©Michaela Schabel
Dazu gehört der Deutsche Pavillon, der schon in der Kunstbiennale im Vorjahr große Aufmerksamkeit erregte, weil die Ausgrabungen bis zu den Fundamenten eine berührende Stille in Erinnerung an den Schrecken des Holocaust assoziieren ließ. Dieses Jahr herrscht hier eine umtriebige Geschäftigkeit. Nicht mehr benötigte Materialien für die Architekturbiennale wurden als Werkmaterial gesammelt, um sie für den Wiedergebrauch zu reinigen und zu reparieren. Kreislaufwirtschaft auch im Bauen ist die Devise der angebotenen Werkstatt und Workshops. Sanieren und Erhalt ist ökologischer als profitorientierter Neubau nach immer stärker überzogeneren Industrienormregeln. Es gilt das Handwerk zu erhalten und den Menschen zu ermächtigen, sein Umfeld instand halten zu können.
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In diese Richtung tendieren auch der skandinavische und japanische Pavillon.Die Baumaterialen stehen im Vordergrund. Als edle Hightech mit maximaler Nachhaltigkeit auf höchster Qualitätsstufe hebt sich der Luxuspavillon von „Rolex“, seit 2014 Exklusivpartner und offizieller Zeitgeber der Architekturbiennale deutlich vom Umfeld ab, das mehr auf Holz und Lehmbauweise zielt nach dem Motto „zurück zu den Wurzeln, um überleben zu können“.
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Der Beitrag aus Uruguay, eine Oper über futuristische Zukunftsszenarien des jungen Waldgesetzes, vor 35 Jahren abgesegnet, bringt vieles zwischen Raubbau und Vision auf den Punkt. Letztendlich bestimmen die Gesetze, was mit Räumen passiert. Die Niederlande präsentieren ein überzeugendes Konzept, wie sie den Herausforderungen durch die Klimaerwärmung und den damit verursachten Meeresspiegelanstieg begegnen, indem Freiflächen für Überschwemmungen geschaffen.
Andere Konzepte lösen sich von dem Anspruch der Architektur perfekte Lösungen aus einer Hand und durch ein kleines Team anzubieten. Erstellt in Kollektiven von Architekten, Juristen, Raumplanern, Politikern, Sozialvertretern und künftigen Bewohnern zeigt eine Präsentation aus Indien Bauen als flexiblen Prozess, der in ständiger Diskussion langsam eine lebenswerte Architektur entwickelt mit Durchblicken in die Natur, gepflanzten Bäumen im Raum und bewachsenen Panelen in ausreichendem Abstand für die Ernte zu den Außenfassaden, mit privaten und gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten, die Rückzug, aber auch Kommunikation ermöglichen und Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.
Einen krassen Gegensatz dazu bietet China mit standardisierter Architekturgigantonomie in Form von Wohnsilos und einer riesigen Gefängnisanlage an der Grenze zu Kasachstan. Ungarn macht sich groß, lockt mit grandiosem Entree und seinen Renommeebauten, insbesondere mit dem neuen Ethnologischen Museum. Rumänien verweist mit dem ersten aerodynamischen Automobil auf seine innovative Rolle in der Vergangenheit. Manches, wie die Auszeichnung Caracas zum Weltkulturerbe erschließt sich nicht durch die schlechte Präsentation.
Wie bei allen derartigen Mega-Biennalen gilt es viel Zeit und Geduld mitzubringen, um unter den 64 Beiträgen die wesentlichen Entdeckungen zu finden. Im Herbst anzureisen empfiehlt sich von Schulklassen abgesehen herrscht in den Giardini und im Arsenale angenehme Ruhe.
Die Architekturbiennale 2023 ist noch bis 26. November geöffnet, außer montags von 10 bis 18 Uhr.