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Ist sie verschollen oder lebt sie noch? Vor 33 Jahren wurde Wanda Ruthiewicz (1943-1992, Polen), eine der bedeutendsten Bergsteigerinnen des 20. Jahrhunderts als vermisst erklärt. Sie bestieg…
als erste Frau den Mount Everest. Doch sie wollte nicht nur die dritte nach Messner sein, sondern die fünf höchsten 8000er des Himalayagebirges als Erste besteigen. Kurz vor dem Gipfel des Kangchendzönga wurde sie am 12. Mai 1992 von ihrem Bergsteigerkollegen für vermisst erklärt. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Dass sie in einem Kloster untergetaucht sei, wie sie das ihrer Mutter hinterließ, ist durchaus denkbar, aber nicht nachweisbar.
Dokumentarfilmen Eliza Kubarska machte sich auf die Suche, um Wanda zu finden oder zumindest das zu finden, was Wanda suchte, ein Leben ohne Rucksack, wie die Nonnen und Mönchen ganz spirituell mit der Natur verbunden. Kubarska flog nach Katmandu, um mögliche Spuren zu verfolgen.
In einer Collage aus Fotografien, ehemaligen Interviews, Zeitungsartikeln, Tonband- und Filmaufnahmen, Gesprächen mit ihrer Mutter, ihrer Managerin, mit Priestern und Nonnen, mit den Bergsteigern Carlos Carsolio, Krzysztof Wielicki und Reinhold Messner, kristallisiert sie Wandas sympathische, aber auch sehr eigenwillige Persönlichkeit heraus und ihre Suche nach dem Wesentlichen. Der Dokumentarfilm verzichtet auf spannende Kletterszenen, lässt die Bergwelt, fokussiert auf das Porträt einer Einzelgängerin in einer männerdominierten Sportart, die von Machismo und Neid dominiert war. Sie nahm nur Freunde auf ihre Trecks mit, Menschen, die sich rücksichtsvoll gegenüber dem Berg und der Natur verhielten und trotzdem kam es bei der Besteigung des zum Zerwürfnis, als ihre Gipfelbesteigung als Halluzination anzweifelte.
Über das Porträt hinaus beginnt man angesichts der gigantischen Gebirgswelt, der kargen Weiten, schmalen Pfade und einsamen Klöster, untermalt mit sphärischer Musik, die Bedeutungslosigkeit des Menschen zu spüren und zu verstehen, warum nicht nur diese junge Bergsteigerin, sondern auch viele andere der Faszination der 8000er erliegen. „Ich weiß ganz genau, dass es für mich keinen Weg zurück gibt“, bekennt Wanda auf ihrem Tonband, das immer wieder für innere Monologe verwendet wird, wodurch das Filmporträt so lebendig wirkt.
Eigentlich wollte sie Mutter werden, aber sie traf nicht die richtigen Männer. Zweimal verheiratet, zweimal geschieden, weil ihre Männer sie zu sehr einengten, entschied sie für die Freiheit. Die fand die junge, sportliche Frau in der Bergwelt. Auf dem Gipfel erlebte sie höchste Transzendenz, das Einssein mit der Natur. Von Ihrer dritten Liebe, einem Arzt, der das Abenteuer faszinierte und sie auf einem Treck begleitete, hätte sie sich ein Kind gewünscht, aber er stürzte ab. Sie fühlte sich schuldig und auch die Trauer um 30 verunglückte Bergsteigerfreunde lastete auf ihren Schultern. Doch die Todesnähe beim Bergsteigen war sie immer wieder aufs Neue eine faszinierende Erfahrung. Sie wollte alle 8000er besteigen, doch der Kangchendzönga war stärker als sie. Die Mönche können sich gut vorstellen, dass sie überlebt hat, durch Meditation den Weg in ein Kloster gefunden hat. Die Kamera auf zerzauste Gebetsfahnen, auf den Umriss einer Frau in einem Kloster gerichtet, führt die Spekulation weiter. Beweise wurden nicht gefunden. Es ist ein in die Tiefe gehender, philosophischer Dokumentarfilm.
„Die letzte Expedition“ wurde im Herbst 2024 zum Internationalen Dokumentar- Filmfestival Amsterdam eingeladen. Ab morgen, 30. Januar, ist der Film in den deutschen Kinos zu sehen.
Künstlerisches Team: Eliza Kubarska (Drehbuch, Regie), Marcel Vaid (Soundtrack), Piotr Rosolowski, Marcin Sauter, Malgorzata Szylak (Chef-Kameramänner), Barosz Pietras (Chef-Cutter)