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Vortrag – „Von ’sober‘ bis ‚ultra‘: Barock in der modernen Kunst“ im Koenig-Museum Landshut

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Vortrag – „Von ’sober‘ bis ‚ultra‘: Barock in der modernen Kunst“ im Koenig-Museum Landshut

©Imago, Foto: Jörg Ludwig

Barock war ursprünglich ein Schimpfwort. Mit „barocco“ bezeichnete man schiefrunde Perlen, also etwas, was nicht formvollendet war, sondern bizarr, merkwürdig, überschwänglich. Cornelius Gurlitt, Osbert Sitwell, Wilhelm Hausenstein beschäftigten sich im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts mit dem Geist des Barocks und seiner Stellung im Bezug zur Moderne. Wegen der stiltypischen Anamorphose, die Dinge erst über raffinierte Perspektiven oder Spiegelungen real zu erkennen, begann man den Barock als Wegbereiter der Abstraktion zu sehen. 

Der Drang nach Mythifizierung und die Haltung zwischen Vanitas und Carpe-Diem machen den Barock auch heute wieder interessant, wie die gegenwärtige Ausstellung „Going Baroque“ in der Galerie LAProject zeigt. Jörg Ludwig hatte den Vortrag initiiert und mit Karl Sperk, dem ersten Vorsitzenden  des „architektur und kunst e. v. landshut“, realisiert.  

Henry Keazor stellte die stilistischen Kategorien von „sober“ (nüchtern), rich (reich), exuberant (überschäumend) und „ultra“ entlang den einzelnen, historisch aufeinander folgenden Phasen und Vorbildern des Barocks in Szene. 

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©Jörg Ludwig

In einem der Hauptgebäude der Postmoderne, dem AT&T(Sony)-Building (Philip Johnson 1984), entdeckt Henry Keazor die Stilmittel des soberen Frühbarocks. Die Granitfassade schimmert rosafarben. Die Arkaden im unteren Bereich zitieren Palladios Baustil und der Chippendale-Giebel spiegelt funktionslose Lust an reiner Dekoration. 

Die „Piazza d’Italia“ (Charles Willard Moore 1978) in New Orleans verkörpert in zig Anspielungen den Reichtum hochbarocker Stilmittel von raffinierten Perspektiven, Brunnen bis zu Wassersäulen und -speiern in Kombination mit modernen Materialien. Nur partiell realisiert ist diese Piazza allerdings heute alles andere als ein Ort südländischer Kommunikationsfreudigkeit. 

Dagegen ist das Département des Arts de l’Islam du Musée du Louvre in Paris (Rudy Ricciotti/Mario Bellini 2012) ein grandioses Beispiel exuberanten Spätbarocks. Der geschwungene Faltenwurf des Daches, eine Reminiszenz an die Kleiderpracht des Rokoko, wirkt wie ein fliegender Teppich, in dem natürliche Schönheit, versteckte Materialität und Funktionalität perfekt aufeinander abgestimmt sind. 

Als ultra Barock präsentierte Henry Keazor „The Cloud“, dem Nuevo Centro Congressi in Rom (Massimiliano Fuksas 2016). In einem nüchternen Glaskubus schwebt poetisch eine Wolke, in der über Treppen das Auditorium erreichbar ist. 

Seinen Vortrag beendete Keazor mit Davide Quayolas vielschichtiger Videoinstallation „Strata #3“, in der die äußeren Schichten digital animiert abblättern, um die tieferliegenden freizugeben und damit die schmale Grenze zwischen Realem und Künstlichem bewusst zu machen. Hinter der optischen Wahrnehmung brechen alte Strukturen auf und fusionieren zu neuen Welten, die nicht nur als organisches Wachsen sichtbar, sondern durch eigens geschaffene Kompositionen auch hörbar gemacht werden.

Der Vortrag animierte im Nachgang zu einem angeregten Gespräch über Baubeispiele aus dem Erfahrungsbereich der Zuhörer. Die Barockisierung der Moderne scheint noch anzuhalten und zeigt sich auch in der Malerei deutlich in der Hinwendung zum Figurativen und Emotionalen wie in Norbert Biskys 7 x 7 Meter großem Himmelabwärts-Bild „Taumel“.