Falko Liecke „Brennpunkt Deutschland – Armut, Gewalt, Verwahrlosung – Neukölln ist erst der Anfang“ 

Buchrezension "Brennpunkt Deutschland" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Quadriga Verlag, 2022

Deutschlands Zukunft entscheidet sich aus der Perspektive Lieckes in Neukölln. Hier prallen alle Problembereiche mit extremer Intensität aufeinander. Entlang der U7 und U8 haben sich inzwischen zu Drogenlinien außer jeglicher Kontrolle entwickelt. Da weder Dealer noch Süchtige Interesse daran haben die Polizei zu informieren, sind Drogendelikte opferlose Straftaten, die wie Krebsgeschwüre wuchern. Der U-Bahnhof Schönleinstraße ist inzwischen das schlimmste Drogenloch der Stadt. „Das menschliche Elend ist hier kaum auszuhalten“ und man kann das beim Lesen nachempfinden. Obwohl jedes Jahr 60 Millionen Euro in die Kinder- und Jugendhilfe investiert werden, sind die Erfolge kaum sichtbar. „Berlin ist mit seiner Drogenpolitik krachend gescheitert“.

Liecke schildert drastisch die Probleme, überzeugt mit Fakten und Zahlen, benennt die bürokratischen Hürden, personellen Befindlichkeiten, warum Projekte wie die „Babylotsen“ erst nach hartem Kampf eingeführt wurden, die Rolle der Verwandtenehe bezüglich der hohen Babysterblichkeit in Neukölln immer noch nicht analysiert wurde und kontert mit gelungenen Sozialprojekten wie „Kiezsterne“ und „Stadtteilmütter“ in ihrer Vorbildwirkung. 

Bürokratie und Rechtsprechung verhindern schnelle Hilfe. „Ein aberwitziges Datenschutzgesetz“ blockiert wie ein „Felsbrocken“ den ohnehin steinigen Weg sozialer Betreuung und polizeilicher Untersuchung und entlastet durch regelmäßige Vernichtung der Akten langjährige Kriminelle. Erst 2021 begann Berlin Straftaten den Clans zuzuordnen. Die Bedeutung des kriminellen Clanumfeldes auf die Kinder wurde völlig unterschätzt. Kriminelle Taten gelten als Mutproben. Gefängnis ist inzwischen der Ritterschlag für Clan-Mitglieder. „Knast macht Männer.“ Wer nicht mitmacht, muss mit Repressalien rechnen. 2020 verübten 388 Clan-Mitglieder 1013 Straftaten. Das ist nur die Spitze des kriminellen Eisberges. Als deutschen Staatsbürgern sind den Clan-Mitgliedern Sozialleistungen bis an ihr Lebensende sicher, auch wenn sie in teuren Autos in Sozialämtern vorfahren und die Rolex als Statussymbol am Handgelenk glitzert. Der Staat sieht zu, wie die nächste kriminelle Generation heranwächst, denn über kriminelle Mutproben werden viele Kinder in diesem Milieu bewusst ganz konträr sozialisiert und integriert. Ob es in Neukölln Krieg oder Frieden gibt entscheiden nach Liecke inzwischen nicht die Polizisten, sondern Tschetschenen und arabische Clans,. 

Womit sich Liecke im beruflichen Alltag auseinandersetzen muss, ist haarsträubend, dabei schreibt er, aus gutem Grund, längst nicht alles, was er weiß. Seit 13 Jahren kämpft er gegen jeglichen Rassismus und Extremismus, ob von rechts oder links, und wird gerade deshalb von gewaltbereiten Extremisten, Clan-Mitgliedern und dem linken Milieu angefeindet . „Mut, den Deutschland braucht“ konstatiert er. Den hat er. Im Resümee seines Buches, das er noch vor der deutschen Bundestagswahl 2021 beendete, wünscht sich Liecke Abstand von der „paternalistischen Verbotspolitik“ hin zu „neuer Verantwortlichkeit“, die sieht er aber in Berlin durch die 20-jährige durchgängige sozialdemokratische Regierung mehr als gefährdet, schließlich „sei es Wahnsinn, stets das Gleiche zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten.“ In seinem Kampf wirkt Liecke wie David gegen Goliath, nur nicht so erfolgreich. „Ich habe mein ganzes politisches Leben dafür gearbeitet, dass diese Stadt besser wird, als sie ist. Ich werde jetzt nicht damit aufhören“, klingt zwar nach Wahlkampf, ist aber letztendlich nach der Faktenlage durchaus verständlich. Es bräuchte allerdings für diese Herkulesaufgabe wesentlich konzertiertere Aktionen. 

Buchrezension "Brennpunkt Deutschland" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Quadriga Verlag, 2022

Falko Liecke wurde 1973 in Berlin geboren. Seit 2009 ist er Stadtrat in Neukölln, alternierend zuständig für Bürgerdienste und Gesundheit, speziell für Jugend und Gesundheit, Soziales und stellvertretender Bürgermeister, Mitglied der CDU Berlin und seit 2015 Kreisvorsitzender der CDU-Neukölln, seit 2019 auch stellvertretender Landesvorsitzender der Partei.

Falko Liecke „Brennpunkt Deutschland – Armut, Gewalt, Verwahrlosung – Neukölln ist erst der Anfang“, Quadriga Verlag, Berlin 2022, 288. S.