieren noch nazifizieren lassen. Beleidigt nicht systemrelevant zu sein, kritisiert Prantl die Kirchen in ihrer dienenden Anpassung an das Verbotsmodell Corona mit Distanz als neuer Formel der Nächstenliebe.
Mit V R, das Virus Rassismus, bringt Prantl ein noch gefährlicheres Virus als Sars-CoV2 ins Spiel. Von der Bibel über Kant bis zur AfD beleuchtet er die Geschichte des Rassismus, warnt vor „neobraunem Ungeist“. Viele Themen wurden „von Corona aufgefressen“, blieben unbeachtet und in Folge zählt er eine bunte Mischung pointiert formuliert von Themen auf, die ihn bewegen.
Von wenigen Details abgesehen findet der zeitkritische Leser wenig Neues. Prantl legt den Finger auf die Wunden der Institutionen. Dass unsolidarisches Verhalten der Bürger staatliche Zwangsmaßnahmen provoziert, auf diesen Teufelskreis geht er nicht ein.
Heribert Prantl, 1953 in Nittenau in der Oberpfalz geboren, prägt durch seine Publikationen die öffentliche Meinung.
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Nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt, Richter, Staatsanwalt, Pressesprecher. Von 1995 bis 2017 leitete er das Ressort Innenpolitik, von 2018 bis 2019 das Ressort Meinung der Süddeutschen Zeitung, wo er von 2011 bis 2019 Mitglied der Chefredaktion war. Parallel veröffentlichte er zahlreiche Bücher.
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Heribert Prantl „Not und Gebot – Grundrechte in Quarantäne“ Verlag C.H.Beck oHG, München 2021, 200 S.